cio.de: Sie haben ein Buch über "Mind Hacking" geschrieben - können Sie Gedanken lesen?
Norman Alexander: Die Frage ist, was man unter Gedankenlesen versteht. Natürlich ist es nicht möglich, seinen Gesprächspartner einfach anzusehen und sofort zu wissen, an welches Wort er gerade denkt. Das wäre schön! Mind Hacking ist eine Kommunikationsstrategie, bei der es darum geht, so viel wie möglich über das Gegenüber herauszufinden. Das ist dann letztendlich nichts anderes als Gedankenlesen, zumal es dem anderen so erscheint. So erhält man Informationen, die der andere gar nicht herausgeben wollte, etwa in Verhandlungen oder bei Gesprächen. Am wichtigsten ist es, dass das Gegenüber Vertrauen zu einem fasst.
cio.de: Aber wenn ich jemanden zum ersten Mal treffe, wie soll ich dann eine Vertrauensbasis aufbauen?
Norman Alexander: Wenn man etwas mit Menschen gemeinsam hat, dann ist man ihnen automatisch sympathisch. Treffe ich mein Gegenüber zum ersten Mal, kann ich seine Körpersprache oder Stimmlage imitieren. Bei der ersten Begegnung ist es genauso wichtig, dass man eine positive Ausstrahlung hat. Da wird man innerhalb von Sekunden in eine Schublade gesteckt, weil der andere die vielen Signale des Körpers unbewusst wahrnimmt. Beeinflussen kann man seine eigene Körpersprache nur wenig. Das gilt auch im normalen Arbeitsleben: Hat man keine Lust auf ein Meeting, merken das die anderen unbewusst.
cio.de: Aber wie kann man das steuern?
Norman Alexander: Sie können nicht die Körpersprache, aber die eigenen Gedanken ändern. Wer mit einem positiven Gefühl oder Stimmung ins Meeting geht, der strahlt das aus und die anderen fühlen sich wohler. Das kann man sogar konditionieren. Zuerst überlegt man sich einen sogenannten Auslöser für die positive Stimmung, zum Beispiel legt man Daumen und Zeigefinger aufeinander. Dann übt man, sich in eine positive Stimmung hineinzudenken, etwa ein besonders schönes Erlebnis und legt dabei Daumen und Zeigefinger aneinander. Nach etwas Training hat man sich selbst konditioniert. Geht man in ein Meeting, auf das man keine Lust hat, kann man so diese positive Stimmung aktivieren.
cio.de: Steuern kann man die Körpersprache also nicht. Kann man an ihr erkennen, was der Gesprächspartner denkt?
Norman Alexander: Tatsächlich ist das eher schwierig. Oft haben körpersprachliche Signale mehrere Bedeutungen. Verschränkte Arme zum Beispiel heißen nicht nur, dass sich jemand nicht wohlfühlt. Sie können auch bedeuten, dass sich jemand entspannt und in die Situation hineindenkt. Außerdem können Sie zwar die Signale lesen - aber Sie kennen ja nicht den Grund dafür. Beispielsweise erkennen Sie in einem Mitarbeitergespräch an den Sorgenfalten, dass der Kollege Angst hat. Aber ob er sich wegen einer privaten Angelegenheit fürchtet oder wegen Ihnen, wissen Sie nicht. Viel aufschlussreicher sind da die zehn Techniken, die ich entwickelt habe, um dem anderen mehr Informationen zu entlocken. Ein Trick ist zum Beispiel, auszusprechen, was der andere denkt. Das signalisiert ihm, dass man ihn und seine Gefühle ernst nimmt.
cio.de: Aber woher soll ich denn wissen, was der andere denkt?
