Den IT-Versorger teilen

Gemeinsam werden wir stärker

03.05.2004
IT-Partnerschaften mit Unternehmen aus der gleichen Branche sind reizvoll und gefährlich zugleich. Lohn der Angst: bis zu 30 Prozent weniger Kosten. Sechs Papiergroßhändler beweisen, dass so eine Kooperation funktionieren kann.

Für die sechs Papiergrosshändler wurde es eine klassische Win-Win-Situation. Die Unternehmen trauten sich, was in Deutschland bisher kaum ein Mittelständler wagte: Sie lösten ihre eigenen EDV-Abteilungen auf und fassten sie zu einem gemeinsamen IT-Dienstleister zusammen. Heute betreut die von den sechs neu gegründete Papertec GmbH mit 23 Mitarbeitern die Unternehmen zentral von Berlin aus und unterstützt sie mit einem gemeinsamen BackupSystem. Der Weg dorthin dauerte über drei Jahre, und er war steinig. "Ein verdammt schwerer Prozess", sagt rückblickend Michael Geiger, Sprecher des IT-Lenkungsausschusses und Geschäftsführer des Großhandels Karl-Heinz Geiger GmbH in Aalen.

Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass jedes Unternehmen mittelfristig vor der Notwendigkeit stand, seine IT zu restrukturieren. "Wir wollten ein ERP-System implementieren. Die alte Plattform war nicht mehr marktgerecht und entsprach nicht mehr den technischen Anforderungen, CRM war damit zum Beispiel nicht möglich", erinnert sich Geiger. "Wir wollten ein System, das die ganze Gruppe und jedes Unternehmen in sich abbildet, integrativ geführt, um Redundanzen zu vermeiden." Die Tatsache, dass die sechs rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen bereits unter dem Namen Igepa Group zu einer Marketing-Interessengemeinschaft zusammengeschlossen waren, ersparte die schwere Suche nach geeigneten Partnern.

Das Problem: Jedes Unternehmen hatte seine eigene IT-Struktur, eigenes Personal, Equipment, es gab unterschiedliche Release-Stände, Überlegungen und Vorstellungen. Geiger: "Und natürlich sollte der Kunde nichts merken." Was die Gruppe trotz aller Hürden zusammenhielt, war ein gemeinsames Ziel: das technisch Machbare zu einem vertretbaren Preis möglich zu machen und effizienter sowie effektiver arbeiten zu können. Erleichternd kam hinzu, dass die Einzelunternehmen einander nur bedingt Konkurrenz machen, weil der Papierhandel ein stark regionales Geschäft ist und jeder seinen eigenen Markt bedient.

Drei Gremien ins Leben gerufen

Die Unternehmen entschieden sich nach einer Analysephase für Peoplesoft Enterprise One. Um allen Ansprüchen gerecht zu werden, wurden drei Gremien ins Leben gerufen: erstens der Lenkungsausschuss als Entscheidungsgremium für grundlegende Fragen, in dem die Geschäftsführer der Einzelunternehmen, der Geschäftsführer der neuen Papertec und ein Experte von Peoplesoft vertreten waren; zweitens die Projektleitung zur Koordinaton und fachübergreifenden Information; drittens das Customizing, das Modelling der ERP-Software, zuständig für die Systemeinstellung auf die einzelnen Belange der Partnerunternehmen.

"Zwei Jahre später, im Juli 2002 hatten wir das erste Go life", erinnert sich Geiger. Das größte Problem sieht er rückblickend in der Festlegung auf einen gemeinsamen Standard: "Sich in eine Standardsoftware hineinzudenken und dann so weit wie möglich im Standard zu bleiben und nur dort Modifikationen zuzulassen, wo sie zwingend notwendig sind, war wohl die größte Schwierigkeit."

Die Hürden, die die Gruppe nahm, sind für die meisten Mittelständler Grund genug, es gar nicht erst zu versuchen. "Wir stoßen mit unserer Idee der IT-Kollaboration oder IT-Partnering zwar auf mehr als auf offene Ohren", sagt Timo Lührs, Senior Consultant bei Detecon International, "doch am Ende überwiegt meist die Angst." Verständlich, denn die laut Detecon-Untersuchung sinnhaftesten Partnerschaften sind gleichzeitig die gewagtesten: die zwischen Branchengleichen, das heißt zwischen direkten oder indirekten Konkurrenten. "Wobei die IT möglichst nicht geschäftskritisch, also wettbewerbsentscheidend, sein sollte, schränkt Lührs ein. Was sie in den meisten Fällen aber auch nicht mehr ist. Lührs: "Nach dem Hype haben viele die Hoffnung auf IT als Business Enabler begraben und sie auf eine geschäftsunterstützende Rolle reduziert. Viele arbeiteten mit den gleichen Systemen und Tools, die Synergien und Einsparmöglichkeiten sind evident."

