Sechs Trends geben derzeit auf dem deutschen Markt für Enterprise Resource Planning (ERP) die Richtung vor, wie die SoftTrend-Studie des Software-Beraters SoftSelect zeigt. Drei wichtige Wegweiser sind die aktuellen Großtrends der IT: Cloud Computing, Social Media und Mobility. Daneben bemühen sich die Hersteller, weitere Funktionalitäten nach aktuellem Bedarf in ihre ERP-Lösungen zu integrieren: Tools für Projektmanagement, Dokumentenmanagement und zur Analyse großer Datenmengen – Stichwort Big Data.
„Der ERP-Markt in der DACH-Region ist äußerst vital“, konstatieren die Hamburger Berater, die in ihrer Studie 116 Anbieter mit 168 ERP-Lösungen untersucht haben. Die beständige Erweiterung der ERP-Suiten um zusätzliche Funktionalitäten sei seit Jahren kennzeichnend für diesen Markt. „Neben den umfangreichen ERP-Suiten der Marktführer, die Lösungen für Firmen jeglicher Branchen anbieten, gibt es auch zahlreiche Nischenanbieter, die mit speziellem Zuschnitt auf die Erfordernisse einzelner Branchen punkten können.“
Viele SaaS-Angebote nur überarbeitete Hosting-Varianten
Dass SoftSelect Cloud Computing respektive Software-as-a-Service (SaaS) als maßgeblichen Trend nennt, ändert nichts daran, dass ERP und SaaS weithin noch nicht zusammengefunden haben. Bei den Anwendern seien SaaS-Lösungen zwar immer beliebter. Dennoch halten die Berater fest: „Die ERP-Hersteller tun sich mit dem Angebot an SaaS-Lösungen oft noch schwer.“
Zwar gebe es bereits viele SaaS-Lösungen in einzelnen Teilbereichen als Ergänzung zum eigentlichen ERP-System, so zum Beispiel für das CRM oder das Talent Management. „Umfassende ERP-Suiten auf SaaS-Basis sind jedoch noch vergleichsweise selten“, heißt es in der Studie. „Bei genauerer Betrachtung entpuppen sich viele SaaS-Angebote der ERP-Hersteller lediglich als überarbeitete Hostingvarianten.“
Gängigerweise wird ERP weiter als Inhouse-Lösung angeboten. 48 Prozent der Lösungen werden aber mittlerweile auch auf SaaS-Basis angeboten, vor einem Jahr waren das lediglich 43 Prozent. Dafür lassen die zwei Drittel, die auch als Application Service Providing (ASP) angeboten werden, einen rückläufigen Trend erkennen.
SAP vor Microsoft und Infor
Der Anteil der SaaS-fähigen Lösungen liege im ERP-Bereich weiter deutlich unter den Werten in anderen Unternehmens-Software-Bereichen wie etwa dem HR-Segment, so SoftSelect: „Aufgrund der Komplexität der Prozesse in den Unternehmen ist eine SaaS-Lösung nach dem Baukastenprinzip in vielen Fällen nicht die erste Wahl.“
Die erfolgten Übernahmen von Cloud-Anbietern wie Success Factors durch SAP und Taleo durch Oracle zeigten jedoch, dass die ERP-Marktführer das Cloud-Geschäft als wichtigen Treiber der weiteren Wachstumsstrategie sehen. Neben SAP zählen insbesondere Microsoft vor Infor, Oracle und proALPHA zu den Marktführern im deutschsprachigen ERP-Markt.
Während der SaaS-Trend das grundsätzliche ERP-Bezugsmodell berührt, geht es bei den anderen fünf Trends immer um eine funktionelle Anreicherung. Unter dem Schlagwort „Social ERP“ werden laut Studie die Bemühungen der ERP-Softwareanbieter subsumiert, die im Alltag der User bereits verankerten sozialen Medien und Netzwerke für die Unternehmensprozesse produktiv nutzbar zu machen.
„Big Data“ bedeutet laut Studie auch, dass Firmen die Kommunikation über Unternehmen und Produkte in den Social Networks erfassen und auswerten, um so zeitnah und proaktiv auf Kritik und Wünsche der Konsumenten reagieren zu können. Eine Integration von Projektmanagement-Tools ins ERP könne Medienbrüche verhindern und erhöhe die Transparenz. Dokumentenmanagementlösungen würden von ERP-Anbietern zumeist in Kooperation mit Spezialanwendungen angeboten.
Der mobile Zugriff auf die ERP-Module durch Smartphones, Tablets und andere mobile Endgeräte befinde sich bei vielen ERP-Anbietern momentan in der Umsetzung. „Windows Phone, Android und Apple iOS werden am häufigsten unterstützt“, so SoftSelect. „Mit großem Abstand folgen Mobile Linux, Palm OS und Nokias Symbian OS.“
DB2 wenig verbreitet
Für die Datenintegration spielten Datenbanken eine entscheidende Rolle. Microsofts SQL Server lasse sich in 87 Prozent der ERP-Lösungen integrieren. Die Möglichkeit zur Einbindung der Datenbank von Oracle wird von 59 Prozent der Lösungen gewährleistet. „DB2 von IBM, mySQL, Informix und Adabas finden hingegen weniger starke Verbreitung“, so die Studie.
Webbasierte Technologien kommen mittlerweile in fast 60 Prozent der untersuchten Lösungen zum Einsatz. Sie sind damit weniger stark verbreitet als die klassische Client/Server-Technologie mit 89 Prozent. 42 Prozent der von SoftSelect untersuchten Produkte bieten eine Kombination aus Client-Server- und webbasierter Technologie an. Der Anteil an Lösungen, die auf Multi-Tier-Architekturen zurückgreifen, liegt bei 63 Prozent. Service-orientierte Architekturen (SOA) kommen in einem Viertel der Produkte zum Einsatz.
Offenbar endgültig zu Grabe getragen werden muss das vor Jahren präsente Trendthema Open Source. „Oft ist der individuelle Anpassungsbedarf der quelloffenen Software in den Unternehmen sehr hoch“, heißt es in der Studie. So müssten entweder teure Dienstleistungen eingekauft werden, oder die unternehmensinterne IT wird vor hohen Arbeitsaufwand gestellt. Weiterhin fehle es den Open-Source-Projekten im ERP-Bereich an prominenter Unterstützung durch potente Sponsoren.
Bei etablierten ERP-Lösungen auf OpenSource-Basis seien die Kosten für Service- und Supportleistungen oft so hoch, dass sich für die Anwender kein nennenswerter Einspareffekt mehr ergebe. „Quelloffene ERP-Systeme werden daher mittelfristig auch weiterhin nur ein Nischen-Dasein führen“, konstatiert SoftSelect. „Da die Unternehmen das Risiko und den hohen Anpassungsbedarf von Open-Source-ERP-Systemen fürchten, stehen die Open-Source-Projekte vor zum Teil erheblichem Nachholbedarf in Sachen Funktionalität, Performance und Zuverlässigkeit.“ Die Studie „SoftTrend Studie 264 – ERP Software 2012“ ist bei SoftSelect erhältlich.