Customer Relationship Management (CRM) – ein alter Hut, den man sich vor ein paar Jahren mal anschaffen musste und der jetzt eben so vor sich hin staubt? Wer so denkt, droht die Zukunft zu verpassen. Denn IT-Mega-Trends wieMobile IT, Big Data oder Social Media verändern massiv die Interaktion zwischen Firmen und ihren Kunden, was nicht ohne Folgen auf flankierende IT-gestützte Systeme wie CRM bleibt. Darin sind sich die Analysten von Forrester Research und Gartnereinig. Beide haben neue Studien herausgebracht, die sich mit aktuellen Trends in diesem Feld befassen.
„Die einzige Quelle eines Wettbewerbsvorteils ist diejenige, die von der Technologie befeuerte Erschütterungen überleben kann: die Obsession, Kunden zu verstehen, zu erfreuen, mit ihnen verbunden zu sein und ihnen zu dienen“, so Forrester-Analyst William Band. Im neuen Zeitalter des Kunden seien Business- und IT-Manager verantwortlich für eine Reihe wegweisender Prozesse wie der Neu-Definition von CRM-Strategien und dem Aufspüren der adäquaten Support-Technologien.
Radikale Selbstbedienungsmentalität bei Kunden
Gartner beobachtet eine neue Stufe einer radikalen Selbstbedienungsmentalität der Kunden, die sich in der Peer-to-Peer-Kommunikation in den sozialen Netzwerken manifestiert – und dazu führt, dass die Treue der Kunden zum Unternehmen untergraben werden kann. Kundenservice und Marketing verschmelzen nach Einschätzung der Analysten immer mehr und sind für ihren Erfolg zunehmend abhängig von IT-Unterstützung.
Bei der auf individuelle Kunden zugeschnittenen Ansprache kommen sie laut Gartner nicht mehr ohne Analyse-Systeme aus, die die wahrscheinlichen Absichten und Bedürfnisse der Kunden durchdringen. Als zentrale konkrete Herausforderung nennen die Marktforscher den Kundendienst über mobile Endgeräte wie das iPad. „Die Geschwindigkeit des Prozess- und Technologie-Wandels beim CRM-Kundendienst zu managen wird Disziplin und Datenaustausch über verschiedene Kanäle erfordern“, so Gartner.
Forrester systematisiert seine Analyse anhand von 13CRM-Trends, die wiederum in vier Kategorien eingeteilt sind. Unter Strategie geht es beispielsweise um das Management des Kundenerlebnisses, unter Menschen darum, dass Business-Verantwortliche an ihren Change Management-Skills arbeiten sollten und die neue Macht der Kunden einen kulturellen Wandel in den Firmen anstoßen sollte. Ein Trend in der Kategorie Prozesse beschäftigt sich mit der Notwendigkeit einer agilen Implementierung, an der auch die IT mitzuarbeiten hat. Ganze fünf Trends fallen sogar explizit in die Rubrik Technologie; hier gibt es merkliche Überschneidungen mit der Gartner-Studie.
5 Forrester-Trends
1. Social Media erfordert Taktik: Die Beziehung zwischen Firma und Kunden ist keine bipolare Angelegenheit mehr, sondern muss den Austausch der potenziellen Kunden miteinander einkalkulieren. CRM sollte laut Forrester seinen Beitrag zur Optimierung dieser Gemengelage leisten. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in diesem Jahr vermehrt Versuche mit Social CRM geben werde, so die Analysten. Als Beispiele nennt Autor Band zielgruppengerechte Kommunikation über Social Media-Kanäle und Communities, auf Basis von Web-Recherche gestaltete Profile, Kundenbindung zur Vernetzung der Kunden miteinander, direkte Einbindung der Kunden in Produkt- und Service-Entwicklung sowie besserer Einblick in Einstellungen und Verhaltung durch Social Sentiment Listening-Tools.
Gartner rät im Social CRM-Segment zur Vorsicht. Die großen Anbieter hätten es bisher versäumt, überzeugende Lösungen auf den Markt zu bringen. Eine Reihe von Nischenanbietern seien in diese Lücke gestoßen, was zwei Probleme aufwerfe. Einerseits entstehe Integrationsbedarf von Community Support-Software und Case Management-Systemen; andererseits sei in den kommenden drei Jahren damit zu rechnen, dass das Gros der erfolgreichen Nischenanbieter von größeren Anbietern gefressen werde.
