„Web 2.0 läuft nicht“ hatte das CIO-Magazin unlängst getitelt. Der aus den Ergebnissen des IT Excellence Benchmark abgeleiteten Aussage hatte Markus Bentele, CIO der Rheinmetall AG sofort vehement widersprochen. Seinen Standpunkt verdeutlichte er jetzt auf den Hamburger IT-Strategietagen. „Web 2.0 läuft dann nicht, wenn man im Unternehmen Facebook einsetzt“, so Bentele. Nutze man Web 2.0 hingegen mit unternehmerischen Ansätzen wie Tagging, könne das Projekt durchaus erfolgreich sein.
2002 war Rheinmetall zunächst mit einem Portal ins Thema Web 2.0 eingestiegen. Mittlerweile gibt es auf Basis von SAP Enterprise Portal eine Collaboration Plattform mit umfangreichen Funktionen. „Die Anwendungen sind hoch integriert in den Tagesprozess“, berichtete Bentele. Zentral seien virtuelle Team-Räume, Plattformen fürs Dokumenten-Sharing und Yellow Pages – laut Bentele „das kleine Facebook, allerdings nicht zum Austausch von Urlaubsfotos, sondern unter dem Aspekt von Kontaktfunktionen, Instant Messaging und Web-Konferenzen“.
Als Selbstläufer stellte Thomas Endres, CIO von Deutsche Lufthansa AG, Web 2.0 dar. Außer einem kleinen Artikel in der Mitarbeiterzeitschrift habe es nie Werbung für die neuartigen Anwendungen gegeben. „Das hat sich nur über Mundpropaganda verbreitet, und mittlerweile haben wir fast 20.000 User“, berichtete er. Mitarbeitern vorzugeben, Web 2.0 anzuwenden, käme ihm nie in den Sinn, sagte Endres. „Es läuft von alleine, wenn es als nützlich erlebt wird.“
Der Aufwand im Hintergrund sei teils beträchtlich, etwa wenn ein Identitäts-Management aufgebaut werden müsse. Doch sei dies einmal geschehen, könnten alle möglichen Web 2.0-Anwendungen darauf zugreifen. „Und der Nutzer merkt nichts von dem technischen Aufwand hinter dem Thema“, so Endres.
Als Herausforderung für Führungskräfte sieht Endres den Umstand, dass bei Web 2.0 Informationen nicht mehr nur über Vorgesetzte ausgetauscht werden. Gleichwohl sieht Jürgen Burger, CIO der Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co. KG, diese nicht an der Hierarchie ausgerichtete Form der Kommunikation positiv. Bei weltweiten Projekten sei es bei Hellmann üblich, ein eigenes Wiki aufzusetzen, zu dem Mitarbeiter Inhalte beisteuern. „Der Weg über die normale Hierarchie würde bei einem Unternehmen wie Hellmann mit Standorten in 140 Ländern, viel länger dauern“, erklärte er.
Keine Angst vor Datenlecks
Große Angst vor Datenlecks habe er nicht, sagte Burger. Transparenz sei ein wichtiges Prinzip bei Hellmann. Natürlich seien davon Personal- und Finanzkennzahlen ausgenommen, „aber wenn Daten über unsere Prozesseffizienz nach außen dringen – wunderbar.“
Auch Markus Bentele bereiten Sicherheitsbedenken keine schlaflosen Nächte. Web 2.0 finde bei Rheinmetall in „einem hochgesicherten Environment“ statt. Ohnehin bleibe Firmen nichts anderes übrig, als Blogs und Wikis einzusetzen. Junge Mitarbeiter seien „kognitiv konditioniert nach diesen Tools“. Sprich: Gibt das Unternehmen ihnen keine Web 2.0-Anwendungen, suchen sie sich andere Plattformen. „Dann sharen die Leute Firmenwissen auf Facebook, und Sie kriegen das gar nicht mit.“
Mitarbeiter für professionellen Umgang schulen
Mit einiger Arbeit verbunden sei es indes, Mitarbeiter für den firmengerechten Umgang mit Programmen zu schulen, die sie aus dem privaten Umfeld kennen, so Bentele, dessen Unternehmen mittels Web 2.0 nach seinen Angaben in den letzten sechs Monaten fast 4000 Web-Konferenzen ausgerichtet hat. „Im Unternehmen ist das Herunterladen eines Bildes plötzlich ein Urheberrechtsverstoß, und wer mit einem südafrikanischem Kollegen einen virtuellen Team-Room eröffnet, verletzt das Außenwirtschaftsgesetz“, verdeutlichte er.
Dass der Umgang mit Web 2.0 Angestellte grundsätzlich zur Zeitverschwendung ermuntere, wollte Thomas Endres nicht bestätigen. Wie auch bei sonstigen Arbeitsformen gelte es, auf verantwortungsvolles Handeln der Mitarbeiter zu vertrauen und im Zweifelsfall als Führungskraft einzugreifen.
Bei Rheinmetall bloggen die Sekretärinnen
„Wir sollten uns von der Mär verabschieden, die Mitarbeiter seien unmündig und freizeitorientiert und nutzen Firmeninstrumente für Privatzwecke“, meinte auch Markus Bentele. Rheinmetall erlaube allen Mitarbeitern, unkontrolliert Nachrichten ins Intranet einzustellen. „In acht Jahren mussten wir nur drei Mal eingreifen, und das auch nur, weil in diesen Fällen die Technik nicht verstanden wurde“, berichtete er. Web 2.0 habe in seinem Unternehmen auch ganz überraschende positive Neuerungen hervorgebracht wie Sekretärinnen-Blogs und –Communities.
Verändern könnte Web 2.0 die Führungskultur, meinte Jürgen Burger. Die Informationsdichte beim einzelnen Mitarbeiter werde dadurch viel höher. Dieselben Informationen müsse eine Führungskraft natürlich auch haben. Entscheidend für gute Führung werde vor diesem Hintergrund allerdings die Interpretation der Informationen werden.