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Formel E ist eine Zukunftsvision

11.02.2014 von Martin Seiwert
Im Herbst soll die Elektroauto-Rennserie Formel E starten. Sebastian Vettel "mag es nicht", Bernie Ecclestone "glaubt nicht, dass die Formel E stattfinden wird." Nur gut, dass die FIA nicht auf die alten Hasen hört.

Stellen Sie sich das mal vor: Auf einem gut zwei Kilometer langen Kurs düsen Rennwagen durch das Zentrum von Berlin. Sie sehen aus wie Formel-1-Wagen und erreichen auf gerader Strecke 250 Kilometer pro Stunde. Agil winden sie sich durch enge Kurven, um danach raketenartig davonzuschießen. Man hört die Menschen am Straßenrand kreischen, man hört die Tröten der Fans. Was man kaum hört, sind die Rennwagen. Denn es sind Elektroautos. Nach 50 Minuten sind die Batterien der emissionsfreien Rennflundern leergefahren. Die Piloten springen aus den Wagen und sprinten zu ihrem aufgeladenen Ersatzwagen, um die zweite Hälfte des Rennens zu bewältigen.

Alberne Vorstellung, so ein Elektromotorsport in der Innenstadt? Rennwagen müssen ohrenbetäubend röhren, kräftig qualmen und stundenlang ihre Runden auf riesigen Rennstrecken drehen, weit draußen vor den Toren der Städte? So sehen es dieser Tage nicht wenige im Formel-1-Zirkus.

Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel über die geplante neue Elektroauto-Rennserie Formel E, die 2014 starten soll: "Ich mag es nicht. Ich denke nicht, dass das die Zukunft ist". Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gibt sich noch kompromissloser: "Ich glaube nicht, dass die Formel E stattfinden wird." Die beiden sprechen aus, was viele Fahrer, Fans und Funktionäre der Formel 1 denken: Verschont uns mit diesem drögen Öko-Sport!

Gut nur, dass diese Skeptiker nicht darüber entscheiden, ob die Formel E 2014 an den Start geht. Denn die Formel-1-Macher sind die Letzten, die man zu einer solchen Innovation im Rennsport befragen sollte. Wenn es um Neues geht, sind die Großmeister des Alten oft schlechte Ratgeber. Es waren die etablierten Unterhaltungselektronik-Hersteller, die das Potenzial von MP3-Playern verkannten und heute neidisch auf Apple schielen.

Es ist auch nicht bekannt, dass auch nur einer der etablierten Medienkonzerne sich rechtzeitig damit befasst hätte, womit Google groß wurde. Oder dass eine der großen Schreibmaschinen-Marken den Transfer zum PC überlebt hätte. Auch waren die Hersteller von Kamerafilmen und Fotopapier ganz offensichtlich schlechte Ratgeber hinsichtlich des Potenzials der Digitalfotografie. Und wie war das noch mit den Handys des einstigen Telefon-Giganten Siemens?

Es könnte spannend werden

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Deshalb brauchte es auch das kalifornische Startup Tesla, das als erstes Unternehmen einen funktionierenden und überaus dynamischen Elektrosportwagen zusammenlötete, um den Automanagern in aller Welt zu veranschaulichen, dass Elektroautos die Zukunft gehört.

Glücklicherweise ist FIA-Präsident Jean Todt nicht von der weit verbreiteten Betriebsblindheit befallen. Ungeachtet der Kritik aus den eigenen Reihen - Todt: "Ich habe großen Respekt vor Sebastian Vettel, aber seine Meinung sollten wir uns nicht zu sehr zu Herzen nehmen" - stampft er die neue Rennserie aus dem Boden. Mitnichten greift er damit die Formel 1 an.

Die Formel E ist ein anderes Rennen, an anderen Orten für ein anderes Publikum. Die Formel 1 ist ein Marathon im Wald, die Formel E ein Mittelstrecken-Rennen in der City. Todt: "Es ist alles völlig neu, daher brauchen wir Zeit, um diese neue Kategorie einzuführen und zu entwickeln. Es ist eine Zukunftsvision und umweltfreundlich, was sehr wichtig ist, denn der Motorsport muss der Entwicklung der Gesellschaft folgen. Das geschieht in all unseren Serien. In der Formel 1 führen wir neue Antriebe ein, in der WEC verfügen wir über Hybrid-Technologie. Die Formel E ist ein Teil dieser Entwicklung."

Bernie Ecclestone mag noch hoffen, dass es so weit erst gar nicht kommt, dass die Formel E gänzlich abgeblasen wird. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Unlängst wurde als siebtes von insgesamt zehn Rennteams der Formel E das Audi Sport ABT Formula-E-Team nominiert. Auch der indische Autokonzern Mahindra & Mahindra qualifizierte sich mit seinem Team für die Formel E. Für die letzten beiden Plätze gibt es zahlreiche Bewerbungen, unter anderem von dem aus der DTM bekannten Team Rosberg, dem Rennstall Keke Rosberg, Ex-Formel-1-Weltmeister und Vater von F1-1-Pilot Niko Rosberg.

Auch der Rennkalender steht schon fest. Los gehen soll es am 20. September 2014 in Peking, dann folgen Putrajaya in Malaysia, Hongkong, Punta del Este in Uruguay, Buenos Aires, Los Angeles, Miami, Monte Carlo. Am 30. Mai 2015 wird dann die Innenstadt von Berlin zur Rennstrecke. Es könnte spannend werden. Auch ohne die Herren Vettel und Ecclestone.

(Quelle: Wirtschaftswoche)