Uber-Syndrom

Furcht vor branchenfremder Konkurrenz wächst

01.12.2015 von Martin Bayer
In den Vorstandsetagen wächst die Sorge, dass branchenfremde Wettbewerber das eigene Geschäftsmodell untergraben, hat eine groß angelegte C-Level-Umfrage des IBM Institute for Business Value ergeben. Doch während den Verantwortlichen in der Theorie klar ist, dass sie sich neu aufstellen müssen, hapert es vielfach an der praktischen Umsetzung.

Die Angst geht um in den Führungsetagen vieler Unternehmen. Die Angst, dass plötzlich, wie aus dem nichts ein Wettbewerber auftaucht, der das eigene Geschäftsmodell komplett über den Haufen wirft und damit dem eigenen Unternehmen den Boden unter den Füßen wegzieht. Genau diese Angst vor der zerstörerischen Kraft branchenfremder Konkurrenten wird größer, will das IBM Institute for Business Value im Rahmen einer groß angelegten Umfrage festgestellt haben. Für die Studie "Redefining Boundaries: Insights from the Global C-suite Study" wurden in über 70 Ländern 5247 CEOs, CMOs, CFOs, und CIOs aus öffentlichen und privaten Unternehmen in 21 Branchen befragt.

"Das 'Uber-Syndrom' - wenn ein Mitbewerber mit einem völlig anderen Geschäftsmodell in Ihrer Branche auftaucht und Sie dem Erdboden gleichmacht", beschreibt Judy Lemke, Chief Information Officer (CIO) des US-Logistikunternehmens Schneider, ihre Sorge. Es sei sehr schwierig, vorherzusagen, wie sich die Wettbewerbslandschaft entwickeln werde, ergänzt der Chief Executive Officer (CEO) eines niederländischen IT-Unternehmens. Und Sony-Chef Kazuo Hirai sagt: "Disruptive Technologien könnten die Grundlagen unseres Geschäfts verändern und völlig unvorhersehbare Folgen haben, falls sie weitverbreitet werden."

Das Phänomen, das die Top-Manager hier beschreiben, hat viele Namen und lässt sich oft nur schwer greifen. "Uberisierung", "disruptive Innovation", "Industriekonvergenz" - das sind nur einige der Begriffe, die den Firmenlenkern derzeit Kopfzerbrechen bereiten. Dahinter steckt die Gefahr, dass neue Wettbewerber den unteren Bereich eines Marktes ins Visier nehmen und sich von dort unablässig nach oben arbeiten, wo sie letztendlich etablierte Anbieter verdrängen, sagt Clayton Christensen, Management-Guru und Professor an der Harvard Business School. Traten diese Effekte früher eher selten auf, sind sie heute an der Tagesordnung.

Grenzen neu definieren
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
5247 Führungskräfte aus 21 Branchen in über 70 Ländern wurden zu ihrer Einschätzung der künftigen Wettbewerbssituation befragt.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Die Grenzen zwischen den Branchen verschwimmen - darin waren sich alle Management-Ebenen in den Unternehmen einig.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Der Anteil der Manager wächst, die künftig mehr Konkurrenz aus anderen Branchen erwarten. Das macht allerdings Beobachtung und Bewertung des Wettbewerbs nicht gerade einfacher.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Rund drei von vier Führungskräften rechnen damit, dass vor allem technologische Faktoren die künftige Wettbewerbslandschaft beeinflussen und verändern werden.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Angesichts der sich stark verändernden Konkurrenz wird der Kontakt zum Kunden immer wichtiger. Die CxOs erwarten eine stärker digitalisierte und individualisierte Interaktion.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Die Partner-Ökosysteme rund um Unternehmen werden in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Um von den Innovationen in einem solchen Partnernetzwerk zu profotieren, bedarf es jedoch einer neuen Art der Zusammenarbeit.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Zentral ausgerichtete hierarchische Firmenkulturen gehören der Vergangenheit an. Künftig müssen Entscheidungen schnell und dezentral fallen.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Cloud, mobile Technologien und das Internet der Dinge - das sind aus Sicht der CxOs die wichtigsten Techniktrends der kommenden Jahre.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Die Erwartungen an die neuen Techniken sind hoch: besserer und schnellerer Zugriff auf Daten und in der Folge ein effizienterer Betrieb, schnellere Reaktionszeiten und bessere Entscheidungen.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Mit dem stärker auf Technik und Vernetzung ausgerichteten Fokus rücken im Management auch die potenziellen IT-Sicherheitsrisiken mehr in den Blickpunkt.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
In der Nutzung neuer Techniken, um Trends frühzeitig zu erkennen, haben viele Unternehmen noch Luft nach oben.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Obwohl die Führungskräfte seit langem versichern, mehr auf ihree Kunden hören zu wollen, setzt erst die Hälfte auf Kundenfeedback, um künftige Entwicklungen vorhersagen zu können.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Technik soll in erster Linie dazu dienen bessere Produkte und Services zu entwickeln, sowie die Kundenbeziehungen zu stärken.
IBM Institute for Business Value - Global C-Suite Study: Grenzen neu definieren
Doch immer mehr Unternehmen erkennen, dass es sich nicht nur um die eigenen Produkte und Services dreht. Offene Geschäftsmodelle erlauben, Innovationen von außen zuzulassen und damit das eigene Business zu stärken.

