Friedrich Fröschl mag diese Rolle: Als Agent provocateur wird er am 12. Februar, also am ersten Kongresstag der Hamburger Strategietage in einer Podiumsdiskussion mit den CIOs von Tchibo, Danone und Münchener Rück sechs Thesen in die Runde werfen. Die ersten beiden davon dürften bei Bitkom und Gartner gar nicht gut ankommen:
1. Man hätte die IT-Krise vorhersehen können.
Die Bitkom-Vorhersagen waren falsch. Bester Frühindikator für Krisen sei das Auftragsvolumen für Pick&Place-Maschinen, meint Fröschl. Gemeint sind Bestückungsautomaten, mit denen Bauteile für Handys, PCs oder Automobile montiert werden. Die Aufrtäge für diese Pick&Place-Maschinen seien schon vor der Finanzkrise abgerutscht.
2. Der 4. Quadrant von Gartner ist kein Garant für Investitions-Sicherheit.
Gartner analysiert die Anbieter nicht vorausschauend, sondern nach bestehenden Marktsituationen. Damit sind die Analysten genauso anfällig gegen den Lemming-Effekt wie alle anderen. Anwender können sich nicht darauf verlassen, dass die Unternehmen im rechten, oberen Quadranten auch in der Krise noch wirtschaftlich erfolgreich sind. „Selber denken ist besser“, meint Fröschl.
3. Bei HR alles outsourcen - außer "Attract&Development"
Wenn das Geld knapp wird, sieht auch jeder Personaler ein, dass er besser nicht 100 Betriebsvereinbarungen mit allen Schnörkeln im SAP-System abbilden lässt. Hier möglichst viele der operationalen Prozesse auf Standards zurückführen und dann auslagern, lautet Fröschls Rat. Abrechnungen aller Art können Dienstleister besser. Nur, wenn es darum geht, neues Personal anzuziehen, individuell zu belohnen oder zu entwickeln ist Differenzierung sinnvoll.
4. Vielfältige Vertriebssysteme spielen für Unternehmen, die sich durch ihre Technologie oder Produkte differenzieren wollen, keine kriegsentscheidende Rolle (siehe Siemens)
Sobald in der Firmenstrategie festgelegt ist, ob man
a) die innovativsten Produkte haben will,
b) operativ am effizientesten agiert, oder
c) die engste Kundenbindung (customer intimacy) mit der best solution hat, muss der CIO festlegen, welche Systeme er weiterhin fördern will. Beispiel Siemens: Das Unternehmen will sich durch Innovation von den Mitbewerbern unterscheiden. Der CIO muss jetzt Forschung und Entwicklung so gut wie möglich fördern. Im Gegenzug heißt das: CRM verliert an Bedeutung und kann standardisiert werden und raus. In der Krise reicht auch oft Software as a Service.
5. Systeme ohne Vorwarnung abschalten
Systeme, die kaum genutzt vor sich hin dümpeln, gehören sofort abgeschaltet. Keine Berater holen, keine Studien machen lassen, einfach abschalten, rät Fröschl: „Gucken Sie doch mal, wer sich wehrt.“ Besonders im Reporting würden Systeme gepflegt, die ihr Dasein längst verloren haben.
6. Auch in der Krise auf keinen Fall Social-Network-Software vernachlässigen
Blogs und Wikis sind die Zukunft. Auch, wenn sie derzeit kaum genutzt werden, auf keinen Fall abschalten, meint Fröschl. Junge Mitarbeiter erwarten Social-Networks bei ihrem Arbeitgeber. Kann dieser nicht damit aufwarten oder noch schlimmer: Sperrt er bestimmte Seiten, so wird er keine High Potentials anziehen oder halten.
Als Fröschl Siemens verließ
Fröschl war der erste Konzern-CIO bei Siemens. Gerne wäre er als solcher auch in den Konzern-Vorstand aufgerückt. Heute macht der drei Kreuze, dass ihm das nicht geglückt ist. Vor fünf Jahren verließ er verärgert das Unternehmen. Seitdem ist er im Private-Equity-Bereich unterwegs. Mit ihm diskutieren in Hamburg: Rainer Janßen, Leiter Zentralbereich Information und Group Information Officer der Münchener Rück, und CIO des Jahres 2008, Michael Kollig, IS Director bei Danone, und Wolfgang Fritz, CIO bei Tchibo.