Einer der hartnäckigsten Mythen der Organisationsentwicklung in Unternehmen ist die Sache mit der Harmonie zwischen Alt und Jung. Spätestens seit Beginn der Diskussion um demographische Probleme und die Alterung von Belegschaften - also seit gefühlt 50 Jahren - vergeht keine Woche, in der nicht irgendein Medium das Loblied auf die Segnungen gemischter Teams anstimmt.
Der immer gleiche Refrain: Alte profitieren von der Innovationsfreude, Neugier und Schnelligkeit der Jungen, die wiederum von den Alten daran gehindert werden, aus lauter Übermut und Machenwollen sofort gegen die nächste Wand zu krachen.
Gängige Überschriften in diesem Zusammenhang lauten: "Altersgemischte Teams bringen viele Vorteile", "Erfolgsfaktor altersgemischte Teams" oder "Altersgemischte Teams steigern Produktivität".
"Wir wissen, dass auf diesem Gebiet meist Euphorie herrscht. Viele gehen davon aus, dass man das Beste von zwei Seiten gewinnbringend für alle nutzbar machen kann. Die bisherige Forschung stützt dieses positive Image aber nicht unbedingt", sagt Monika Rausch, Professorin für angewandte Gesundheitswissenschaften an der Europäischen Fachhochschule in Brühl.
Sprechen Alte mit Alten anders?
So kam beispielsweise eine Studie der Technischen Universität Dresden ("Zum Sinn und Unsinn altersgemischter Gruppenarbeit in Organisationen") aus dem Jahr 2011 zu negativen Effekten aufgrund von hoher Altersheterogenität. Dazu gehören eine schlechtere Fluktuationsrate und schlechtere Leistungen, ein schlechteres Gruppenklima und weniger Kommunikation.
Gerade um die letzten beiden Punkte geht es Monika Rausch und ihrem Team bei ihrer breit angelegten Untersuchung in den kommenden Jahren. Mit Unterstützung des Programms "Soziale Innovation für Lebensqualität im Alter" des Bundesbildungsministeriums will Logopädin Rausch sichtbar machen, welche Prozesse bei der Kommunikation zwischen Jungen und Alten genau ablaufen und wie sie auf die Beteiligten wirken.
Eine wichtige Frage dabei ist, ob sich Alte und Junge innerhalb ihrer jeweiligen Altersgruppen anders verhalten als während der Arbeit in gemischten Teams.
Um das herauszufinden, gehen die Forscherinnen experimentell vor. Am Anfang wird eine teilnehmende Beobachtung von Teamsitzungen stehen, anschließend folgt eine Befragung über den Gesprächsverlauf. Dritter Schritt ist das Abfragen allgemeiner Einstellungen zum Thema Alter, anschließend werden die Ergebnisse in Verbindung gebracht mit den Altersunterschieden.
Vier IT-Unternehmen aus dem Rheinland nehmen teil
Letzter und spannendster Schritt wird es sein, die Ergebnisse mit konkreten Erfahrungen von Unternehmen abzugleichen. Praxispartner dabei sind vier IT-Unternehmen aus dem Rheinland, die bereits gefunden sind.
Dass man ausgerechnet mit dieser Branche kooperiert, hat mehrere Gründe. Monika Rausch: "In der Region rund um Brühl gibt es viele IT-Unternehmen. Außerdem ist die Branche jung und im Vergleich zu anderen spät dran mit der Altersdurchmischung."
Interne und externe Kommunikation
Will sagen: Hier gibt es noch besonders viel zu erforschen. Neben der Binnenkommunikation zum Beispiel den Dialog mit den Kunden. Weil Softwareentwickler auf der Anbieterseite jung sind und die Kunden, denen sie die Vorzüge ihrer Produkte vermitteln müssen, erheblich älter. Was sich daraus ergibt, ist eine ebenso spannende wie herausfordernde Kommunikationssituation.
Mit den entsprechenden Schlussfolgerungen. Professorin Monika Rausch: "Wir wollen die Ergebnisse unserer Analysen in Handlungsempfehlungen gießen, die Unternehmen nutzen können, um in der eigenen Firma - angepasst an die individuelle Situation - die Kommunikation zu verbessern.
Teamarbeit umso besser, je identischer die Gruppe ist
Der Punkt ist deshalb so wichtig, weil es keine Alternative gibt. Zwar legen bisherige Studien wie die oben erwähnte aus Dresden nahe, dass in manchen Situationen die Teamarbeit umso besser funktioniert, je identischer die Gruppe altersmäßig ist.
Kein Unternehmen kann aber daraus die Konsequenz ziehen, nur noch Teams aus ausschließlich jungen oder ausschließlich Alten zusammenzustellen. Weil es auf der einen Seite kein Zukunftsthema in Unternehmen gibt, mit dem sich nicht - auch - jüngere Kollegen beschäftigen. Und weil auf der anderen Seite fast keine Firma strukturell in der Lage wäre, Teams mit ausschließlich Jungen zu formen.
Die Altersunterschiede wachsen
Für die Zukunft gilt das erst recht: Wegen des sich immer weiter nach hinten schiebenden Renteneintrittsalters werden die Altersunterschiede innerhalb der Teams, die zusammenarbeiten müssen, immer größer. Laut statistischem Bundesamt ist 2060 jeder dritte Arbeitnehmer älter als 65 Jahre.
Alte und Junge müssen also mehr denn je zusammenarbeiten, deshalb ist es unabdingbar, herauszufinden, wie eine solche Kooperation am besten läuft.
Kommunikationsprobleme
Eine Arbeitshypothese des Forscherteams um Monika Rausch und ihre Kollegin Michaela Moser ist, wie schon erwähnt, dass es zwischen den Altersgruppen vor allem Kommunikationsprobleme gibt.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden wichtige Hilfestellung für den Alltag in Unternehmen liefern. Abgeschlossen sein soll das Projekt im November 2017.