Früher sei die Konkurrenzsituation transparenter und damit einfacher gewesen, heißt es in der IBM-Studie. Das größte Risiko sei in der Vergangenheit das Auftauchen eines neuen Mitbewerbers aus der gleichen Branche mit einem besseren oder günstigeren Produkt oder Service gewesen. Diese Gefahr konnten Unternehmen in aller Regel schnell erkennen und abwehren, indem sie ihr Angebot an Produkten und Services verbesserten oder erweiterten beziehungsweise indem sie effizienter und einfallsreicher auf dem Markt agierten. Heute sehen Unternehmen die Konkurrenz oft erst dann, wenn es bereits zu spät ist. Grund genug also für die CxOs sich mit dem Uber-Syndrom auseinanderzusetzen, um besser einschätzen zu können, welche Folgen für die eigene Branche und das eigene Unternehmen drohen.

Die Grenzen zwischen den Branchen verschwimmen

Die Erkenntnis, dass die Grenzen zwischen einzelnen Branchen zunehmend verschwimmen, ist der IBM-Umfrage zufolge im Top-Management angekommen. Durch die Bank identifizierten alle Führungskräfte, vom CEO über die Finanz- und Personalverantwortlichen bis zu IT- und Marketing-Leitern sowie den COOs, die Branchenkonvergenz als den Trend, der das eigene Unternehmen in den kommenden drei bis fünf Jahren am stärksten verändern werde. In der Studie ist in diesem Zusammenhang von "digitalen Invasoren" die Rede. "Diese haben in der Regel einen zentralen Bestandteil der Wertschöpfungskette im Visier, umgehen die etablierten Anbieter und erobern die Kontrolle über die Kundenbeziehung, wodurch andere Anbieter irrelevant werden", schreiben die Studienautoren.