Die Vorteile einer Kooperation liegen auf der Hand: Konsolidierung und Kostensenkung aufgrund gemeinsamer Nutzung der IT-Infrastruktur und damit höhere Auslastung, Einsparungen aufgrund des Erreichens einer bestimmten kritischen Größe, also das Ausnutzen der Economies of Scale. Lührs hält Kosteneinsparungen bis zu 30 Prozent für möglich: "IT-Kollaboration bietet dem Mittelstand zudem die Chance, auf den allgemeinen Kostendruck in der IT nicht nur mit konventionellen Maßnahmen, wie beispielsweise Budgetkürzungen und Stellenstreichungen, zu reagieren." Bei der Suche nach individuellen Lösungen verschwimmen die Grenzen zwischen Zentralisierung, Kooperation und Outsourcing.

"Egal, um welchen der drei Bereiche es sich handelt, die kritischen Erfolgsfaktoren sind immer dieselben", sagt Axel Knobe, Vorstandsvorsitzender von Gedas, der IT-Tochter der Volkswagen AG. Knobe muss es wissen, denn er hat bereits diverse Verschmelzungsprozesse mitgemacht: als Mitglied der Geschäftsführung beim Stuttgarter Systemhaus Ikuss (jetzt Sligos), sechs Jahre als Geschäftsführer beim Debis Systemhaus, bevor es zur Telekom (T-Systems) ging, zwei Jahre als Geschäftsführer bei pdv, bevor Logica es kaufte. Für Knobe ist der Wandel Alltag: "IT-Kollaboration macht nur Sinn, wenn es sich um einen Commodity-Prozess handelt. Dort, wo die IT wettbewerbsdifferenzierend ist, wird es kaum einer machen."

Drei Punkte gelte es dabei zu checken: Erstens ob das Portfolio der potentiellen Partner passt - gibt es tatsächlich eine Ergänzung, ist wirklich gleich, was theoretisch gleich zu sein scheint? Ergeben sich daraus wirklich Synergien? Zweitens das Ziel: Geht es um Wachstum oder um Kosteneinsparungen. Und drittens: Inwieweit passen die Unternehmenskulturen zusammen? Laut Knobe macht es dabei keinen Unterschied, ob es sich um 30 oder um 300 Mitarbeiter handelt: "Wenn am Ende des Tages 1 + 1 = 3 sein soll, muss man die Menschen gewinnen und sie dort abholen, wo sie sind." Ein derartiger Prozess verursache immer Unruhe unter den Mitarbeitern - und die Besten gingen zuerst. Knobe sieht die Vorteile, rät in der Praxis aber dazu, mögliche Partner genau unter die Lupe zu nehmen: "Zwei Kranke in einem Bett machen noch keinen Gesunden."

Entlassungen gab es bei der Geiger GmbH nach eigenen Angaben nicht, bestenfalls Versetzungen oder Fluktuation. Dennoch zitterten die Mitarbeiter am Tag X, als das Roll-out der neuen Software erfolgte. Mit dem Ergebnis sind Geiger und nach seiner Aussage auch die Partnerunternehmen zufrieden: "Wenn wir heute einen Releasewechsel haben, wird das einmal zentral in Berlin gemacht. Auch die Wartung und der Support sind deutlich günstiger, wobei wir den First-Level-Support hier im Hause durch gut ausgebildete User haben und den Second-Level-Support in Berlin, der heute dort natürlich viel qualifizierter ist." Alle sechs seien jetzt in der Optimierungsphase, und Papertec wolle die Backup-Leistung jetzt auch Dritten anbieten. Geiger ist heute froh, dass er vor drei Jahren der Angst fest ins Auge sah: "Allein hätten wir das nicht geschafft."

Mehr Info

www.igepagroup.de

www.detecon.de