Vor einem Mangel an Fachkräften für IT und Ingenieurberufe warnen verschiedene Institutionen seit langem immer wieder. Nun präsentiert der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) in einer Studie neue Zahlen, die die Lage verdeutlichen: Spätestens in zehn Jahren werden Unternehmen in Deutschland ernsthafte Probleme kriegen, freie Ingenieursstellen zu besetzen.
Der VDE hat in seiner Studie "Ingenieurinnen und Ingenieure der Elektrotechnik/Informationstechnik - Trends, Studium und Beruf" Ergebnisse eigener Untersuchungen der letzten Zeit und Zahlen von Einrichtungen wie der Agentur für Arbeit zu einem umfassenden Bild des Elektroingenieur-Arbeitsmarkts zusammengestellt. Sie zeigen: Während der Bedarf an Fachkräften größer wird, gelingt es immer weniger, ihn zu decken.
Wie viele Ingenieure jährlich gebraucht werden, hängt jeweils von zwei Entwicklungen ab. Zum einen nennt der VDE den Ersatzbedarf für Mitarbeiter, die aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Abhängig ist der Bedarf außerdem von Wirtschaftswachstum oder Veränderungen auf dem Markt.
Gerade diese zweite Komponente spielt aus Sicht der Studienautoren eine wichtige Rolle. Vor allem in innovationsstarken Branchen würden künftig noch mehr Ingenieure gebraucht als heute. Schon in den vergangenen 20 Jahren habe man einen stets wachsenden Bedarf registriert.
Fast Vollbeschäftigung bei Elektroingenieuren
Der sogenannte Ersatzbedarf könne in der nächsten Zeit durch Hochschulabsolventen gedeckt werden - aber auch das nur, wenn ein Großteil der Absolventen aus dem Ausland nach dem Studium in Deutschland bleiben. Rechnerisch blieben für den Zusatzbedarf keinerlei Reserven, warnt der VDE.
Spätestens um das Jahr 2020 werde die Lücke deutlich wachsen. Zu diesem Zeitpunkt würden geburtenstarke Jahrgänge beginnen, den Arbeitsmarkt altersbedingt zu verlassen.
Zurzeit liegt die Arbeitslosenquote von Elektroingenieuren laut Studie bei knapp zwei Prozent - was nahezu Vollbeschäftigung bedeute. Der VDE erwartet, dass sie noch niedriger wird. Sogar die Wirtschaftskrise habe sich nur wenig auf die Zahl der Arbeit suchenden Ingenieure ausgewirkt. Gleichzeitig steige die Zahl der bei der Agentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen seit Jahresbeginn.
Mehr Bedarf an IT-Lösungen für Gebrechliche
Der VDE geht für seine Studie davon aus, dass es wesentlich mehr freie Stellen für Ingenieure gibt als die von der Agentur für Arbeit gemeldeten. Für dieses Jahr schätzt der Verband, dass gut 12.000 Elektroingenieure gebraucht werden. Dem Bedarf stehen aber nur rund 8000 Hochschulabsolventen in diesem Fach gegenüber. Während der Wirtschaftskrise war die Lücke zwischen Bedarf und verfügbaren Ingenieuren kurzzeitig klein. Wegen der anziehenden Konjunktur und gleichzeitig kleiner werdender Jahrgänge an Hochschulabgängern wird die Kluft laut VDE aber wieder viel größer.
Nach Darstellung des Verbands hat das ernsthafte Folgen. Die Verfasser nennen neue Herausforderungen in der Gesellschaft, für die Lösungen aus Elektro- und Informationstechnik nötig seien. Wegen knapper werdender Ressourcen seien neue, sparsame Technologien notwendig. Wegen des Klimawandels müsse man bisher fossile Energiesysteme durch elektrische Systeme ersetzen. Der weitere Zuzug in die Städte erfordere neue Lösungen für Transport, Energieversorgung und Abfallentsorgung. Zuletzt verlange die alternde Gesellschaft nach moderner Technik, die auch Gebrechlichen ein weitgehend selbstständiges Leben ermöglichen.
Ingenieurbedarf steigt vor allem in der IT
Fehlten dauerhaft Fachkräfte, verschenke Deutschland Innovationspotenzial und wirtschaftliche Chancen, warnt der VDE-Bericht.
Den größten Bedarf an Ingenieuren sieht die Studie nach wie vor in klassischen Projekten und bei Forschung und Entwicklung. Am stärksten zugelegt hat allerdings die Nachfrage nach Elektroingenieuren bei IT-Dienstleistungen. 82 Prozent mehr Stellenanzeigen als im Vorjahr gab es zuletzt für dieses Aufgabenfeld.
Wo Elektroingenieure Arbeit finden, ist regional unterschiedlich. In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen und mit einigem Abstand Bayern gibt es derzeit die meisten freien Arbeitsplätze. Schlusslicht der Bundeslänger ist das Saarland.
Schlechte Studienbedingungen
Anders als vor zehn Jahren wiegt bei Ingenieuren höheres Alter als Risikofaktor für Arbeitslosigkeit nicht mehr so schwer. 1999 waren fast zwei Drittel der Arbeitslosen in der Branche über 50 Jahre alt, heute macht diese Altersgruppe unter den Arbeitssuchenden etwa 45 Prozent aus.
Die Berufsaussichten für Elektroingenieure sind gut, lässt sich als ein Resümee der Studie ziehen. An ihnen kann es also nicht liegen, dass sich zu wenige junge Menschen für ein Studium dieses Fachs entscheiden. Stattdessen sieht der VDE als eine der Ursachen für den Mangel die Situation an den Hochschulen. Um 27 Prozent liegt derzeit die Studienabbrecherquote an Hochschulen über alle Fächer hinweg. In den Ingenieursstudiengängen ist sie noch weitaus höher. Der VDE nennt mögliche Wege, hier gegenzusteuern: Verpflichtende Beratungsgespräche vor Studienbeginn, ein besseres Betreuungsverhältnis zwischen der Zahl der Studenten und der der Lehrenden, und zuletzt stärkere Bezüge der theoretischen Studieninhalte zur späteren Berufspraxis.