"Nur wenige Chefs und Chefinnen in Europa reduzieren ihre Arbeitszeit", lautet die Kernaussage einer im Mai veröffentlichten Studie über Management und Teilzeitarbeit vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). In Deutschland, so das Ergebnis der Auswertung, arbeiten nur fünf Prozent der Manager in Teilzeit. Nach Geschlechtern unterteilt sind es 14,6 Prozent der Frauen, aber nur 1,2 Prozent der Männer. Die Forscher werteten für ihre Studie Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung aus dem Jahr 2009 aus. Die Gründe für die geringe Verteilung sehen die Studienautoren Lena Hipp und Stefan Stuth in der Arbeitskultur und in den Erwartungen an die Führungskräfte. Wenn mehr Chefs bereit wären, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, würde die Teilzeitarbeit aufgewertet, machen die Studienautoren deutlich.
Im Home Office besser erreichbar als im Büro
Ein Arbeitgeber, der sich diesem Thema angenommen hat, ist das IT-Unternehmen Datev. Dort startete 2011 die Initiative "Führen in Teilzeit", um Führungskräften eine Chance zu geben, ihre Arbeitszeit den privaten Bedürfnissen anzupassen. Aktuell beschäftigt Datev 21 Führungskräfte in Teilzeit, davon fünf Männer und 16 Frauen. Bei den meisten liegt der Teilzeitsatz bei 30 Stunden, er geht aber auch hinunter bis auf 15 Stunden. In den vergangenen drei Jahren hat sich der Anteil rund vervierfacht, wobei das Geschlechterverhältnis in etwa stabil geblieben ist.
Eine der Teilzeitführungskräfte der Datev ist Claudia Puchta. Im Jahr 2005 ist die Diplom-Mathematikerin zur Führungskraft aufgestiegen, seit 2006 arbeitet die heute 40-Jährige als Teilzeitchefin. Die wöchentliche Arbeitszeit der zweifachen Mutter beträgt 80 Prozent, das entspricht 35 Wochenstunden. Puchta leitet eine Abteilung mit knapp 50 Mitarbeitern, die sich mit der Entwicklung eines PC-Programms zur Lohn- und Gehaltsabrechnung beschäftigen.
"Die Akzeptanz für meine Teilzeittätigkeit ist sehr hoch", erzählt sie. Zwei Tage in der Woche arbeitet sie von zuhause aus: "Ich bemühe mich, sehr gut erreichbar zu sein. So bin ich an meinen beiden Home-Office-Tagen oft besser erreichbar als an den Bürotagen, an denen ich meist viel Zeit in Terminen verbringe." Abends liest Puchta noch ihre Mails, um den Tag am nächsten Morgen stressfreier zu beginnen. "Dann gerate ich nicht in Hektik, wenn morgens gleich die ersten Termine anstehen und viele Nachrichten noch ungelesen sind."
Sie organisiert ihre Arbeitstage so, dass sie sich mit der verringerten Wochenarbeitszeit vereinbaren lassen. "Natürlich habe ich weniger Zeit als eine Vollzeitkraft und bin dadurch gezwungen, Dinge stärker zu priorisieren. Ich sehe mir Aufgaben genau an und entscheide dann, was Vorrang hat und was liegenbleiben kann", erläutert Puchta. Genauso sei sie gezwungen, Aufgaben zu delegieren und damit Verantwortung an ihre Teamleiter und Mitarbeiter abzugeben. "Ich hatte mir von Anfang an vorgenommen, dass ich als Führungskraft meinen Mitarbeitern Verantwortung übertrage, wenn sie das möchten. Das tut auch meinen Mitarbeitern gut", sagt die Abteilungsleiterin.
Nachteile für Teilzeitchefs
Natürlich gibt es auch Kehrseiten, wenn man nicht jeden Tag im Büro vor Ort ist und die volle Stundenzahl arbeitet. "Es bleibt weniger Zeit für einen Plausch mit den Mitarbeitern. Dabei finde ich es sehr wichtig, auch mal über Privates zu reden und zu wissen, was die Menschen gerade bewegt", räumt Puchta ein. Sie versucht auch hier, immer eine Lösung zu finden: "Alle Mitarbeiter wissen, dass sie sich trotz vollem Terminkalender mit ihren Anliegen immer an mich wenden können und ich mir dann auch Zeit für sie nehme."
Damit das Führen in Teilzeit klappt, rät Puchta zu einem offenen und ehrlichen Umgang miteinander: "Mitarbeiter müssen sagen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie zu kurz kommen", weiß sie. Zudem empfiehlt sie, die ganz persönlichen Stressmomente abzuschalten: "Man sollte sich überlegen, was einem Stress bereitet und diese Dinge ändern. Bei mir waren das die festen Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel. Seit ich mit dem Auto zur Arbeit fahre, stehe ich unter deutlich weniger Zeitdruck", so Puchta. Eine große Hilfe ist darüber hinaus, dass auch ihr Mann zwei Tage pro Woche im Home-Office arbeitet und die beiden sich abwechseln können, falls eines ihrer beiden Kinder erkrankt und zuhause bleiben muss.
"Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass mein Team oder meine Familie darunter leiden, dass ich als Führungskraft in Teilzeit arbeite, hätte ich es wieder sein lassen", sagt Claudia Puchta. Aber das sei glücklicherweise nicht passiert.
Männlicher Teilzeitchef gesucht
In der eingangs erwähnten Studie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) lag Deutschland im Ländervergleich auf Rang fünf von 18. Höhere Teilzeitquoten erreichten die Niederlande, Irland, Großbritannien und Belgien. Gern hätten wir auch einen IT-Teilzeitmanager aus einem dieser Länder zu seinen Erfahrungen befragt, konnten aber leider niemanden finden, der sich für ein Interview zur Verfügung stellen wollte. Falls dies ein Teilzeitchef aus einem dieser Länder liest und zu einem Interview bereit ist, freuen wir uns über eine Nachricht.