Die Durststrecke scheint überwunden: Im vorigen Jahr haben sich die Auftragsbücher der Hard- und Softwarehersteller gut gefüllt, für 2005 rechnet der Branchenverband Bitkom mit einem Wachstum von 3,4 Prozent. Viele Unternehmen zögern jedoch noch, das Ende des Investitionsstaus mit der Einstellung neuer IT-Fachkräfte zu beantworten. Die Erinnerung an die jüngsten Entlassungswellen ist noch frisch.
Viele CIOs greifen stattdessen auf flexible Personalressourcen zu - seien es Freelancer, IT-Berater, Outsourcing-Partner oder verstärkt auch Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen. "Wir spüren seit Anfang 2004 eine deutliche Belebung", sagt Christina Mankus, Leiterin des Geschäftsbereichs IT bei der DIS AG. Bereits im Jahr davor erzielte die Offenbacher Zeitarbeitsfirma mit der Überlassung von IT-Fachkräften 14,5 Millionen Euro und damit knapp sieben Prozent ihres Umsatzes. Einen vergleichbaren Anteil trägt beim Frankfurter Wettbewerber Manpower die Sparte Elan IT ReSources am Ergebnis. Der in Eschborn ansässige Marktführer Randstad will seine derzeit rund 700 IT-Mitarbeiter bis Mitte 2005 um 30 Prozent aufstocken.
Steigender Bedarf an Outtasking
Obgleich lange Zeit als Beschäftigungsform für Minderqualifizierte geschmäht, erlebt Zeitarbeit zurzeit einen Boom. "Mittlerweile ist sie auch im IT-Bereich interessant geworden", weiß Hartmut Lüerßen, Geschäftsführer der Lünendonk GmbH in Bad Wörishofen. In anderen Branchen dient Zeitarbeit als Puffer in Urlaubszeiten oder zur Abdeckung von Auftragsspitzen. Nicht so in der IT. Vielmehr gehe es um "Outtasking" - die Ausgliederung einzelner Prozesse, so Werner Kubosch, Geschäftsführer von Elan IT Resources. Anders als beim Outsourcing werden keine Mitarbeiter ausgelagert, sondern Arbeitskräfteleihweise ins Haus geholt, etwa für den Rollout einer Software. Für manche Kunden übernehmen die großen Zeitarbeitsfirmen auch dauerhaft Aufgaben, etwa das User Helpdesk.
Möglich macht dies das seit Anfang 2004 gültige Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Mit ihm fiel die vormals auf zwei Jahre beschränkte Verleihdauer von Mitarbeitern. Gleichzeitig half das Gesetz der für Dumping-Löhne berüchtigten Branche aus der Schmuddelecke: Zeitarbeiter haben nun Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen ("equal treatment") und Entlohnungen ("equal pay") wie die Stammbelegschaft eines Unternehmens.
Weil die Lohnanpassung die Margen der Verleiher empfindlich schrumpfen ließ, können sie alternativ einen Tarifvertrag anwenden, den der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) mit den Mitgliedsgewerkschaften des DGB ausgehandelt hat. Er sieht neun Tarifklassen vor. Die höchste - für Tätigkeiten, die einen Hochschulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung voraussetzen - wird mit 15,89 Euro pro Stunde vergütet. Für IT-Profis nicht gerade üppig.
Sie werden in der Regel auch übertariflich bezahlt, versichern die großen Zeitarbeitsfirmen. "Je nach Qualifikation können IT-ler bei uns auf monatlich 3500 bis 6000 Euro brutto kommen", sagt Alexander Tan, Business Development Manager IT bei Randstad. Leistungen wie Renten-, Arbeitslosigkeits- und Krankenversicherung sowie Urlaubsansprüche inklusive, denn die Mitarbeiter sind fest bei ihrem Verleiher angestellt.
Für den Kunden kommt eine Pauschale hinzu, deren Höhe die Zeitarbeitsfirmen nicht nennen wollen. Fest steht: Während ihres Einsatzes sind Zeitarbeiter teurer als angestellte IT-Profis. DIS-Frau Mankus stellt klar: "Zeitarbeit ist kein Instrument, um billige Arbeitskräfte einzukaufen, sondern es bringt dem Unternehmen Flexibilität." Genutzt wird diese vorwiegend von Industriekonzernen, aber auch von Systemhäusern.
