CIO-des-Jahres-Konferenz 2023

Erst die Arbeit, dann ins Vergnügen

24.10.2023 von Manfred Bremmer
Bevor es abends zur feierlichen Gala ging, ließen sich CIOs und unsere Partner auf der begleitenden Fachkonferenz durch Keynotes, Live-Interviews und Breakout-Sessions inspirieren.
Volles Haus bei der Konferenz zum CIO des Jahres 2023 in der Münchner Motorworld.
Foto: cio.de / Tobias Tschepe

Nach dem Nebel der vergangenen Tage in München wurden die Besucher der CIO-des-Jahres-Konferenz überraschend von Sonnenstrahlen begrüßt. Allzu viel hatten die gut 200 IT-EntscheiderInnnen davon allerdings nicht, denn vor ihnen standen noch einige Stunden Konferenz auf dem Programm. Pünktlich um 9:30 Uhr ging es auch schon los in der gut gefüllten kleinen Lokhalle der Motorworld München.

Und spätestens bei der ersten Panel-Diskussion dürfte auch die letzte Müdigkeit verschwunden gewesen sein, denn es ging um ein brisantes Thema: Unter dem Titel "Frische Rezepte gegen den Fachkräftemangel" diskutierten Anke Sax (COO/CTO, KGAL GmbH), Bettina Uhlich (Vorsitzende des Präsidiums VOICE - Bundesverband der IT-Anwender e.V.) und Sascha Luithardt (CIO, Klinikum Stuttgart) über Wege, wie sich gute Leute halten und neue Talente finden lassen.

Purpose vermitteln - dann findet man auch IT-Mitarbeiter

Das Thema sei nicht neu, erklärte Uhlich zu Beginn, werde aber immer virulenter und sei eines der akuten Probleme neben Kostendruck und Investitionsstaus. So seien in Deutschland derzeit rund 40.000 IT-Stellen unbesetzt, das sei ein Fünftel aller unbesetzten Stellen, so die Voice-Präsidentin. Hinzu komme, dass Anwenderunternehmen beim War for Talents auch noch mit Tech-Herstellern konkurrierten. Ihr Lösungsansatz: Purpose vermitteln. Wenn man die Welt ein bisschen besser machen kann, auch als IT-Mitarbeiter, macht das viel Sinn.

Zum Auftakt der Konferenz behandelte ein hochkarätiges Panel das Thema Fachkräftemangel. Moderiert von Claudia Bechstein (rechts) und Wolfgang Herrmann (links), diskutieren Bettina Uhlich (Mitte), Anke Sax (zweite v. rechts) und Sascha Luithart, wie Unternehmen dem Problem begegnen können.
Foto: cio.de / Tobias Tschepe

Den Blick auf die Sinnhaftigkeit der Arbeit zu richten und Emotionen zu wecken, helfe bei Neueinstellungen, bestätigte Sascha Luithardt. Er berichtete von der mit Videos, Social-Media-Posts und Testimonials unterstützten Kampagne "Wir machen IT, die Leben rettet" im Klinikum Stuttgart. Auch die bestehenden Mitarbeiter würden dieses Motto leben und fühlen, so der CIO.

Als weiterer Punkt brachte Anke Sax die mit einem Anteil von nur 19 Prozent nach wie vor unterrepräsentierten Frauen in der IT zur Sprache. Um diese Quote zu erhöhen, müsse sich zunächst einmal die Wahrnehmung ändern, befand sie, also das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. "Jungs, Ihr merkt gar nicht, wie Ihr ständig Frauen diskriminiert", wandte sich die langjährige CIO ans überwiegend männliche Publikum.

"Vorne anfangen, damit hinten etwas rauskommt"

Dabei müsse man vorne anfangen, damit hinten was rauskommt, fügte Uhlich hinzu. Die VOICE-Präsidentin berichtete in diesem Zusammenhang vom Projekt ShegoesIT, mit dem Mädchen und Frauen in verschiedenen Lebensabschnitten beim Start einer IT-Karriere unterstützt werden.

Es gebe noch viel zu tun, so der Konsens in der Diskussionsrund. Was etwa Frauen in einer Führungsrolle angehe, fehle es an Vorbildern, aber auch an Selbstbewusstsein. Und mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung seien nach wie vor Kita- und Hortplätze Mangelware.

Auch aus dem Publikum gab es interessante Lösungsvorschläge, etwa die Anregung, durch Co-Leadership oder die Ausschreibung aller Stellen als Teilzeit den Frauenanteil in der IT zu erhöhen. Die Dänin Anne Kjaer Bathel, die später mit dem Digital Future Award ausgezeichnet wurde, merkte an, dass nach wie vor die deutsche Sprache ein Hindernis darstelle, qualifizierte Migranten als IT-ExpertInnen zu vermitteln.

Und was die Initiative des Klinikums Stuttgart angeht, bemerkte Andreas Meyer-Falcke, CIO der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dass es wenig Sinn mache, wenn man sich gegenseitig die IT-Helden wegnehme. So gebe es etwa in Düsseldorf allein 15 Krankenhäuser, die alle eine eigene IT hätten. Dieses Problem betreffe aber nicht nur den Gesundheitsbereich, fügte Meyer-Falcke hinzu und verwies als Beispiel für mögliche strukturelle Veränderungen auf die 35 kommunalen IT-Dienstleister in NRW.

