Manager-Selbsteinschätzung

Führungskräfte sind keine Visionäre

13.06.2012 von Andrea König
Für Visionäre halten sie sich nicht, Kurzzeitperspektive beherrscht den Arbeitsalltag. Führungskräfte sehen sich vor allem als Kommunikatoren und Vorbilder.

Für den aktuellen Hernstein Management Report beantworteten 300 Führungskräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Frage, in welcher Rolle sie sich im Unternehmen sehen. Die Führungskräfte duften darauf jeweils zwei Antworten geben. An erster Stelle steht bei Chefs aus allen drei Ländern die Rolle des Kommunikators (60 Prozent), gefolgt von der Vorbild-Rolle (43 Prozent).

Führungskräfte sehen sich am häufigsten als Kommunikator.
Foto: Hernstein Management Report

Erst auf Rang drei gibt es Länderunterschiede. In Deutschland und der Schweiz liegt die Rolle des Machers und Entscheiders auf dem dritten Platz, in Österreich belegt sie Platz vier. Dafür liegt bei Führungskräften aus Österreich die Rolle des obersten Förderers auf Platz drei, bei Chefs aus den anderen beiden Ländern liegt sie auf Rang vier.

Auch auf den beiden hintersten Plätzen gibt es Unterschiede. Bei Führungskräften aus Deutschland und der Schweiz steht auf Rang fünf die Rolle des Change Managers, am seltensten sehen sie sich in der Rolle eines Visionärs. Bei Chefs aus Österreich ist es umgekehrt. Dass die Rolle des Visionärs einen so geringen Stellenwert einnimmt, erklären sich die Umfrageinitiatoren mit immer kürzer werdenden Geschäftszyklen. Der Fokus liege eindeutig auf der Kurzzeitperspektive des Unternehmens in den kommenden ein bis drei Jahren.

Wie Manager die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beeinflussen

Führungskräfte in Deutschland können die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter vor allem durch einen sicheren Arbeitsplatz beeinflussen.
Foto: Hernstein Management Report

Die Führungskräfte wurden außerdem nach den zwei wichtigsten Kriterien gefragt, die die Leistungsfähigkeit und -willigkeit der Mitarbeiter entscheidend beeinflussen. Führungskräfte aus Deutschland nennen am häufigsten die Sicherheit des Arbeitsplatzes (38 Prozent), selbstbestimmtes Arbeiten und einen eigenen Verantwortungsbereich (36 Prozent) sowie die Einbeziehung in wichtige Entscheidungsfindungsprozesse (33 Prozent). Führungskräfte aus Österreich und der Schweiz bewerten das Einbeziehen von Mitarbeitern als so wichtig, dass es in beiden Gruppen am häufigsten genannt wurde (39 beziehungsweise 38 Prozent).

Auf Rang vier bis sechs nannten Chefs aus Deutschland die Unterstützung der persönlichen Entwicklung (27 Prozent), leistungsabhängige Gehälter (21 Prozent) sowie die Identifikation mit den Werten des Unternehmens (16 Prozent). Weit abgeschlagen auf dem letzten Platz liegen klare Arbeitsanweisungen mit zwei Prozent - sie sind somit laut Meinung der Führungskräfte kein wichtiges Kriterium, das die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beeinflusst.

Führung wird noch komplexer

In Österreich glauben 18 Prozent der Führungskräfte, dass sich eine gute Kooperation mit Kollegen positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. (13 Prozent in Deutschland, neun Prozent in der Schweiz). Während 27 Prozent der Führungskräfte in Deutschland die Unterstützung der persönlichen Entwicklung als wichtig bewerten, tun dies in Österreich nur zehn Prozent, in der Schweiz neun Prozent. In der Schweiz sind klar formulierte Zielvorgaben ein wichtiges Kriterium zum Einfluss auf die Leistungsfähigkeit (23 Prozent), in Österreich und Deutschland liegt der Wert nur bei jeweils 13 Prozent.

Viele glauben, dass Führung in den kommenden Jahren noch anspruchsvoller und komplexer wird.
Foto: Hernstein Management Report

47 Prozent der Führungskräfte aus Deutschland gehen davon aus, dass Führung als Ganzes in den kommenden fünf Jahren noch anspruchsvoller und komplexer wird. In Österreich und der Schweiz rechnen damit 33 beiziehungsweise 35 Prozent der Umfrageteilnehmer. Die Führungskräfte rechnen außerdem damit, dass Chefs ihr Team beim Aufbau seines Selbststeuerungspotenzials unterstützen werden (Deutschland 19 Prozent, Österreich 30 Prozent, Schweiz 33 Prozent). Die dritthäufigste Antwort der Führungskräfte aus Deutschland lautet, dass in den kommenden fünf Jahren die hierarchische Position der Führungskraft an Bedeutung verliert (16 Prozent). In Österreich gaben die befragten am dritthäufigsten die Antwort, Führungskräfte müssten starke und charismatische Persönlichkeiten sein (16 Prozent). Bei Führungskräften aus der Schweiz kam am dritthäufigsten die Antwort, Mitarbeiter hätten in Zukunft mehrere Führungskräfte (zehn Prozent).

Widersprüchlichen Erwartungen ausgesetzt

Mit den widersprüchlichsten Erwartungen sind Führungskräfte aus Deutschland nach eigenem Empfinden im Verhältnis zu ihren Vorgesetzten konfrontiert (27 Prozent). Auf Rang zwei und drei folgen der Aufsichtsrat (22 Prozent) und die Mitarbeiter (19 Prozent). In Österreich und der Schweiz nennen Führungskräfte die Mitarbeiter als diejenige Gruppe, die sie mit den widersprüchlichsten Erwartungen konfrontiert. Die Beziehung zu Kollegen steht länderübergreifend auf Rang vier. Vielleicht gibt es deshalb weniger Spannungen, weil Kollegen sich mit ähnlichen Dingen beschäftigen und so Verständnis für die Belange des jeweils anderen aufbringen können.

Der Hernstein Management Report ist eine jährlich durchgeführte Studie zu aktuellen Führungsthemen und Managementtrends. Auftraggeber ist das Hernstein Institut für Management und Leadership, eine österreichische Einrichtung für Führungskräfteentwicklung. Durchgeführt wurde die Studie von der österreichischen Gesellschaft für Marketing. Befragt wurden insgesamt 302 Führungskräfte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, alle aus Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten. Pro Land fand jeweils ein Drittel der Interviews statt.