So sehen CxOs den künftigen Wettbewerb
Anders Thulin, Head of Group Function Business Excellence & Common Functions and CIO, Ericsson Group, Schweden
Ich möchte alles vereinfachen, damit wir weniger riskieren müssen und schnellere Entscheidungen treffen können.
Natascia Radice, CMO, TEDxDubai, Vereinigte Arabische Emirate
Wir leben in einem Moment, in dem individuelle Kreativität und kontinuierliche Innovation entscheidend sind. Wir sollten an einen ‚Return on Inspiration‘ denken.
Debra Hall, Director, Rose & Thorne, Neuseeland
Es gibt keine Regeln oder früheren Fallstudien für das, was wir mit unserem Unternehmen und Geschäftsmodell versuchen. Wir haben das Gefühl, am Rand des Marktes zu agieren.
Scott C. Campbell, Executive VP and CMO – Multiple Line, American National Insurance Company, USA
Wir wissen, dass die Erwartungen steigen, aber was genau erwarten unsere Kunden? Das wissen wir noch nicht. Und diese Erwartungen werden nicht von uns oder unseren Mitbewerbern festgelegt, sondern außerhalb unserer Branche von Apple oder Amazon. Gegen diese Unternehmen konkurrieren wir tatsächlich.
Frans van Houten, CEO, Royal Philips, Niederlande
Technologie wird unsere Geschäftsmodelle verändern … Es wird eine Gewinnverschiebung in der Wertschöpfungskette geben: vom Produkt zu einer Komplettlösung.
Rob Briggs, CHRO, Aviva Insurance, Großbritannien
Die größte Herausforderung besteht darin, für die Zukunft zu planen und sich gleichzeitig mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Es ist, als ob man versuchte, ein undichtes Dach zu reparieren und zur gleichen Zeit neue Solarkollektoren zu installieren.
Zhu Bin, CEO, GuangDong Create Environment & Technology Co., China
In der Zukunft werden unsere Kunden größeren Wert für uns schaffen. Sie sorgen nicht nur für unser Einkommen, sondern können uns auch bei unserer Weiterentwicklung helfen.
Jyrki Mäki-Kala, CFO, Neste Oil, Finnland
Wir müssen fragen ‚Was kommt als Nächstes?‘ und proaktiv sein und nicht nur auf das reagieren, was schon geschehen ist. Das müssen wir unabhängig davon tun, ob wir die kurz- oder die längerfristige Zukunft betrachten.
Shizuya Yoneda, COO, Menicon, Japan
Der 3D-Druck wird große Auswirkungen auf die Materialentwicklung haben. Viele Produkte werden sich in der Zukunft durch die Materialien unterscheiden, aus denen sie hergestellt werden, nicht durch die Art und Weise, wie sie hergestellt werden.
Laston Charriez, Senior Vice President (VP) Americas Marketing, Product and Market Development, Western Union, USA
Mit Cognitive Computing können wir die Szenarioplanung auf Hochtouren durchführen.
Dr. Ralph Körfgen, Head of Corporate Development, Deutsche Bahn, Deutschland
Produkte werden mit einer ‚virtuellen Ebene‘, z. B. Informationen oder Services, geliefert.
Kyra Arcia Marcano, CMO, Banco Bolivariano, Ecuador
Mithilfe von Cloud-Computing können wir Services ‚dematerialisieren‘ und sie per Fernzugriff bereitstellen. Dafür brauchen wir keine eigene Infrastruktur.
Faik Açikalin, CEO, Yapi Kredi Bankasi, Türkei
Am schwierigsten ist es, herauszufinden, ob das, was gerade passiert, ein Hype, ein Trend oder ein Tsunami ist.
Shogo Ikeuchi, CHRO, Recruit Holdings, Japan
Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir Entscheidungen treffen. Wenn wir unseren Mitarbeitern immer mehr Befugnisse geben, können wir das Tempo unserer Geschäftstransaktionen erhöhen.
David Mills, CEO, Ricoh Europe, Großbritannien
Wir gehen davon aus, dass wir uns stärker auf Partner und Unternehmen in angrenzenden Branchen verlassen und Innovation schaffen werden, indem wir unseren Kunden zuhören und gemeinsam Lösungen entwickeln.
Asher Yaqub Khan, Chief Commercial Officer, Ufone, Pakistan
Das App-Konzept – dass Millionen Entwickler Mobilgeräte und ‚Wearable Devices‘ in völlig neue und innovative Instrumente konvertieren können – wird das Big Business transformieren.
Ian Cunningham, Chief Operating Officer (COO), Tangerine Bank, Kanada
Die schnelle Entwicklung im Technologieumfeld ist wirklich schwer vorherzusagen. Man weiß nicht, was man nicht weiß, versucht aber trotzdem, dem Unbekannten voraus zu bleiben.
Piotr Ruszowski, CMO, Mondial Assistance, Polen
Die größte Bedrohung sind neue Mitbewerber, die noch gar nicht als solche klassifiziert sind.
Yong Eum Ban, Chief Financial Officer (CFO), JoongAng Media Network, Südkorea
Die Grenzen des Wettbewerbs verschwimmen.
Kazuo Hirai, CEO, Sony Corporation, Japan
Disruptive Technologien könnten die Grundlagen unseres Geschäfts verändern und völlig unvorhersehbare Folgen haben, falls sie weitverbreitet werden.