Mitarbeiter testen per Zeitarbeit
Die Vorteile gegenüber der Beschäftigung von Freelancern: Die Zeitarbeitsfirmen übernehmen die Rekrutierung der Mitarbeiter, schließen die Verträge und sorgen bei Bedarf für personellen Ersatz. "Unsere Stärke ist, auch größere Teams innerhalb von drei bis vier Wochen zusammenstellen zu können", sagt Kubosch. Manpower und Co. greifen dabei auf IT-Fachkräfte zu, die bereits bei ihnen vorstellig wurden, oder rekrutieren sie gezielt auf dem Arbeitsmarkt.
Schließlich bietet der befristete Einsatz dem obersten IT-Manager die Möglichkeit, Mitarbeiter zunächst zu "testen" und anschließend gegen eine Vermittlungsgebühr zu übernehmen. "Wir sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge", so Tan. Schließlich investiere man in die Rekrutierung und Weiterbildung der Mitarbeiter. Die Übernahmequote im IT-Bereich beziffern die großen Verleiher derzeit auf zehn bis 30 Prozent.
Bleibt die Frage: Arbeitet ein IT-Spezialist nicht eher als Freelancer denn bei einer Zeitarbeitsfirma? Wo er, trotz übertariflicher Bezahlung, meist weniger verdient? Und vielerorts immer noch als Arbeitnehmer zweiter Klasse gilt? "Der geringere Verdienst ist relativ, schließlich haben unsere Mitarbeiter keine Leerlaufphasen", sagt Randstad-Manager Tan. Entsteht zwischen zwei Einsätzen eine zeitliche Lücke, zahlt der Verleiher das Gehalt weiter. Tan: "Viele IT-Profis schätzen heute diese Sicherheit", sei es als Alternative zur Arbeitslosigkeit oder um nach der Ausbildung einen Einstieg zu finden. Die Zeiten sind vorbei, in denen der Arbeitsmarkt für alle gut Qualifizierten eine Festanstellung bereithielt.
Noch ist oft nicht klar, welche IT-Aufgaben die Zeitarbeit abdecken kann. "Wir sind weder Profis im IT-Full-Service noch für strategische Beratung, erläutert Mankus. "Unsere Kernkompetenz besteht darin, schnell und flexibel personelle Ressourcen für IT-Projekte zu beschaffen." Längst nicht für alle: Bei stark nachgefragten Profilen wie SAP-Beratern oder Schnittstellenprogrammierern tun sich die Zeitarbeitsfirmen schwer, Mitarbeiter zu finden und an sich zu binden.
Verträge für ein IT-Projekt
Hier setzen solche IT-Personaldienstleister an, die ausschließlich mit Freiberuflern zusammenarbeiten. Diese werden projektgebunden auf Basis eines Dienstleister-Vertrags unabhängig vom AÜG engagiert und verliehen. Die Wiesbadener Goetzfried AG greift auf einen 18 000-Mann-Pool zu, Hays Ascena in Mannheim hat 60 000 Profile in seiner Datenbank. Wie Zeitarbeitsfirmen übernehmen Personaldienstleister Rekrutierung und Vertragsmanagement und sorgen bei Ausfällen oder Fehlbesetzungen für Ersatz: Innerhalb von 24 Stunden will Goetzfried den gewünschten Fachmann bereitstellen können.
Verglichen mit selbst rekrutierten Freelancern entstehen dem Kunden für die Dauer des Einsatzes Mehrkosten von rund zehn Prozent. "Das zahlt sich aber aus, da wir dafür sehr flexibel über stark spezialisierte Arbeitskräfte verfügen können", sagt Joachim Beier, IT-Leiter bei der Standard Life Versicherung in Frankfurt. Über eine strategische Partnerschaft mit Goetzfried stockt er seine 55-köpfige Abteilung für befristete oder spezielle Aufgaben durchschnittlich um 20 Externe auf. "Damit dies gut funktioniert, ist eine klare Aufgabenbeschreibung nötig", so Beier. Und: "Man kann nicht unbegrenzt mit externen Fachkräften arbeiten. Ihre Betreuung muss ebenso garantiert sein wie die Sicherung des Know-hows durch interne Mitarbeiter."
Und diese Grenzen der Flexibilisierung gelten für die Vermittler von Zeitarbeitern und Freelancern gleichermaßen.