Das US-Marktforschungsinstitut Gartner hat für den aktuellen "Hype Cycle for emerging Technologies" mehr als 2.000 einzelne Technologien, zusammengefasst in 29 Kategorien, untersucht. Die Analysten leiten daraus fünf Megatrends ab. 2019 kreisen diese um das Zusammenwirken von Mensch und Maschine. Entscheidend für den Unternehmenserfolg ist laut Gartner der Einsatz hochentwickelter Systeme Künstlicher Intelligenz (KI).
Gartner gibt den Hype Cycle jedes Jahr neu heraus. Die Analysten unterteilen die Nutzung jeder Technologie in fünf Phasen: zunächst gilt die Lösung als Innovation Trigger, die mit dem ersten Einsatz überzogene Erwartungen auslöst (Phase 2). In Phase 3 folgt der Absturz in die Desillusionierung. Im Anschluss wird die Technologie nüchtern abgewogen (Phase 4) und kann schließlich in Phase 5 ihr volles Potenzial entfalten. Dabei beziehen die Analysten ihre Voraussagen auf maximal zehn Jahre.
Im diesjährigen Hype Cycle geht es viel um die Frage, wie Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) menschliche Leistungen verbessern können. Technisch betrachtet, kreist der Cycle um das IoT, um Cloud und Edge Computing.
Die Megatrends der nahen Zukunft
Gartner nennt folgende fünf Megatrends:
1. Sensoren und Mobilität: Kern des Internet der Dinge (IoT) sind Sensoren. Binnen zehn Jahren wird eine 3D-Landkarte der Erde entstanden sein, erwartet Gartner. Unternehmen werden den physischen Raum zur Interaktion mit ihren Kunden nutzen. Dafür sollten sie jetzt den Einsatz von 3D-Sensing-Kameras, Drohnen (als Zusteller) und autonomen Fahrzeugen prüfen. Stichwort autonome Fahrzeug: sie werden künftig auch in der Luft eingesetzt.
2. "Ausbau" des Menschen: Immer ausgefeiltere Prothesen ersetzen oder verstärken menschliche Gliedmaße. Sogenannte Exoskelette zum Beispiel, die sich Arbeiter umschnallen, verleihen dem Menschen scheinbar Superkräfte, während sie gleichzeitig Wirbelsäule, Gelenke und Muskulatur schonen. Das vergrößert nicht nur die Möglichkeiten in Fertigung oder Transport, sondern hilft auch Krankenpflegern - und deren Patienten. Künftig geht es unter dem Stichwort "Augmented Human" auch um den Einsatz von Biochips und Augmented Intelligenz.
3. Postklassisches Computing und Kommunikationslösungen ("Comms"): Das postklassische Computing ist durch komplett neue Architekturen geprägt. So verringern Low Earth Orbit (LEO)-Satelliten weltweit die Latenz bei der Internetverbindung. Dadurch werden sich Privathaushalte und Unternehmen aus bisher wenig entwickelten Regionen anschließen können. Für Entscheider in Unternehmen sind Technologien wie 5G, Next Generation Memory und Nanoscale 3D-Druck interessant.
4. Digitale Ökosysteme: Gartner versteht digitale Ökosysteme nicht nur als Zusammenschluss von Unternehmen - ursprünglich eventuell Wettbewerber - Lieferanten und Partnern, sondern auch als Einbeziehen von Dingen. Die nötigen Technologien kreisen um das dezentrale Netz, Wissensgraphen (Visualisierung von Strukturen, die Objekte und Verbindungen enthalten), synthetische Daten (künstlich erzeugte Daten, etwa um Produktionsanlagen und Lernmodelle zu testen) und DigitalOps (digitalisierte Weiterentwicklung von DevOps, ein Kunstwort aus Development und Operations).
5. Fortgeschrittene KI und Analytics: Unternehmen lassen traditionelle BI-Lösungen (Business Intelligence) hinter sich. Sie arbeiten mit adaptivem maschinellem Lernen, Edge AI (AI für Artificial Intelligence), Edge Analytics und Graphen-Analysen. AI-Plattformen funktionieren nach dem As-a-Service Modell (AI PaaS).
