Viele Unternehmen bereiten ihre Mitarbeiter schlecht auf Führungsaufgaben vor. Diese offenbaren entsprechenden Defizite, sobald sie erstmals Managementtätigkeiten übernehmen. Ungünstigerweise paaren sich diese Mängel auch noch mit einem Hang zur Selbstüberschätzung. So unschön fällt der Befund einer Studie der Talentmanagement-Beratung Development Dimensions International (DDI) aus, für die mehr als 1100 Führungskräfte in den USA befragt wurden.
Zusammengefasst sehen die ernüchternden Ergebnisse so aus: Nur elf Prozent der Befragten wurden gut auf ihre Führungstätigkeit vorbereitet. 57 Prozent eigneten sich ihre Kenntnisse nach der Trial & Error-Methode an. Nur 56 Prozent haben wirklich verstanden, worin erfolgreiches Führen besteht. Mindestens einen blinden Fleck bei entscheidenden Führungskompetenzen offenbart fast jeder. Und nur zwei Fünftel äußern sich zufrieden mit den Lernangeboten, die ihr Arbeitgeber bereitstellt.
Wie im Profifußball
Die Wurzel des Übels ist vergleichbar zur Praxis im Profifußball, begabte Kicker in eine zweite Karriere als Trainer oder gar Manager zu hieven, ohne dass groß nach ihrer Befähigung gefragt wird. Exakt so läuft es in amerikanischen Unternehmen, wie das Zitat eines Managers einer Rechtsabteilung zeigt: „Die Leute scheinen zu glauben: Wenn du gut in deinem Job bist, bist du auch gut in der Führung von Mitarbeitern. So einfach kann man das aber nicht gleichsetzen, denn es kann sich um sehr unterschiedliche Anforderungen handeln.“
Entsprechend fällt das Resultat der DDI-Befragung aus: Immerhin ein Drittel der Befragten wurde gezielt als Führungskraft angeworben. Ein Fünftel allerdings wurde wegen rein technischer Fertigkeiten befördert. 12 Prozent wurden als Führungstalente eingestuft. 11 Prozent bekennen, dass einfach niemand anderes für den Führungsjob zu bekommen war. Nur auf ebenfalls 11 Prozent trifft ein stringenterer Karriereweg zu: Sie wurden in einem internen Entwicklungsprogramm als angehende Führungskräfte geschult.
Ködern lässt sich die Hälfte der Nachwuchsmanager mit Geld, sprich besserer Vergütung. Nach Einschätzung von DDI erscheint das nur oberflächlich betrachtet als problemlos: „Auf lange Sicht verliert eine Gehaltsaufbesserung ihr Potenzial, die Mitarbeiter zu engagierter Arbeit zu motivieren.“ Immerhin bringen zwei Fünftel von sich aus das Streben mit, das eigene Können zu erweitern und sich ständig zu verbessern. Ein Drittel schluckt den Zuwachs an Verantwortung als einzigen Weg, die eigene Karriere voranzutreiben. Ebenfalls ein Drittel möchte einen größeren Beitrag zum Erfolg der Firma leisten. Jeweils ein Fünftel bekennt, gerne voranzugehen und mehr Macht und Einfluss zu wollen.
Erwartungen an Manager bleiben unklar
Ein weiteres verbreitetes Problem spricht ein befragter IT-Manager an. „Mein Chef hat nie klare Erwartungen formuliert – egal, wie ich mich bemüht habe“, klagt er. Die Studie zeigt, dass in der Praxis eine große Vielfalt an Möglichkeiten genutzt wird, Know-how zu erwerben: formales Training (40 Prozent), Unterstützung durch einen Mentor (26 Prozent), Erfahrungen in der Ausbildung (22 Prozent), Austausch mit Kollegen in anderen Firmen (12 Prozent), Bücher und Fachartikel (10 Prozent), Hilfe durch Institutionen (9 Prozent). Zwischen den beiden wichtigsten Arten verläuft hingegen eine klare Scheidelinie: Jeweils die Hälfte der Befragte erwarb seinen Kompetenzen vornehmlich entweder durch Versuch und Irrtum oder durch Anleitung von Seiten des Vorgesetzten.
DDI hakte an dieser Stelle ein und beleuchtet, zu welchen Unterschieden diese beiden Wege führen. Naheliegenderweise erweist es sich als günstiger, Hilfe bei den Führungsaufgaben zu erhalten und nicht in jedes Fettnäpfchen selbst tappen zu müssen. Als wesentliche Unterschiede zeigen sich vor allem zwei Faktoren: Jungmanager mit Manager-Support erhalten besseres Feedback (60 Prozent zu 38 Prozent) und sind zufriedener mit den Hilfestellungen im Unternehmen insgesamt (47 Prozent zu 29 Prozent).
Wie sich Vertrauen auszahlt
Daraus ergibt ein spürbar größeres Vertrauen in die eigenen Führungsfähigkeiten bei denjenigen, die von erfahrenen Managern an die Hand genommen werden. Dieser Unterschied zeigt sich vor allem bei Skills wie Kommunikation, Entscheidungsfreude, Mut zum Delegieren sowie Planung und Organisation. Allein bei den rein technischen Aspekten der Führungsaufgabe wähnen sich diejenigen im Vorteil, die durch Trial & Error ihre Erfahrungen sammeln mussten.
Angesichts dieser Voraussetzungen überrascht es nicht, mit welchen Aufgaben junge Führungskräfte nach eigenem Empfinden Schwierigkeiten haben. Leistungsschwache Mitarbeiter zu tadeln, jemanden feuern zu müssen und ehemaligen Kollegen gegenüber als Chef aufzutreten, lauten die meistgenannten Klippen.
Es dauert entsprechend, bis die Führungskräfte mit ihrer neuen Aufgabe warm werden. Lediglich 56 Prozent sagen, sie hätten bereits im ersten Jahr ihrer Tätigkeit ihre Rolle richtig interpretiert. Nach ein bis zwei Jahren sind es immerhin 70 Prozent – ein Wert, der nach sechs Jahren aber lediglich auf 80 Prozent ansteigt. Ein Fünftel der Befragten scheint letztlich völlig fehlbesetzt.
22 Prozent halten sich für exzellent
Die genannten Defizite trüben indes nicht die wohlwollende Selbstwahrnehmung der Befragten. Zwei Drittel halten ihre Führungskompetenzen für gut. 22 Prozent sogar für exzellent.
Die Experten von DDI vergleichen das mit Objekten, die im Spiegel größer erscheinen als in der Realität. Sie halten Ergebnisse entgegen, die blinde Flecken fast bei jedem Jungmanager offenbaren. So hätten 52 Prozent Schwierigkeiten, die Einsatzbereitschaft ihrer Mitarbeiter zu wecken. 46 Prozent gelingt es nicht, wichtige Vorgänge und Entwicklungen richtig zu beurteilen.
Unternehmen rät DDI dazu, stärker nach den Motiven von potenziellen Führungskräften zu fragen. Die Prioritäten sollten auf Entwicklung und den Aufbau von Führungsfertigkeiten gelegt werden. Außerdem sollte darauf geachtet werden, die Erwartungen der Firma klarer zu formulieren.
Die Studie „Finding the First Rung“ ist bei DDI erhältlich.