"Das hört sich alles ein bisschen so an, als wären die Chefs geistig behindert." Mit diesem Satz bringt Martin Sinner, CEO der Electronics Online Group bei Media-Saturn, eine lange Diskussion auf den Punkt. Und das Publikum zum Lachen. Es ist ein verständiges Lachen, denn das Publikum - Manager aus unterschiedlichsten Branchen mit dem gemeinsamen Thema Innovation - weiß, was Sinner meint. Dieser führt aus: "Den Chefs muss man immer Dinge erklären…" Es geht um den Kulturkampf in deutschen Konzernen. Diese haben zwar verstanden, dass sie Innovation brauchen, verstehen es aber nicht, ihre gewachsenen internen Strukturen zu verändern.
Der Gastgeber Accenture verspricht Unterstützung. "Big Player meets Startup", lautete das Motto des Innovations Forums Anfang April in München. Accenture-Chef Frank Riemensperger selbst verkörpert das mit seinem Outfit: zur gediegenen Anzughose trägt er einen blauen Pulli über dem gestreiften Hemd. "Sie sehen, ich verbinde die Welten."
Einer, der die Welten schon lang verbindet, ist Georg Oenbrink. Der promovierte Chemiker mit Professorentitel verantwortet bei Evonik innerhalb des Bereiches Corporate Innovation die Abteilung Innovations Network & Communication. Wissenschaft und Wirtschaft, neue Ideen und alte Strukturen - Oenbrink kennt das. Seit 1994 beschäftigt er sich, seinerzeit noch bei Degussa, mit Innovationsmanagement. Dass Business Schools und Universitäten am Berufsbild Innovation-Manager feilen, begrüßt er.
Georg Oenbrink weiß aber auch um die Grenzen einer solchen Ausbildung: "Prozessverständnis und Kreativitätstechniken kann jeder lernen", sagt er. "Was man an der Uni nicht lernen kann, sind Akzeptanz, Visibilität und Seriosität im Unternehmen." Sein wichtigster Tipp an Mitstreiter jeden Alters: Success Storys erzählen. Den Nutzen und Mehrwert von Initiativen rund um Innovationen verdeutlichen. Mit Beispielen belegen, dass man liefern kann.
Evonik setzt auf internes Crowd-Sourcing
Oenbrinks Stichworte kreisen um die "Generation C", Connectivity und Crowd also. Auf seine Arbeit bei Evonik heruntergebrochen heißt das: Oenbrink hat einen Online-Ideen-Generierungsprozess eingeführt. Jeder Mitarbeiter kann seine Vorschläge einreichen und mitdiskutieren. Und zwar 14 Tage lang. Dann machen sich 25 Teams daran, ausgewählte Ideen weiterzuentwickeln. Fünf dieser Teams gelangen in eine engere Auswahl, eines gewinnt. "Diese interne Crowd-Sourcing-Plattform funktioniert", so die Erfahrung des Evonik-Managers, "und da braucht man noch nicht einmal Data Analytics für."
Diversity braucht mehr Aufmerksamkeit
Noch ein Punkt liegt ihm am Herzen: Diversity. "Ich mache die Erfahrung, dass schon durch die Zusammenarbeit von Menschen aus verschiedenen Kulturen, Ethnien und Altersgruppen Kreativität entsteht." Ein Thema, das ihm in mancher Diskussion zu kurz kommt.
Neben dem internen Generieren von Ideen baut Oenbrink Partnerschaften mit Universitäten ebenso wie mit Industrieunternehmen auf. Konkret: alle zwei Jahre lädt Evonik Wissenschaftler aus Deutschland, China, Japan und den USA ein, vom Unternehmen vorgegebene Ideen auszuarbeiten. Der nächste "Evonik meets Science"-Kongress steigt im kommenden September in Bonn.
Oenbrinks Appell an CEOs: "Große Unternehmen brauchen Regeln, aber sie müssen auch Freiräume schaffen."
Design Thinking ist erst der Anfang
Wie sehr sich mancher Konzern dabei selbst im Weg steht, ist wiederum das Thema von Mark Curtis. Der Co-Founder und Chief Client Officer bei der Accenture-Tochter Fjord berichtet von Personalabteilungen, die ihre Anreizsysteme nicht auf intrinsisch motivierte Kreative umstellen können. Manchmal scheitert es auch am Hausmeister, der verordnet, dass ein Raum für ein neu geschaffenes Innovations-Team die nächsten zwei Jahre nicht umgestaltet werden darf. Curtis Fazit: Vom Design Thinking bis zum Design Doing sei es oft ein langer Weg.