Software-Roboter übernehmen Auftragsbearbeitung

Im zweiten Panel des Tages ging es gleich spannend weiter: Michael Berens, CIO von Solarlux, berichtete in seiner Keynote, wie sein Team auf Basis von Microsoft Workflow Foundation eine eigene RPA-Plattform namens "Optimierte Auftragsbearbeitung" (OptAb) entwickelt hat.

Die selbst entwickelte RPA-Plattform von Solarlux spart laut CIO Berens etwa 30 Minuten pro Auftrag ein.

Die Lösung deckt den sehr spezifischen Bedarf des auf Glas- und Fassadensysteme spezialisierten Unternehmens ab und wickelt etwa drei Viertel aller Aufträge automatisch ab. Für das Projekt wurde Berens später auf der Abend-Gala mit dem Innovation Award ausgezeichnet. Mehr zu den PreisträgerInnen und zum Projekt lesen Sie hier.

Das darauf folgende Live-Interview mit Maik Krüger, CIO der Dräxlmaier Group, könnte man gut mit dem etwas ausgelutschten Spruch "Culture eats strategy for breakfast" subsummieren. Der zuvor in führenden IT-Positionen bei BMW tätige CIO war im ersten Anlauf mit der Umsetzung seiner neuen IT-Strategie für den niederbayerischen Fahrzeugzulieferer gescheitert.

"Das Problem lag bei mir", räumte er selbst ein und erntete für das Eingeständnis großen Applaus von seinen CIO-Kollegen. Die Idee sei seit Jahren in seinem Kopf gereift, so Krüger, und als er dann mit seinen Folien angekommen sei, habe er erwartet, dass die Kollegen, die teilweise aus anderen Ländern und Kulturen kommen, das sofort antizipierten.

"Culture eats Strategy for Breakfast"

"Es hing also am Change Management", berichtete er. Nicht die Strategie sei schlecht, sondern die Didaktik war mangelhaft. Nachdem er die Texte verkürzt und die Bilder sprechender gestaltet hatte, klappte es dann im zweiten Aufschlag - obwohl er an der Strategie selbst nichts verändert habe, so Krüger.

Dräxlmaier-CIO Maik Krüger führte das Scheitern seiner IT-Strategie auf mangelhafte Didaktik zurück und zeigte sich selbstkritisch.
Foto: cio.de / Tobias Tschepe

Das Resultat bezeichnet der Dräxlmaier-CIO als Supplier IT mit Consulting-DNA. "Wenn wir zeigen, dass wir beauftragt werden, auch von außen, dann werde das auch guttiert", erklärte er. Als weitere interessante Punkte erhält jeder Standort Verantwortung sowie eine eigene Aufgabe. Jeden Monat wird in Abstimmung mit den Fachabteilungen entschieden, was getan und gelassen wird. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Unabhängigkeit - Stichwort Insourcing. Und wenn man sich mit etwas vom Wettbewerb differenziert, dann läuft das entsprechende System nicht in der Public Cloud, sondern in der Private Cloud oder im eigenen Rechenzentrum.

Buntes Potpourri an IT-Use-Cases

In den darauf folgenden Breakout-Sessions gab es eine bunte Mischung an IT-Use-Cases aus verschiedenen Bereichen und Anwenderunternehmen. So berichtete unter anderem Stefan Würtemberger, EVP IT bei Marabu, welche praktischen Erfahrungen der Farbenhersteller bei der Auswahl und dem Wechsel eines SOC-Anbieters gemacht hat.

Marko Periša, CIO von der United Robotics Group, zeigte zusammen mit Carmen Große von Box auf, wie wichtig eine zentrale Content-Strategie für Unternehmen in einem hybriden Arbeitsumfeld ist und wie Unternehmen ihre unstrukturierten Inhalte sicher verwalten und gleichzeitig die Produktivität fördern können.

Gut besucht war auch eine Session, in der Vertreter von Siemens und Infosys einen Use Case mit ChatGPT in der Steuerabteilung des Elektronikkonzerns vorstellten. Die generative KI wird dabei unterstützend verwendet, um die umfänglichen Schreiben des Finanzministeriums zusammenzufassen und die für Siemens relevanten Informationen über neue Regularien und Gesetzesänderungen im FAQ-Format gut konsumierbar für den internen Newsletter aufzubereiten.

Darja Meyer und Florian Schelle von Siemens zeigten auf, welches Problem in der Steuerabteilung mit GenAI adressiert wurde.

Wie die Referenten betonten, sind die direkten Vorteile (noch) nicht messbar. Im Fokus dieses und anderer Use Cases stehe aber, die Mitarbeiter in einem Change-Prozess an neue unterstützende Technologien heranzuführen.

