Neuer CIO, neue Sourcing-Strategie: General Motors (GM) neuer IT-Chef Randy Mott will die "dritte Welle" eines Outsourcing-Projekts seines Vorgänger Ralph Szygenda durch ein neues Insourcing-Projekt ersetzen und bis zu 10.000 IT-Profis einstellen beziehungsweise wieder zurück ins Unternehmen holen.
"GMs Position scheint sich von einem Extrem zum andere zu verschieben. Der Konzern galt als eines der ersten und führenden Unternehmen, das ausgelagert hat. Später hat GM einen viel beachteten Multi-Vendor-Ansatz mit verteilter Verantwortung und Risikostreuung etabliert, um nun eine Insourcing-Entscheidung aktiv zu verfolgen", beobachtet David Rutchik, Partner des Outsourcing-Beratungshauses Pace Harmon. "Damit schafft der Konzern Aufmerksamkeit. Er muss aber auch beweisen, dass er Geschäftsziele erreichen kann. "
Der Entschluss, Teile der IT wieder zurückzuholen, kommt für viele Marktbeobachter nicht völlig überraschend, gibt es doch in vielen Organisationen bereits Versuche, einen ausgewogenen Mix aus ausgelagerten und selbst betriebenen IT-Services zu finden. Insbesondere in der amerikanischen Fertigungsbranche ist dieser Trend seit geraumer Zeit zu beobachten.
"Viele Autohersteller prüfen einen solchen Schritt und es ist kein Geheimnis, dass GM eine ähnliche Richtung einschlagen wird. Ungewöhnlich ist der Umfang des Vorhabens", wundert sich Peter Bendor-Samuel, CEO des Outsourcing-Beratungshauses Everest Group.
GM war schon oftmals Trendsetter
Sollte der Plan in der skizzierten Form tatsächlich umgesetzt werden, könnte GM einmal mehr eine Blaupause für den IT-Bezug liefern. Der Konzern hatte 1984 den IT-Service-Provider EDS übernommen und 1996 wieder als selbständigen Anbieter aus dem Konzern herausgelöst. Damit wurden große Teile des IT-Betriebs ausgelagert, GM galt vielen großen Anwenderunternehmen mit diesem Schritt als Outsourcing-Vorbild. Später verteilte GM die ausgelagerten IT-Dienste auf mehrere Lieferanten und schuf so die Grundlagen für das aktuelle Multisourcing.
"Die Fertigungsindustrie wird in den kommenden Jahren ein interessantes Beobachtungsobjekt sein. In Gesprächen mit großen Herstellern hören wir immer öfter vom Insourcing", schildert Cliff Justice, Principal bei KPMGs Shared-Services und Outsourcing-Unit, die Hintergründe. "Viele Unternehmen eruieren groß angelegte Projekte zur Wiedereingliederung der IT, weil sie glauben, damit einen besseren Zugang zu einem wichtigen Innovations-Motor zu finden."
Schattenseiten des Outsourcing
Allerdings werden die Vorhaben wohl nicht darauf hinaus laufen, dass alle aktuellen Outsourcing-Verbindungen gekappt werden. KPMG-Berater Justice erwartet, dass "Partnerschaften geprüft werden, die Innovationen, neue Technologien und Wettbewerbsvorteile versprechen. Dagegen werden einfache Dienste, die von Lohnkostenvorteilen profitieren, weiterhin ausgelagert", betont Justice.
Auslagerungsprojekten sind mittlerweile etabliert, so dass Anlaufschwierigkeiten seltener vorkommen. Probleme im Outsourcing sind heute kaum noch dem mangelnden Erfahrungsschatz auf Anwender- und Anbieterseite geschuldet, so dass Outsourcing-Kunden die Deals grundlegend neu bewerten und den Verlauf sowie die Ergebnisse der Abkommen genau analysieren.