Gartner ordnet jeden Trend einer Zeitleiste und einem Wirkungsgrad zu. So wird 5G binnen zwei bis fünf Jahren einen hohen Nutzungsgrad erreicht haben und hohe Wirkung entfalten. Noch stärker - nämlich "umwälzend" - wird sich der Einfluss von Augmented Intelligence und Edge AI zeigen. Ebenfalls umwälzendes Potenzial schreibt Gartner dem dezentralen Netz zu. Spürbar wird das allerdings erst in mehr als zehn Jahren.
Trendthema digitale Ethik
Einige ausgewählte Technologien:
Die Augmented Reality Cloud (AR Cloud): Als digitaler Content Layer fungiert die Augmented Reality Cloud quasi als digitale Legende der physischen Welt und stellt künftig eine Kernkomponente der Infrastruktur dar. Ausgereift ist die Technologie bei weitem noch nicht, aber ihre Wirkung wird umwälzend sein. Die AR Cloud berührt nicht nur Fragen von Datenschutz, Sicherheit und Compliance, sondern auch von digitaler Ethik. Als Anbieter treten schon jetzt Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft auf, aber auch weniger bekannte Namen wie 6D.ai und Xperiel.
Dezentrale autonome Organisationen (DAO): Gartner nennt dezentrale autonome Organisationen "Outlaws". Denn diese digitalen Informationsobjekte, über die Informationen gespeichert oder prozessiert werden, schalten sich ohne menschliches Zutun in Geschäftsprozesse oder andere Interaktionen ein. Sie basieren auf der Blockchain und Smart Contracts und agieren vollkommen autonom über verschiedene geografische Regionen hinweg - deshalb entziehen sie sich länderspezifischen Compliance-Vorgaben.
Die Vorteile der DAOs liegen in der Geschwindigkeit und Agilität, die sie Anwendern bescheren. Sie können zu schnellerer und besserer Entscheidungsfindung beitragen. Gartner sieht sie noch im embryonalen Stadium, aber auch sie werden - binnen fünf bis zehn Jahren - umwälzende Wirkung zeigen. Erste Anbieter sind Colony, DAO IPCI, DAOstack und Ethereum.
Augmented Intelligence: Ein anderer - etwas mystischer - Begriff für Augmented Intelligence ist "Kentaur". Vergleichbar dem sagenhaften Mischwesen aus Pferd und Mensch erhält der Mensch quasi magische Kräfte durch die Verschmelzung mit Technologie. Diese "Mensch-Maschine-Partnerschaft" kann körperliche wie kognitive Fähigkeiten steigern. Obwohl die Technologie noch in einem frühen Stadium steckt, ist der Nutzungsgrad vergleichsweise hoch. Gartner rät CIOs, sich beim Einsatz auf den Nutzen für den menschlichen Mitarbeiter zu fokussieren, statt die Automatisierung in den Mittelpunkt zu rücken. Wichtig ist, sich den ethischen Fragen zu stellen, die mit dem Einsatz von Augmented Intelligence verbunden sind.
Bots mit "emotionaler KI"
"Gefühls-KI" oder "emotionales Computing": Ziel von sogenannter emotionaler KI ist es, anhand von Gesichts- und Sprechanalyse oder anderen Technologien die Gefühle des menschlichen Gegenübers zu erkennen, um individueller auf dessen Bedürfnisse zu reagieren. Für Unternehmen ist das etwa beim Einsatz von Robotern als persönliche Assistenten interessant.
Gartner sieht emotionales Computing zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einer rechtlichen Grauzone, das gelte insbesondere für die EU. Die EU-Kommission habe kürzlich eine Initiative gestartet, die die ethischen Fragen diskutiert.
AI PaaS (Künstliche Intelligenz nach dem Platform-as-a-Service Modell): Plattformen für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz aus der Cloud umreißt Gartner als AI PaaS. Der Hype um solche Lösungen wird noch steigen, so die Analysten. Zumal der Markt ausgereifte Lösungen anbietet, bekannte Player sind Alibaba, Amazon Web Services, Baidu Cloud, Google (Cloud AI), IBM mit seiner Cloud und Microsoft mit Azure.
Gartners Research Vice President Brian Burke hält eine hohe Innovationsfähigkeit eines Unternehmens für den entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung hätten selbst sehr innovative Firmen Mühe, Schritt zu halten, merkt Burke an.