In einer anderen Breakout-Session berichteten Schnellecke-CIO Karsten Keil und Annette Maier von UiPath in einem Impulsvortrag, wie KI im Zusammenhang mit Automatisierung genutzt werden kann, um sich damit vom Wettbewerb zu differenzieren. In diesem Kontext wurde auch beleuchtet, wie sich dabei die Rolle der IT verändert und wie man sowohl die oberste Führungsetage als auch die Mitarbeiter auf die Digitalisierungsreise mitnimmt.

Hybrid Work nach Schweizer Art

Nicht weniger spannend war auch der Vortrag von Swisscom-CTIO Gerd Niehage. Der erst im Frühjahr vom Automobilzulieferer ZF Group in die Schweiz gewechselte IT-Manager berichtete, wie sich sein neuer Arbeitgeber für die Zukunft des hybriden Arbeitens ausrichtet. "Wenn die Mitarbeiter ins Büro kommen, dann nicht, um acht Stunden Code zu schreiben, sondern um Menschen zu treffen, um sich auszutauschen", erklärte Niehage und gab einen Einblick in das laufende Projekt, alle Office-Bereiche der Swisscom neu zu organisieren.

Volles Haus gab es auch beim Vortrag von Siemens Healthineers und ServiceNow. Hier erläuterten CIO Stefan Henkel und Jochen Hostalka, Senior Vice President IT Customer Service, wie mithilfe eines zentralen Mitarbeiter-Service-Portals die interne Akzeptanz und Nutzung der angebotenen Services verbessert werden kann.

Discounter- oder Feinkost-IT?

Welche Fähigkeiten benötigt eine IT in den nächsten fünf Jahren, um Produkte und Geschäftsprozesse zu verstehen und IT-Plattformen für eine möglichst effiziente und automatisierte Abwicklung zu gestalten? Diese Fragestellung beleuchtete Jörg Thamm von Horváth in einer Session anhand einer aktuellen Studie. Unterstützt wurde er von Markus Schaal, CIO der Voestalpine AG, der Einblicke gab, wie er mit seinem oneIT-Programm die IT des Stahlproduzenten stärker auf das Business ausrichtet.

IT-Strategien für mehr Nachhaltigkeit

Bevor es zum Abschluss zum lockeren Networking an die Carrera-Bahn oder in die Women's Networking Lounge ging, gab es noch ein spannendes Live-Interview zum Thema IT-Strategien für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. Teilnehmer waren Andreas Becker, CIO von Daiichi Sankyo Europe (DSE), sowie TUI-IT-Chefin Isabelle Droll.

In einem Live-Interview berichteten TUI-CIO Isabelle Droll (zweite von links) und DSE-CIO Andreas Becker (zweiter von rechts) über ihre Strategien im Bereich Nachhaltigkeit.
Foto: cio.de / Tobias Tschepe

"Unsere Industrie ist schon heute schlimmer als die komplette Luftfahrtindustrie, und was wir heute diskutieren, wird das Ganze noch viel schlimmer machen", erklärte Droll. "Wir haben als CIOs hier eine Rolle zu spielen, um weniger zu konsumieren."

Bei dem Touristikkonzern geschieht dies beispielsweise durch die Optimierung des Cloud-Betriebs hinsichtlich CO2-Ausstoß und Energieverbrauch mit Hilfe von FinOps-Technologie. Außerdem will TUI Nachhaltigkeit als wichtiges Auswahlkriterium für IT-Lieferanten etablieren und den Produktlebenszyklus der eigenen Hardware ins Visier nehmen.

Daneben berichtete Droll, dass TUI etwa künstliche Intelligenz (KI) nutzt, um Flug- oder Schiffsrouten zu optimieren und so Kraftstoff und Emissionen zu reduzieren - Stichwort Sustainability by Technology. Weitere Details zur IT-Strategie der CdJ-Preisträgerin finden Sie hier.

Awareness bei den (IT-)Mitarbeitern schaffen

Wichtig für DSE-CIO Becker, der mit seinem Projekt den erstmals verliehenen Sustainability Award gewann, war es, Awareness zu schaffen. Er nannte ein Beispiel: "Ist jedem von uns und unseren MitarbeiterInnen bewußt, dass der tägliche E-Mail-Verkehr den gleichen CO2-Footprint hinterlässt wie elf Kilometer Auto fahren - mit einem Verbrenner? Und auch noch zwölf Liter Wasser verbraucht?" Hinzu komme, dass die eingesetzten Geräte eine extrem niedrige Recycling-Quote hätten.

Um ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der IT zu schaffen, setzte Becker etwa auf Kommunikationskampagnen. Außerdem nahm er die Mitarbeitenden durch regelmäßige Aktionen in die Pflicht, selbst einen Beitrag zu leisten und bewusst nachhaltig im Umgang mit ihrem IT-Equipment zu handeln.

Nicht zuletzt achtet auch die IT-Abteilung bei der Auswahl der IT-Austattung und in Sachen Infrastruktur und Services auf Nachhaltigkeitsaspekte. Zudem richtet sie die internen IT-Prozesse und Projekte auf Sustainability aus. "Bei jedem Projekt und Prozess muss Nachhaltigkeit ein fester, zu berücksichtigender Faktor sein", erklärte Becker. Mehr dazu gibt es hier nachzulesen.