Green IT in Luleå

Facebook baut sein Rechenzentrum in Schweden

11.06.2013 von Bettina Dobe
Im schwedischen Küstenstädtchen Luleå beginnt Facebook mit dem Bau eines neuen Rechenzentrums. Bei minus 20 Grad erscheint das Überhitzen der Server auch eher unwahrscheinlich. Doch es gibt andere Probleme.
In Luleå, hoch oben im nördlichen Schweden, rund 110 Kilometer südlich vom nördlichen Polarkreis entfernt, entsteht das erste Facebook-Rechenzentrum außerhalb Amerikas.
Foto: artalis – Fotolia.com

Durchschnittstemperatur : kuschelige 1,3 Grad. Und doch ist die Kälte zurzeit der wichtigste Wirtschaftsfaktor der Region: Die menschenfeindlichen Umweltbedingungen sind ein Paradies für Server - und damit ideal für Mega-Rechenzentren.

Facebook hat sich 2011 hier im hohen Norden auf der Höhe von Fairbanks, Alaska, 34 Hektar Grund gekauft. Drei gigantische Serverhallen, mit einer Gesamtfläche von 28.000 Quadratmetern, will Facebook insgesamt bauen. Bis jetzt steht nur eine, die so spektakulär ist, wie eine Lagerhalle mitten im Schnee nur sein kann: 318 Meter lang, 15 Meter hoch, 100 Meter breit. Wenn da nicht die Faust mit dem zum "Like" erhobenen Daumen wäre, die auf einem Bauwagen klebt, würde man nicht vermuten, dass Facebook hier arbeitet. Immerhin, der schwedische König war auch zu Besuch, begutachtete die halbfertige Halle, war royal angetan und verschwand wieder.

Im Mai soll die erste Serverhalle öffentlichkeitswirksam in Betrieb genommen werden. Zwischen 330 und etwa 550 Millionen Euro soll das Projekt kosten, dessen Bau wahrscheinlich 2014 beendet sein wird. Auch der schwedische Staat hat Subventionen beigesteuert, denn die Region galt lange als strukturschwach. Was will Facebook hier oben?

Der Schritt nach Europa war für den Konzern nur logisch: 80 Prozent der Seitenzugriffe erfolgen außerhalb der USA. Luleå ist das erste Rechenzentrum, das nicht auf amerikanischem Boden steht, die anderen Serverfarmen sind in Oregon und North Carolina angesiedelt. Es ist ein Experiment, das auf Energie basiert. Rechenzentren sind teuer: Oft frisst das Kühlsystem etwa ein Drittel des Energiebedarfs. Laut Gartner verbrauchen sie etwa zehn Prozent der weltweit erzeugten Energie, Tendenz steigend. Das Sparpotenzial ist gewaltig, und Kostengründe sprechen für Nordschweden. Sie machen den Standort für Firmen interessant, die in die Cloud ausweichen wollen oder deren Geschäft Daten sind. Denn Server müssen am Bottnischen Meerbusen, anders als etwa in Deutschland, nicht eigens gekühlt werden. Sie brauchen nicht mal eine ausgeklügelte und teure Technologie.

Immenser Energie-Verbrauch

Anders Granberg Geschäftsführer, The Node Pole: "Weil die Infrastruktur so stabil ist, braucht Facebook 70 Prozent weniger Backup-Generatoren."
Foto: The Node Pole

Überhitzen bei minus 20 Grad - schwierig. Zu 100 Prozent, so lässt Facebook verlauten, würden die Server mit normaler Luft gekühlt. Um wie viel das die Energiekosten tatsächlich senkt, da hält sich der Konzern gewohnt bedeckt. Aber der PUE-Wert spricht für sich: Laut Facebook liegt er zwischen 1,06 und 1,08. Damit hat Facebook eines der energieeffizientesten Rechenzentren weltweit erbaut, auch wenn ihm einige andere deutsche Firmen schon dicht auf den Fersen sind.

Derzeit testen verschiedene Unternehmen in Deutschland, ob sie ihre Server nicht auf höheren Temperaturen laufen lassen können. Sie weisen ebenfalls niedrige PUE-Werte auf. Aber das Mega-Data-Center im Norden zeigt auch auf, was das eigentliche Problem ist: Das Rechenzentrum hat, wenn es einmal fertig ist, immer noch den Energieverbrauch einer 100.000-Einwohner-Stadt.

Da kommt etwas ins Spiel, das deutschen Entscheidern Kopfzerbrechen bereitet: steigende Preise und eine schwierige Energiewende. "Die Energiekosten zählen zu den niedrigsten in Europa", sagt Anders Elbak, Analyst bei ICT und Experte für Skandinavien, über den Standort Schweden. Auch ein Grund, warum Facebook hier ist. Zudem stammt der Strom aus erneuerbaren Ressourcen.

Der Lule-Fluss wird insgesamt 15 Mal gestaut und bringt nachhaltige Energie in die 75.000-Einwohner-Stadt. "Wir haben hier einen hohen Überschuss an Hydropower", sagt Anders Granberg, Geschäftsführer von "The Node Pole", der Vermarktungsgesellschaft für die Region um Luleå. Er überzeugte zusammen mit dem Bürgermeister Facebook davon, in Luleå zu bauen. Und für die Umwelt ist es allemal besser, die Energie dort zu verbrauchen, wo sie hergestellt wird, da beim Transport eine beträchtliche Menge verloren geht. Die Nachhaltigkeit freut auch Facebook: Beim Konzern aus Palo Alto will man selbstverständlich "Green IT" fördern. Facebook strebt an, bis 2015 ein Viertel des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Langfristig dürften die niedrigen Energiekosten Schwedens auch deutsche Firmen in den Norden treiben.