Digitale Riesen und kleine, aggressive Wadenbeißer

Es gibt zwei Typen dieser Invasoren: die digitalen Riesen und die kleinen aggressiven Anbieter, die "Wadenbeißer". Beispielsweise könnte der Online-Riese Amazon.com mit seinem Einstieg in den Lebensmittelversand den etablierten Handelsketten durchaus gefährlich werden. Genauso gefährlich seien indes die Wadenbeißer. Sie sind klein, smart und agil, heißt es in der Studie. Diese würden nicht durch eine traditionelle Infrastruktur behindert - allein deshalb, weil sie in aller Regel überhaupt keine Infrastruktur haben und brauchen, da sie die Assets anderer Anbieter nutzten.

"Und sie sind schwierig zu erkennen - sie werden erste dann bemerkt, wenn sie zugeschnappt haben." Bestes Beispiel sei die Finanzbranche: Fintechs picken sich einzelne Aspekte aus dem Bank- und Versicherungsgeschäft heraus, wickeln diese deutlich effizienter und vor allem auch kundenfreundlicher ab - und könnten damit in der Summe die altehrwürdige Bankenbranche durchaus empfindlich treffen.

Mittlerweile glauben mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten CxOs, dass größere Konkurrenz vor allem aus anderen Branchen kommen werde. Nicht einmal ein Drittel (29 Prozent) sieht diese Gefahr aus der eigenen Branche kommen. Vor zwei Jahren war das Verhältnis noch fast ausgeglichen - 43 Prozent zu 39 Prozent.

Technik ja, aber welche?

Als zentrale Kraft hinter den anstehenden Veränderungen sehen die Manager technologische Faktoren. Die Aussage, dass Technik ihr Geschäft in den nächsten Jahren massiv verändern wird, unterschreiben drei Viertel der befragten Führungskräfte. Während die Bedeutung der Technik unbestritten ist, sind sich die CxOs allerdings unsicher, wie sich die Technik auswirken wird. Die Befragten sprechen davon, mit einem "technologischen Ansturm" fertig werden zu müssen, und der Angst, möglicherweise auf das falsche Pferd zu setzen und damit das eigene Unternehmen in Schwierigkeiten zu bringen.

Einsetzen wollen die Unternehmensverantwortlichen technische Hilfsmittel vor allem dafür, um ein engeres Band zu den eigenen Kunden zu knüpfen. Den meisten geht es darum, eine stärker digitalisierte und individualisierte Kundenerfahrung zu schaffen. Darüber hinaus wollen sich die CxOs stärker außerhalb des eigenen Unternehmens nach Innovationen umsehen und enger mit Partnern zusammenarbeiten, um Zugang zu Innovationen zu bekommen. "Wenn wir Einzelkämpfer bleiben, stößt unser zukünftiges Wachstum an Grenzen", zitiert die Studie den CIO eines chinesischen Konsumgüterunternehmens. "Wir müssen mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten."

Das hat auch Auswirkungen auf die Organisation und die Kultur in den betroffenen Firmen. Viele Manager bestätigen, dass künftig eine stärker dezentralisierte Entscheidungsfindung notwendig sei. Ein konventionelles hierarchisches Management sei heutzutage nicht mehr zeitgemäß, wenn ein Großteil des Werts eines Unternehmens in den Netzwerken liege, die es geknüpft habe, und nicht in den Ressourcen, die es besitze.

Security rückt stärker ins Blickfeld

Die Techniken mit dem größten Veränderungs- und Innovationspotenzial sind aus Sicht der befragten Manager die Cloud (63 Prozent), mobile Lösungen (61 Prozent) und das Internet of Things (57 Prozent). Bei aller Technikeuphorie gibt es allerdings auch eine Schattenseite.

Tauchten in der vorhergehenden C-Suite-Study aus dem Jahr 2013 Sicherheitsprobleme nur ganz am Rand des Radars der CxOs auf, stehen sie zwei Jahre später im Brennpunkt des Interesses. Gut zwei von drei Managern sehen IT-Sicherheitsrisiken als größte Gefahr. "Je mehr Dinge vernetzt sind, desto anfälliger sind wir alle", brachte es der Chief Marketing Officer eines australischen Finanzdienstleisters auf den Punkt.

