Sind Markenaufbau und -pflege nur etwas für große Konzerne, die Millionenbudgets investieren können?
Nein. Marke kann und muss auch "kleiner" gelebt werden. Marke ist keine Frage des Geldes, sondern der Einstellung, der schlussendlichen Positionierung und Umsetzung. Jeder Handwerker kann zu einer Marke werden. Schauen wir uns "Mustafas Gemüsekebap" in Berlin an: selbst ein kleiner Dönerladen kann eine Marke sein und werden. Was natürlich ein logischer Unterschied ist: je größer das Unternehmen, desto größer wird auch der Aufwand beziehungsweise das Budget sein.
Was sind die häufigsten Fehler, die Unternehmen beim Thema Markenführung begehen?
Zunächst muss man mit dem Thema starten und eine Grundsatzentscheidung treffen: Will ich diesen Weg gehen oder nicht? Daran scheitert es im Vorfeld. Oft verliert man sich in operativen Aufgaben, wenn man Marketingarbeit leistet. Man sollte 30 Prozent der Arbeitskraft in strategische Markentätigkeiten stecken. In der Praxis verliert mit der Zeit der strategische Ansatz, welcher die Marke bis zu dem Zeitpunkt für ihre Verhältnisse groß gemacht hat, an Bedeutung. Darunter leidet die Führung und das klare Bild am Markt. Es kommt auf klare Strukturen, Bewusstsein und Konsequenz an.
Wie gelingt es denn, das Profil der eigenen Marke zu schärfen?
Die Herangehensweise ist oftmals unterschiedlich, da sie zum Unternehmen und seinen Abläufen passen muss. Schlussendlich geht es immer um die identischen Merkmale: Bewusstsein für das derzeitige Eigen- und Fremdbild und eine klare Vision, wohin die Reise des Unternehmens gehen soll. Darauf aufgesetzt ist das Profil der Marke - je nach Unternehmenshistorie und -lage - zu erarbeiten, zu entstauben oder zu schleifen. Das ist ein strategischer Markenprozess zwischen 6 - 9 Monaten, danach folgt die Umsetzung und Markenführung.
Was macht eine gute Marke, die sich im Markt gegen andere Mittelständler und auch global operierende Wettbewerber behaupten muss unverwechselbar?
Ecken und Kanten. Viele möchte das nicht haben, weil man "Kunden" verlieren könnte. Hat man keine Ecken und Kanten ist man halt nur nett. Nett ist leicht austauschbar. Es bedarf Profil. Dazu gehört eine klare Vorstellung des Bildes, welches das Unternehmen am Markt auslösen möchte. Das fehlt vielen. Rationale und emotionale Markenaspekte müssen berücksichtigt und inszeniert werden.
Was kostet eine gute Marke?
Was könnten denn Ecken und Kanten sein?
Bei klassischen Möbelhäusern wird ihnen alles an den Allerwertesten getragen, bei Ikea müssen sie selbst schleppen. Stihl verkauft "nur" Kettensägen, durch die emotionale Aufladung des umspannenden Themas anhand von Sportveranstaltungen - und der konsequenten Inszenierung in anderen Medien - ist das Unternehmen eine (kommunikative) Marke geworden. Wichtig ist, dass der Kunde die Marke erlebt und diese nicht nur abstrakt konsumiert. Marke muss erlebbar sein.
Viele Mittelständler denken, dass ihr Budget für eine professionelle Markenführung zu knapp ist. Was kostet denn eine gute Marke?
Ich habe jetzt schon einige Markenprozesse geführt und stelle immer wieder fest: Am Ende benötigen die Unternehmen nicht mehr Marketingbudget als in den Jahre zuvor. Wir setzen das Budget intelligent(er) innerhalb eines Konzeptes ein. Wir hinterfragen Bestehendes und schauen, was Sinn macht und was nicht - und passen es auf das "neue" Vorhaben an. Das Unternehmen hat die selben Kosten, aber eine effiziente und zielführende Markenarbeit. Das Problem vieler Unternehmen ist, dass aktuell keine klare Markenlinie herrscht, welche geführt wird. Daher verbrennt man links und rechts häufig Geld und landet am Ende bei ähnlichen Kosten. Manchmal ist es wie Frühjahrsputz, manchmal "Finetuning". Das hängt vom Unternehmen ab.
Wie findet denn ein mittelständisches Unternehmen am einfachsten zu "seiner" Marke?
Mit Klartext, ob man das Thema Marke für sich sieht oder nicht. Es macht Sinn, von Anfang an eine neutrale Person für diese Aufgabe an der Hand zu haben, welche einen Markenprozess anführt, gestaltet und moderiert. Diese Voraussetzung müssen geschaffen werden, damit klare Ansprachen möglich sind. Ratsam sind hier externe Partner, da diese auch Sachverhalte ansprechen (müssen), die wehtun. Grundsätzlich muss Bewusstsein für das Thema Marke entwickelt werden, welches sich während eines Markenprozess automatisch einstellt. Und ganz wichtig ist der klare Umsetzungsplan, wie die Marke nicht nur eingeführt, sondern über einen gewissen Zeitraum geführt werden soll - am besten 3-5 Jahre. Schließlich muss es im Operativen mit Leben gefüllt und inszeniert werden. Wichtig ist daran zu denken, dass die Marke erlebbar werden muss. Der Kunde muss es verstehen. Wir müssen "raus" und Erlebnisse erzeugen, welche zu unserer Marken passen. Das bleibt im Kopf. Broschüren & Co. sind Basisarbeit, die Kür ist es Erlebnisse zu schaffen. Wer das kann, gewinnt.
Herr Multerer, wir danken Ihnen für das Gespräch
(Quelle: Handelsblatt)