Dabei legen sie auch die Schattenseiten des Outsourcings offen. "Höhere Produktivität, weniger Management, reduzierte Reisekosten, bessere Qualität, seltenere Nacharbeiten, flexiblere Arbeitszeiten und weniger kulturelle Unstimmigkeiten sind einige positive Erfahrungen von Unternehmen, die Aufgaben zurückgeholt haben", schildert F.B. Mack, Direktor beim Beratungshaus Sylvan Advisory. "Und positive Schlagzeilen zu machen, ist auch nicht schlecht."
Insourcing-Interessenten sollten sich aber auch darüber im Klaren sein, dass solche Vorhaben kosten. Die Outsourcing-Anbieter können in der Regel günstigere Preise bieten, insbesondere wenn Aufgaben in Offshoring-Länder mit niedrigen Lohnkosten verlagert werden. "Wir haben einige Zweifel, ob GM die Arbeitskräfte zu einem sinnvollen Preis zurück in die USA holen kann", rätselt Pace-Harmon-Berater Rutchik. Allein die Kosten für den Übergang der Mitarbeiter zu GM sowie für Neu-Einstellungen sind enorm, zudem fallen Aufwendungen für den Knowledge-Transfer an.
Interne GM-IT: Vom IT-Betrieb zum IT-Management und zurück
Zugute halten muss man solchen Vorhaben, dass strategische IT-Funktionen nicht zwingend einem strengen Kostendiktat unterworfen werden, weil man auf nicht klar zu beziffernde Vorteile in der Produktion, im Business-Alignment und bei künftigen Innovationen hofft. "Natürlich lassen sich Kosten beziffern, und wir erwarten, dass sie steigen", widerspricht Rutchik. "Die Frage lautet, ob sich Vorteile in Produktivität, Innovation und Beweglichkeit so auswirken, dass am Ende bessere Autos entstehen und der Absatz steigt?"
Eine besondere Aufgabe steht GM-CIO Mott auch im Change-Management bevor. Er muss die Organisation, die es gewohnt ist, Lieferanten zu steuern, so umformen, dass sie selbst zu einem verlässlichen und hochwertigen IT-Lieferanten wird. Das wird seine Zeit brauchen, so dass sich die erhofften Vorteile wohl erst in einigen Jahren einstellen werden. Fraglich ist, ob Konzern-Lenker und -Eigentümer die entsprechende Geduld aufbringen können.
Weite Teile der IT werden zurückgeholt
Eine besondere und verglichen mit anderen Unternehmen auch außergewöhnliche Rolle spielt GM auch in der Auswahl der Funktionen, die der Konzern zurückholen möchte. Während Anwender sich beim Insourcing üblicherweise auf Kernkompetenzen wie Architektur, Design und Beziehungs-Management konzentrieren, umfasst die GM-Liste weite Teile des IT-Betriebs. Die Planungen sehen vor, nahezu sämtliche Jobs, vom Entwickler und Test-Ingenieur bis hin zum Peoplesoft- und Messaging-Experten wieder selbst zu beschäftigen. GMs derzeitigen Partner werden von den Plänen, die Experten ins Unternehmen zu holen, wenig erfreut sein, sie verlieren sowohl Know-how-Träger als auch einen wichtigen Kunden.
"Viele der Kompetenzen liefern unseres Erachtens keinen Wettbewerbsvorteil, wenn man sie intern vorhält", wundert sich Rutchik. Gewiss ist, dass er nicht der einzige Berater sein wird, der das GM-Vorhaben aus der Ferne begleiten wird, um Erfolge und Misserfolge genau zu analysieren. "Ich glaube nicht, dass es schon jemals ein Insourcing-Projekt in einer solchen Größenordnung gab. Die Herausforderungen und Risiken sind enorm", warnt Bendor-Samuel von der Everest Group. "Es kann funktionieren, aber ich vermute, dass es mehr kostet und länger dauert als erwartet." (Computerwoche)