Insgesamt tun sich die Firmenlenker jedoch schwer, Ausmaß und Auswirkungen der bevorstehenden Veränderungen richtig einzuschätzen. "Es ist unmöglich vorherzusagen, was sich auf unser Unternehmen auswirken wird, weil es so viele Variablen gibt", gab der Manager einer südafrikanischen Bank zu. In ihren Bemühungen, an dieser Stelle mehr Klarheit zu gewinnen, seien die CxOs allerdings noch zu stark althergebrachten Methoden verhaftet, monieren die Studienautoren. Beispielsweise nutzten gerade einmal die Hälfte der Befragten Simulationen (51 Prozent) und Prescriptive Analytics (46 Prozent). Verfahren wie Crowd-Sourcing (23 Prozent) und Cognitive Computing (13 Prozent) seien noch deutlich seltener in Gebrauch.

Des Weiteren baue nur jeder zweite Manager auf das Feedback seiner Kunden, um neue Trends zu ermitteln. Dabei hätten in der vorangegangenen Umfrage sechs von zehn befragten Unternehmenslenkern erklärt, sie wollten sich aktiver mit den eigenen Kunden beschäftigen und die daraus resultierenden Erkenntnisse in die eigenen Geschäftspläne einbauen. Das sei allem Anschein jedoch nicht passiert, so das Fazit der Studie. Hier bestehe immer noch eine Lücke, die es zu schließen gelte.

Die Ubers uberisieren

Auch mit der Umsetzung von Veränderungen tun sich viele Unternehmen offensichtlich schwer. "Am schwierigsten ist die Auswahl des richtigen neuen Geschäftsmodells", sagte der COO einer landwirtschaftlichen Genossenschaft in Frankreich. Auch die Sorge, zu viel und zu früh zu investieren oder bestehende Umsatzströme zum Versiegen zu bringen, hemmt die Manager. Neben dem finanziellen Rahmen dreht sich vieles um die Organisation der Veränderung. Etliche CxOs merkten in der Umfrage an, wie schwierig es sei, neue Modelle innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen des Unternehmens zu testen.

Sich mit neuen Ideen im eigenen Unternehmen zu verschanzen, sei jedoch ein Kardinalfehler, warnen die Studienautoren. Um ein erfolgreiches neues Geschäftsmodell zu entwickeln, müsse man für gewöhnlich außerhalb der normalen Unternehmensumgebung experimentieren. Es gelte, zahlreiche unterschiedliche Ideen zu entwickeln und zu testen, die vielversprechendsten Ideen weiterzuverfolgen und sie erst dann in die Tat umzusetzen, wenn man überzeugt sei, dass sie in der Praxis funktionierten.

Oft hätten die Unternehmen auch eine zu eingeschränkte Sicht auf ihre Optionen. Scheuklappen erlaubten vielfach nur den Blick auf die Wertschöpfungskette weiter oben, statt auch einmal in die andere Richtung zu sehen. Die IBM-Studie führt an dieser Stelle den Tomatenmarkhersteller Morning Star an. Als das Unternehmen mit Lieferproblemen zu kämpfen hatte, begann es kurzerhand, selbst Tomaten anzubauen. Mit Erfolg: Mehr Sorten mit verschiedenen neuen Geschmacksrichtungen führten letzten Endes zu einer deutlich breiteren Produktpalette.

Der Fokus auf die Basis des eigenen Geschäfts hat aus Sicht der Studienurheber noch einen weiteren Vorteil: Wenn man in der Wertschöpfungskette weiter nach unten rückt, kann man sich zudem besser gegen die "Wadenbeißer" verteidigen, von denen viele die unteren Marktsegmente im Visier haben, schreiben sie. Die Kontrolle der unteren Bereiche der Wertschöpfungskette verkleinere die Schlupflöcher, durch die digitale Invasoren schlüpfen könnten. Doch diese Erkenntnis ist noch nicht weit verbreitet.

Nur wenige CxOs würden darüber nachdenken, geschweige denn konkret planen, eine völlig neue Kundengruppe anzusprechen oder in eine neue Branche einzusteigen. "Die große Mehrheit der CxOs hat offenbar keine Ambitionen, die 'Ubers' selbst zu 'uberisieren'."