Das SRH Wald-Klinikum Gera hat sich eine Generalsanierung zum Ziel gesetzt. Die im Stadtwald von Gera gelegene Klinik ist schon jetzt das größte Krankenhaus der Region Ostthüringen. Sie verfügt über 951 Betten, und die rund 1.800 Mitarbeiter haben 2009 mehr als 36.000 Patienten stationär sowie 50.000 ambulant behandelt. Und das Klinikum will weiter wachsen.
Mit einem Gesamtvolumen von rund 160 Millionen Euro ist die Generalsanierung der Klinik das derzeit größte Krankenhausprojekt in Thüringen. Zwei neue Bauten hat das Krankenhaus bereits errichtet, bis 2012 kommen ein neues Hauptgebäude sowie ein Bettenhaus hinzu. Auch bei den OP-Sälen machte die Generalüberholung nicht halt. Der Plan sah vor, die zwei bisherigen auf dem Klinikgelände existierenden Standorte mit 12 Sälen in einem Gebäude zusammenzulegen und elf neue OP-Räume zu schaffen. Ausgemachtes Ziel war es dabei, mit den bestehenden Ressourcen die Fallzahlen zu steigern, sprich: wirtschaftlicher zu operieren.
"Für uns war es entscheidend, schon in der frühen Planungsphase die Räumlichkeiten, insbesondere auch die OP-Säle, genau zu dimensionieren und richtig anzuordnen", erklärt Klaus Hekking, Vorstandsvorsitzender der SRH-Holding: "Denn dies wirkt sich unmittelbar auf die Investitionskosten sowie die späteren Betriebskosten aus. Nur wenn Räumlichkeiten, Mitarbeitereinsatz und Abläufe aufeinander abgestimmt sind, können wir die Qualität und Produktivität steigern."
Gerade im OP-Saal zeige sich, ob ein Krankenhaus wirtschaftlich arbeitet. Es gilt im Zeitalter der Gesundheitsreform die einfache Formel: weniger Operationen – sprich Fallzahlen – gleich weniger Einnahmen. Damit bei einer engen zeitlichen Planung die vorgesehenen Operationen nahtlos durchgeführt werden können, müssen die OP-Planer eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen und diese sinnvoll miteinander korrelieren. Personaleinsatz, OP-Nutzungszeiten und Schichtmodelle, Anordnung und Dimensionierung der Räumlichkeiten, Schnitt-Naht-Zeiten, Wechselzeiten, Anzahl der OPs.
Um die vielschichtig miteinander verbundenen Abläufe transparenter zu machen und effizienter zu gestalten, holte sich das Wald-Klinikum mit der Unternehmensberatung Unity AG externe Fachleute für die Prozessoptimierung im OP-Betrieb ins Haus.
Von der OP-Simulation zur realen Änderung der Prozesse
Dafür hat das Beratungshaus eine neuartige Methode entwickelt: die 'OP-Simulation'. Damit werden per Simulationsmodell verschiedene Planungsszenarien erstellt, simuliert und bewertet – mit dem Ziel, Optimierungspotenziale abzuleiten. Das Ergebnis ist eine Gesamtlösung, die schließlich dauerhaft im realen OP-Betrieb verankert wird und kontinuierliche Verbesserungsschritte erlaubt.
Die Consultants gingen von der Frage aus: Warum soll das, was in der Fertigungsindustrie seit Jahren erfolgreich genutzt wird, um Personaleinsatz, Materialfluss und Organisationsstrukturen zu koordinieren, nicht auch im Krankenhausbetrieb funktionieren? Nicht nur eine Fabrik, auch der reale Krankenhausbetrieb lässt sich in großer Detailtreue mit allen Abläufen nachbilden – von der Prämedikation über die OP bis zum Aufwachraum und zur Nachpflege.
Eine Projektanalyse markierte Ende 2008 den Start des Projekts 'OP-Simulation'. Die Berater identifizierten und bewerteten gemeinsam mit den Mitarbeitern des Klinikums alle für den Verlauf und die Planung von Operationen relevanten Abläufe und die damit verknüpften Faktoren und Ressourcen. Im nächsten Schritt bildete das Beratungshaus mit einem IT-gestützten Simulationsmodell den Ist-Zustand mit allen entscheidenden Parametern ab – von den Räumlichkeiten über die Abläufe bis zu den OP-Echtdaten. Als Vorbereitung für die eigentliche Simulation erstellten die Planer unterschiedliche Soll-Konzepte.
