Das neue Album des angesagten Songwriters, das T-Shirt für den Sommerurlaub - ein paar Klicks und die Ware ist gekauft. Amazon und Co. haben das Konsumverhalten verändert. Das gilt auch für den Kauf von Neu- und Gebrauchtwagen: Wer sich ein Auto kauft, der springt heute zwischen Online- und Offline-Kanälen hin und her, bevor er seine Unterschrift leistet. Doch anders als beim trendy T-Shirt hat der Autokauf meist mit Finanzierung zu tun. Bisher aber ist dieser Teil des Kaufprozesses für Kunden wie Händler ein Bremsklotz - viel Papierkram, viel Aufwand vor Ort.
Volkswagen Financial Services (VWFS) wollte gemäß dem Leitgedanken "The key to mobility" eine innovative, Channel-übergreifende Lösung an den Start bringen. Ziel des Unternehmens: den ersten vollständig digitalisierten Verkaufsprozess für Fahrzeuge in Verbindung mit dem Abschluss eines Leasing- oder Finanzierungsvertrags zu schaffen, online und am Point of Sale (PoS). Mit diesem "Projekt Digitalisierung Omni-Channel Fahrzeugkauf" bewirbt sich VWFS um den Digital Leader Award 2020.
Strategie "Route2025"
Der Motor des Projekts ist die Strategie "Route2025". Deren Ziel: der beste automobile Finanzdienstleiser der Welt zu werden. Das gelingt nur mit Mut und Begeisterung, erklärt der Konzern selbst. Bei allem technologischen Fortschritt bleibt ein Auto immer auch etwas Emotionales. Und den Spaß am Kauf eines neuen Wagens soll "das Kleingedruckte" nicht trüben. In diesem Fall sind das zum Beispiel die digitale Legitimation und der digitale Vertragsabschluss.
Im Behördendeutsch nennt sich das "kundenbezogene Sorgfaltspflichten" auf Grundlage des Geldwäsche-Gesetzes (GwG). Unter Einhaltung solcher und weiterer Regularien will VWFS den Prozess für den Kunden absolut papierlos und in Echtzeit gestalten. Wer ein Auto kauft, bekommt alle Vertragsdokumente elektronisch bereitgestellt und soll sich um nichts kümmern müssen. Partner der VWFS ist das Berliner Zahlungsinstitut Verimi, das sich als "die Identitätsplattform für Europa" begreift. Verimi firmiert als Joint-Venture von Konzernen wie Allianz, Daimler, Deutscher Bank und auch Volkswagen selbst.
Digital Unit hinterm Lenkrad
Mitte Juni 2019 trafen sich Supporter und Investoren zum Kickoff. Bei der Umsetzung übernahm die Digital Unit das Lenkrad, ein Team aus insgesamt 70 Mitarbeitern. Die Unit - 2017 gegründet - versteht sich als zentrales Delivery Center. Sie digitalisiert das gesamte Produktportfolio des Unternehmens, und zwar deutschlandweit wie international. Dafür arbeiten die 70 Kollegen eng mit globalen Digital-Experten zusammen und ebenso mit lokalen Branchenkennern, die ihre Erfahrungen mit den Märkten vor Ort im Kofferraum haben.
Grundlage der entstandenen Lösung ist ein Technologie- und Geschäftsmodell-Stack mit sechs Bestandteilen. Da ist zum Ersten eine regulatorisch-konforme Financial-Services-Public-Cloud-Plattform auf Basis von Amazon Web Services (AWS). Diese stellt laut VWFS ein Novum in der Finanzdienstleistungsbranche dar, was dem Anbieter die Pole Position sichern soll. Zweitens ein System für den Point of Sale (POS).
Drittens erhält ein Autohaus, das die Lösung nutzt, ein Tablet mit einer nativen App, die in den Verkaufsprozess integriert ist. Viertens kommt Verimi als Entwickler der App ins Spiel. Die Anwendung ist übrigens keine proprietäre Volkswagen-App. Fünftens weist die App alle gültigen Sicherheitsstandards auf und sechstens ermöglicht VWFS Transparenz und automatisierte Berichterstattung, wobei die Nutzer anonymisiert bleiben. Ein Cloudbasiertes CRM-System, das alle Geschäftsvorfälle dokumentiert, ist eingebunden.
Mit agilen Methoden gut gefahren
Im März 2020 konnte das Projekt-Team die Integration abschließen. Die nachfolgenden Wochen nutzten die Kollegen zum intensiven Testen von Prozessen und Software. Das Team arbeitete nach agilen Methoden und fuhr gut damit: schnell waren Prototypen entwickelt, zu denen Händler und Kunden ihr Feedback einbrachten. Am 13. Mai schließlich ging das "Projekt Digitalisierung Omni-Channel Fahrzeugkauf" bei einem Pilothändler live.
Das heißt konkret: der Endkunde identifiziert sich binnen weniger Sekunden durch das Auslesen seines Personalausweises. Seine digitale Unterschrift ist rechtssicher, signierte Dokumente können im Kundenportal heruntergeladen werden. Weil Login, Identität und digitale Unterschrift wiederverwendet werden können, braucht sich der Kunde nicht nochmals zu legitimieren ("One-Stop-Shopping"). Der Händler läuft nicht mehr Gefahr, bei händisch eingegebenen Identifikationsprozessen Fehler zu machen, die ihm erst hinterher im Back-Office auffallen.
Die Volkswagen Financial Services AG betrachtet dieses Vorhaben als eines ihrer Leuchtturm-Projekte. Seine Signalwirkung gilt weit über die Unternehmensgrenzen hinaus: weil die neu entwickelte Lösung nicht proprietär ist, soll sie anderen Organisationen - und zwar Unternehmen wie auch Behörden - zur Verfügung gestellt werden. Damit Deutschland Gas geben kann mit Kurs auf die Digitalisierung.
Volkswagen Financial Services | Digitalisierung von Verträgen
Branche: Finanzdienstleistung (im Bereich Automotive)
Use Case: Digitales Abwickeln von Kaufverträgen
Tool: Financial Services Public Cloud-Plattform auf Basis von Amazon Web Services (AWS)
Partner: Verimi