Riesenlücke zwischen Desktop- und Mobile CRM-Applikationen
2. Empowerment durch mobile Applikationen: Zwar ist es längst Standard, dass Mitarbeiter mobile Endgeräte für den Kundenkontakt nutzen. Und doch gibt es nach Einschätzung von Forrester noch gehörigen Nachholbedarf. „2012 bleibt der Support für mobile CRM-Lösungen fragmentiert“, heißt es in der Studie. Kein einziger Mobile CRM-Anbieter könne derzeit mit Out-of-the-Box-Funktionalität über Branchengrenzen hinweg punkten. Es klaffe weiter ein Riesenlücke zwischen Desktop- und Mobile CRM-Applikationen. Zudem beschränkten sich manche Anbieter auf die Unterstützung lediglich einzelner Geräte und Betriebssysteme. Anwender müssen demnach besonders aufmerksam analysieren und nach passenden Lösungen für ihren Business Case suchen.
Auch Gartner findet mahnende Worte. Es sei einerseits geboten, dass Marketing und IT gemeinsam eine iPad-App-Kompetenz aufbauten, um diesen Kanal effektiv zu nutzen. Andererseits habe man es wegen vieler Fusionen und Übernahmen derzeit mit einer unübersichtlichen Anbieter-Landschaft zu tun. Das erschwere das Management des Lösungs-Portfolios. Alles in allem seien für den Ausbau von Kundendienst-Prozessen und –Applikationen Modelle wie Mobile IT und Cloud Computing hilfreich.
3. Cloud Computing schafft Governance-Bedarf: CRM-Lösungen in der Wolke oder auf SaaS-Basis gibt es schon seit fünf Jahren. Doch laut Forrester findet in diesem Jahr ein Paradigmenwechsel statt. „Firmen werden Deals vor der Unterzeichnung stärker prüfen“, so die Analysten. „Und zwar deshalb, weil SaaS-Vereinbarungen größere Volumen an kritischen Daten sowie eine größere Menge an Geld beinhalten und von daher mehr Gewicht erhalten.“ So werde es 2012 mehr zentralisierte Einkaufs- und Governance-Modelle geben, was Forrester als Mittel zur Kostensenkung und Risikominimierung begrüßt.
Big Date und Agile BI
4. Big Data und Agile BI: Längst sind neue Tools im Bereich Business Intelligence (BI) auf den Weg gebracht und werden unter Namen wie „Big Data“ vermarktet. Es geht dabei um die Analyse schier unendlicher Datenfluten und agile Analyse-Methoden zur Unterstützung komplexer Operationen im Unternehmen. Man denkt dabei an die Back-Office-Bereiche im Unternehmen. „Aber wir beobachten auch einer größere Verschiebung durch den verstärkten BI-Bedarf in den Front-Offices (Verkauf, Kundendienst und Marketing), weil Firmen das letzte Quäntchen Information aus ihren Data Stores und Applikationen pressen wollen“, so Forrester.
Deshalb sind BI-Profis in der Pflicht, dies nicht zu einem Fass ohne Boden werden zu lassen und CRM-Initiativen mit Big Data-Strategien zu verzahnen. Gleichzeitig sieht Forrester ein weiteres Beispiel seiner „Enablement“-These am Horizont. Agile BI-Tools erlauben Mitarbeitern mit Kundenkontakt demnach die direkte Lösung von Problemen – an der IT vorbei. Wie im Selbstbedienungsladen können Customer Analytics-BI-Tools verwendet werden, um nach Bedarf Reports, Dashboards und Abfragen zu erstellen und zu nutzen und die Zusammenarbeit mit Kollegen zu suchen.
CXM - Alles wächst zusammen
5. Konvergenz – alles wächst zusammen: Die klassische Unterteilung in analytische, operationale und kollaborative CRM-Tools ist nach Ansicht Forresters überholt. Die Analysten erwarten eine Konvergenz der Technologien, aus der einer neuer Typus an Lösungen entsteht: Customer Experience Management, alias CXM. „Anbieter aus allen möglichen Lösungsbereichen wie Content Management, eCommerce, Site Search und Personalisierung bauen ihre Kapazitäten für den Support von Management und Optimierung von Cross-Touchpoint-Kundenerlebnissen aus“, heißt es in der Studie.
„Diese Lösungen zielen darauf, persönliche Erfahrungen querbeet durch digitale Erlebniswelten wie Websites, Mobile Sites sowie Mobile und Tablet Apps zu unterstützen.“ Allerdings sollten sich IT-Entscheider einen pragmatischen Blick auf CXM-Angebote behalten, weil zumeist nur bekannte Bausteine auf neue Weise integriert werden, so Forrester.
Die Studie „Predicts 2012: CRM Customer Service and Support Staggers into the Posthuman Age” ist bei Gartner erhältlich, die Studie “Navigate the Future of CRM” bei Forrester Research.