CIOs sind nach dem Scheitern von ASP-Lösungen noch immer skeptisch gegenüber Mietsoftware. Nicht zu Unrecht: Anfang des Jahres kämpfte Salesforce.com immer wieder mit Ausfällen. Um nicht unter dem schlechten Ruf von ASP zu leiden, nennen Anbieter ihre Mietmodelle „Software as a Service“ (SaaS). Das klingt chic, und mit Service steckt auch gleich ein Hype-Wort im Kürzel. Ganz so neu ist SaaS allerdings nicht: Die Gartner Group reklamiert für sich, seit mehr als neun Jahre über dieses Softwaremodell zu berichten.
Beim SaaS-Modell mieten Anwender ihre Software bei einem Anbieter. Der hostet die Software mit einem One-to-Many-Ansatz zentral für viele Anwenderunternehmen. Im Idealfall arbeiten alle Kunden mit derselben Anwendung, derselben Konfiguration und derselben Anpassung. In der Praxis sind allerdings leichte Anpassungen für den Kunden möglich. Für IDC-Analyst Frank Naujoks liegt der größte Vorteil darin, dass Anbieter Software, Service und Support aus einer Hand über das Web liefern. Allerdings liegen auch alle Daten des Kunden beim Dienstleister. So gehören mangelnde Verfügbarkeit und Sicherheit zu den schwerwiegendsten Bedenken, die Anwender gegen das SaaS-Modell vorbringen. Auch fehlen meist branchenspezifische Ausprägungen ebenso wie einige spezielle Funktionen.
Dennoch hält Naujoks das Modell für ausgereift. Er hält SaaS für eine seriöse Alternative zum klassischen Softwarelizenzmodell: „Die Lösungen sind heute technisch ausgereifter und durch Anbieter wie Siebel und Salesforce.com akzeptiert.“ Zudem stehen mittlerweile große Anbieter hinter dem Konzept: So hat IBM Anfang des Jahres eine Initiative gestartet, in der es die SaaS-Lösungen von Anbietern hostet. Prominentestes Beispiel ist das Hosting von IBM für das CRM-on-Demand-Angebot von SAP. Außerdem vertreibt T-Systems die Siebel CRM-on-Demand-Lösungen und Siemens Business Services das CRM-On-Demand-System der Update Software AG.
20 Prozent Marktanteil bei CRM
Vor allem bei Kundenbeziehungs-Management sehen Analysten die größten Chancen. Die Vorteile von SaaSProdukten liegen für Pierre Audoin Consultants (PAC) in geringen Einstiegskosten, einfachen Einführungen und geringem Betreuungsaufwand. Interessant ist SaaS im CRM-Bereich (Customer Relationship Management) auch als Übergangslösung, wenn Unternehmen mit dem Kunden-Management beginnen. Einen späteren Umstieg auf eine Lizenzversion schließt das nicht aus, so Marianne Proksch, Analystin bei PAC. Letztlich sagt PAC dem SaaS-Modell bei CRM eine „rosige Zukunft“ voraus.
Analyst Frank Naujoks von IDC hält einen Anteil von 20 Prozent im CRM-Bereich für On-Demand-Lösungen für möglich; derzeit belaufe er sich auf rund fünf Prozent. Zu weiteren geeigneten Einsatzgebieten gehören Prozesse im Personalwesen sowie bei Finance und Accounting. Im Lieferketten-Management ist es schwieriger, wenn Schnittstellen zu externen Partner hinzukommen.
Noch adressieren SaaS-Anbieter vor allem mittelständische Firmen. Allerdings greifen auch verstärkt große Unternehmen auf SaaS-Lösungen zu. Für sie eignen sich solche Systeme beispielsweise als Übergangslösung, bis eine große Standardlösung eingeführt wird, in Regionen und in Fachbereichen. „SaaS lohnt sich für große Unternehme auch überall dort, wo sie neue Prozessstandards treiben können“, sagt Matzke. Allerdings rät Forrester von SaaS ab, wenn rechtliche Vorschriften besonderen Datenschutz verlangen und die SaaS-Lösung sehr schnell in bestehende Anwendungen integrieren müssen: Kosten wie Dauer lägen zu hoch, und der Transfer von großen Datenmengen dauern noch zu lange im Vergleich zu einer selbst betriebenen Software.
Nach Matzke spricht vor allem die Flexibilität für SaaS. „Selbst Softwarekonzerne haben erkannt, dass Anwender unzufrieden sind mit bisherigen Abrechnungsmodellen und dem unflexiblen Einsatz der Software.“ Fachbereiche seien frustriert, dass sie Software nicht wie für das Geschäft erforderlich einsetzen können. Anwender wollen laut Matzke weg von starren Lizenzen. „Unternehmen wissen nicht immer, wie sich ihr Geschäft entwickelt und für wie viele Anwender sie Lizenzen brauchen.“ Deshalb wollen sie nach Transaktion und Prozessen abrechnen. „Die Einnahmen der Softwareanbieter verlagern sich vom klassischen Umsätzen hin zu serviceorientierten Umsätzen.“
Das hätte schwer wiegende Folgen für Softwareanbieter. Forrester sieht in SaaS neben Offshoring, SOA und Open Source einen der „Vier Reiter der Software-Commoditization“, die den Anbietermarkt künftig
bestimmen werden. Einerseits wird das Geschäft für sie unberechenbarer, weil Konjunkturzyklen sowie Aufund Abwärtsbewegungen der Anwender sich unmittelbar auf ihre Einnahmen auswirken. Vor allem wäre ihre Cash-Cow gefährdet: das Lizenzgeschäft. Branchenkenner schätzen, dass Softwareunternehmen im Lizenzgeschäft Margen von 60 bis 70 Prozent erzielen. Dagegen taxieren sie im Servicegeschäft Top-Margen auf 15 bis 20 Prozent. Die durchschnittlichen Gewinnspannen liegen demnach um die zehn Prozent.
Neue Abrechungsmodelle hätte andererseits Folgen für den Vertrieb. Statt möglichst viele Lizenzen zu verkaufen, müsste er umdenken und dauerhafte Kundenbeziehungen aufbauen. Denn mit Mietsoftware sinkt auch die Loyalität: Einmal SAP, immer SAP wird nicht mehr die Regel sein. Wenn allerdings Softwareanbieter eigene Beratungskompetenz und eine intensive Kundenbetreuung aufbauen, konkurrieren sie mit Systemintegratoren, die bislang ihre Partner sind. „Es wird zu einer Konsolidierung der Partner kommen“, prophezeit Matzke.
Weil Provisionsmodelle die Vertriebler noch nicht für neue Wege belohnen, kommt der SaaS-Markt erst langsam in Fahrt. Denn letztlich würden sich Anbieter damit den Umsatz selbst kaputt machen. Dennoch führt für Matzke an SaaS kein Weg vorbei. Daraus reultiert für ihn vor allem die Folge: „Softwareanbieter werden die Ausfälle bei Lizenzumsätzen nicht ausgleichen können. Deswegen wird sich der Softwareanbietermarkt weiter stark konsolidieren.“