Norman Alexander: Beobachten Sie Ihren Gesprächspartner und schlussfolgern Sie am Verhalten, was er denkt. Oder Sie können sich vor einer Verhandlung überlegen, welche Position der andere einnehmen wird und was er denken wird. Sprechen Sie das in der Verhandlung sofort an. Der andere wird denken "Er versteht mich" und wird mehr über sich preisgeben. Gehen Sie zum Beispiel in eine Gehaltsverhandlung, weil Sie mehr Lohn möchten, sagen Sie zu Ihrem Chef: "Vermutlich werden Sie mir nicht mehr Gehalt geben, nicht wahr?" Dann machen Sie eine Pause und beobachten, wie er reagiert. Der Vorgesetzte wird perplex sein, denn so was traut sich keiner - aber diesen Gedanken hatte er. Fragen Sie dann: "Was wäre Ihnen wichtig, damit wir uns annähern?" So haben Sie seine Gedanken gespiegelt und eine Verhandlungsposition erreicht.
cio.de: Geht das auch mit anderen Verhandlungen, etwa über Projekte oder Budgets?
Norman Alexander: Natürlich! Zuerst bauen Sie ein Vertrauensverhältnis auf. Und dann können Sie zum Beispiel angeln gehen. So heißt eine andere Technik. Das bedeutet, Sie stellen Vermutungen in den Raum. Sie sprechen vage aus, was Ihrer Ansicht nach die Meinung Ihres Gegenübers ist. Zum Beispiel: "Vermutlich haben Sie schon ein Budget für Ihre Projektplanung erstellt." Darauf folgt eine Pause. Diese Pause erzeugt Druck, denn kaum jemand erträgt die Stille. Das Gegenüber reagiert auf Sie, bejaht oder verneint das - und Sie haben mehr Informationen, ohne selbst etwas preisgegeben zu haben.
cio.de: Aber nicht immer hat man sofort eine Vermutung, was der andere denkt.
Norman Alexander: Dafür gibt es zum Beispiel die Fragetechnik. Sie können Ihren Verhandlungspartner ruhig direkt mit einer sogenannten "Trefferfrage" aushorchen. Das Muster funktioniert so: Erst verneinen Sie, dann stellen Sie die Frage nochmal, aber nicht verneint. Etwa: "Sie haben noch keine Ideen für das Projekt, haben Sie?" Dadurch verwirren Sie das Gegenüber. Entweder er gibt zu, dass er noch keine Ideen hat, oder Sie wissen, dass er welche hat. Egal, was er antwortet, Sie haben auf jeden Fall mehr Informationen als vorher und Sie lassen sich für beide Möglichkeiten alle Wege offen.
cio.de: Wie kann ich mir in Verhandlungen weitere Vorteile verschaffen?
Norman Alexander: Machen Sie einen positiven Eindruck auf Ihre Kollegen oder Verhandlungspartner, indem Sie so tun, als würden Sie ihn ganz genau kennen. Es gibt einige universelle Eigenschaften, die wirklich alle Menschen teilen, unabhängig von Kulturkreis. Das ist auch wissenschaftlich bewiesen. Zum Beispiel glauben fast alle Menschen, dass sie sehr kritisch prüfen. Das ist natürlich nicht der Fall. Aber wer sagt schon von sich: "Ich überfliege das nur"?
Wenn Sie also jemanden für sich einnehmen wollen, könnten Sie so etwas sagen wie: "Ich wette, Sie schauen da ganz genau hin und überprüfen die Fakten sehr gründlich." Der andere glaubt, Sie hätten eine seiner Eigenschaften erkannt. Ein anderes Beispiel: Sehr viele Menschen glauben von sich, sie seien sehr offen anderen gegenüber. Ein Satz wie "Sie sind bestimmt Ihren Mitmenschen gegenüber sehr aufgeschlossen" bringt Ihnen große Zustimmung - auch wenn das nun überhaupt nicht stimmt. Aber sofort vertraut Ihnen der anderen ein Stückchen mehr und Sie werden leichter mit reden können.
cio.de: Manchmal liegt man daneben, das Gespräch geht nicht weiter - was kann man tun, um das Gespräch zu retten?
Norman Alexander: Ab und zu liegt man mit allen diesen Techniken trotzdem daneben, das passiert. Zum Beispiel: "Ich vermute, dass Sie weitere Projekte planen." Das wäre naheliegend, aber tatsächlich signalisiert Ihnen der andere, dass das Quatsch ist. Rudern Sie ein wenig zurück: "Ich vermute, Sie haben aber daran gedacht, noch ein Projekt zu starten, oder?" Meistens liegen Sie dabei richtig - und schon hat der andere den Fehler vergessen.