Viel wichtiger als "Green IT" dürfte jedoch ein anderer Aspekt sein, der Firmen zum Polarkreis zieht: Das Stromnetz in Schweden ist stabil, Stromausfälle sind selten: "Das Risiko eines Black-outs ist gering", sagt Analyst Elbak. Das nordschwedische Netz ist für die Schwerindustrie ausgelegt. Im Norden gibt es Minen, die Schweden graben tief nach Erz, Kupfer und Seltenen Erden. Ein Data Center ist ein Kinderspiel für das Netz. Stabile Netze senken ebenfalls Kosten: "Weil die Infrastruktur so stabil ist, braucht Facebook 70 Prozent weniger Back-up-Generatoren", sagt Granberg. In Deutschland dagegen steigt die Gefahr von Stromausfällen. Von billigem und stabilem Speicherplatz können auch deutsche Unternehmen profitieren.

Google ging nach Finnland

Der schwedische IT-Markt wuchs im Jahre 2011 um rund vier Prozent. Den größten Marktanteil sicherte sich dabei mit elf Prozent Logica, dicht gefolgt von IBM.
Foto: cio.de

Das stabile Energienetz war schließlich auch der Punkt, der die Region überhaupt auf die Idee brachte, sich als Standort für Rechenzentren zu etablieren. Man nahm sich Google zum Vorbild: Schon 2009 zog der Konzern nach Hamina in Finnland und baute in einer stillgelegten Papierfabrik ein riesiges Rechenzentrum. Hamina wird mit Polarluft und mit Wasser aus dem Finnischen Meerbusen gekühlt.

Andere Anbieter, so ist sich die Regierung von Luleå sicher, werden nachziehen nach Lappland. Derzeit stehe man in Verhandlungen, Gerüchten zufolge soll Apple erwägen, nach Luleå zu ziehen. "Wir sind ja kein Fischerdorf, wir wissen, wie man mit Rechenzentren umgeht", sagt Granberg.

Auf der operationellen Ebene trifft das für Schweden zu: Serveradministratoren und ähnlich Qualifizierte gibt es zuhauf. Der Fachkräftemangel hat Schweden noch nicht erreicht, zumindest nicht, was die mittlere Ebene angeht. Zudem schossen die Anmeldezahlen an der Universität Luleå in die Höhe: 20 Prozent Zuwachs seit 2011. Das hält die Löhne niedrig und damit die Stückkosten. "In Schweden fehlen eher die Hochqualifizierten auf Top-Ebene, die neue Produkte entwickeln", sagt Elbak. Der Analyst glaubt aber, dass Rechenzentren ohne Weiteres betrieben werden können. Dennoch, ganz unproblematisch ist das nicht.

Kabel, um Daten nach Europa zu bringen, sind auch verfügbar: Weil in Schweden vieles halbstaatlich ist, verlegte der Staat schon vor zehn Jahren Glasfaserkabel an der Ostküste entlang. Irgendwann, so die Rechnung, werde eine Firma die Kabel schon brauchen können.

Europäisches Festland, wie Mittel- und Westeuropa im Norden auch genannt werden, sind so mit minimaler Verzögerung zu erreichen. Auch das war ein Grund, weshalb Facebook sich in die historische Provinz Lappland aufgemacht hat. Firmen, die ihre Daten gern auf Eis legen möchten, sollten sich aber bewusst sein: Blitzschnelle Zugriffe wie bei einem Inhouse-Rechenzentrum wird es nicht geben.

Militär liest im Notfall Daten mit

In Zukunft könnte sich Schweden als Nearshore-Alternative anbieten, um Services und Daten auszulagern.
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Und noch ein weiteres Problem ergibt sich: Datenschutz, bei Cloud-Services ohnehin immer ein Thema. Ein schwedischer Nachteil und angeblich auch der Grund dafür, warum Google nach Finnland zog: Schweden erließ 2009 ein Gesetz, das es dem Militär erlaubt, im Notfall SMS, E-Mails und eben auch sämtliche Facebook-Aktivitäten zu lesen, ohne gerichtlichen Beschluss.

Natürlich will Anders Granberg von "The Node Pole" nichts davon hören. Nein, Probleme habe es keine gegeben. Das sieht der unabhängige Analyst Elbak genauso. "Bis jetzt wurde das Gesetz nicht in Anspruch genommen", sagt Elbak. Er hält Schweden, Heimat der Piratenpartei, für sehr sicher.

"Datendiebstahl und Sicherheitsbedenken sind in Schweden eher unbekannt." Dennoch operiert Schweden, anders als Nicht-EU-Mitglied und Nachbar Norwegen oder noch weiter entfernte Länder, unter EU-Recht. In Zukunft könnte sich Schweden als Nearshore-Alternative anbieten, um Services und Daten auszulagern. "Die schwedischen Rechenzentren sollten in der Lage sein, auf dem Markt mithalten zu können", sagt Elbak, der sich in skandinavischen Optimismus hüllt. Die Chancen stehen gut, dass es Daten aus Deutschland bald ganz schön kalt wird.