Bei der Simulation spielte die Klinik unterschiedliche Planungsszenarien durch und überprüfte die Soll-Konzepte auf ihre Wirtschaftlichkeit: Wie wirkt es sich auf den OP-Tagesplan aus, wenn der erste Schnitt am Morgen mit einer Zeitverzögerung beginnt? Wie verändert sich das Gesamtergebnis, wenn die Wechselzeiten beispielsweise um 30 Prozent verkürzt werden können? Solche Parameter lassen sich bei der digitalen Simulation mit wenigen Mausklicks ändern. Über eine Vielzahl von Simulationsreihen entstand so ein Gesamtergebnis für einen OP-Betrieb, bei dem alle Variablen optimal zusammenspielen und klare Kosten-Nutzen-Aussagen getroffen werden. Damit stand den Verantwortlichen des SRH Wald-Klinikums Gera eine fundierte Grundlage zur Verfügung, die es "nur" noch umzusetzen galt. Doch gerade dieser Schritt hat es in sich.
"Genau bei der Umsetzung scheitern viele Projekte", erklärt Jörg Fischlein von der Unity AG. "Um die neuen Prozesse tatsächlich im Arbeitsalltag zu etablieren, braucht es einen integrierten Ansatz, der die OP-Simulation mit professionellem Projektmanagement verbindet." Damit das Klinikum auch diese letzte und entscheidende Hürde nehmen konnte, legten die Verantwortlichen mit Hilfe der Berater Regeln für den optimalen OP-Betrieb fest, setzten Sofortmaßnahmen um und etablierten ein Monitoring- und Reporting-System. Für die eigentliche Implementierung stellten sie einen konkreten Fahrplan auf.
Mitarbeiter schon in der Analyse einbezogen
Eine weitere wichtige Komponente sind die Mitarbeiter. Die Verantwortlichen des Klinikums bezogen alle involvierten Abteilungen und Angestellten in allen Phasen des Projekts frühzeitig mit ein, beginnend mit der Analysephase. Denn wenn sich OP-Schwestern, Narkoseärzte oder Chirurgen mit ihren spezifischen Arbeitsprozessen in der Bestandsaufnahme nicht wiederfinden, werden sie später auch die neue Lösung nur schwer akzeptieren.
Heute arbeitet das Wald-Klinikum mit einer digitalisierten OP-Planung, die in Echtzeit bereitsteht. Der OP-Koordinator greift auf hinterlegte Standards und Planungsprämissen zurück, die die Experten der Klinik selbst erweitern und verfeinern können. Der Planungsaufwand für die OPs konnte so um 75 Prozent reduziert werden.
Ein weiteres Plus: Das Krankenhaus kann nun schneller auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren, zum Beispiel wenn Notfall-Operationen dringende Änderungen im OP-Programm erfordern.
Heute muss das Krankenhaus 70 Prozent weniger OPs verschieben oder absagen, die OP-Teams sind zu über 90 Prozent ausgelastet. Eine weitere Kennzahl, die die Verbesserungen veranschaulicht: Der erste Schnitt am Morgen beginnt in den OPs in über 90 Prozent aller Fälle pünktlich. Die Wechselzeiten konnten um 66 Prozent reduziert werden.
Von der besseren Auslastung der OP-Säle profitieren auch die Menschen. Die Patienten werden im Notfall schneller versorgt und warten weniger lang auf einen OP-Termin. Das Wald-Klinikum wiederum verschafft sich durch kürzere Wartezeiten einen Wettbewerbsvorteil. Denn für welche Klinik sich ein Patient entscheidet, hängt häufig davon ab, in welchem Haus er schneller einen Termin bekommt.
Klare Strukturen und transparente Planung
Auch für das Klinikpersonal entstehen Vorteile. Ärzte und Pflegekräfte arbeiten dank OP-Simulation in klaren Strukturen und schaffen so mehr Operationen. Dabei haben sie dennoch weniger Stress. Dank transparenter Planung fallen zudem weniger Überstunden an – ein positiver Beitrag für das Arbeitsklima.