Unternehmen und speziell IT-Abteilungen droht durch die Generation der Millennials - also den Jahrgängen 1980 bis 2000 - ein großes und für viele noch ungeahntes Problem - nämlich eine Kündigungswelle. Zu diesem erschreckenden Ergebnis kommt die jüngste Millennials-Studie des Beratungsunternehmens Deloitte. Eine Umfrage unter 7700 Beschäftigten dieser Altersgruppe in 29 Ländern brachte ans Licht, dass
• bis 2020 zwei Drittel der Befragten kündigen werden und
• die Hälfte der Kündigungswilligen beabsichtigt, diesen Schritt bereits innerhalb der nächsten zwei Jahre zu tun.
Dabei handelt sich um einen globalen Effekt. Bis zum Jahr 2020 wollen in Großbritannien 71 Prozent den Arbeitgeber wechseln, in Indien gar 76 Prozent. Deutschland, Österreich und Schweiz werden in der Studie zwar nicht explizit aufgeführt, die Quote für Westeuropa liegt mit 60 Prozent aber auch hoch.
Für Arbeitgeber ist dieser Trend angesichts der Tatsache fatal, dass die meisten Mitarbeiter der Generation Millennials in den kommenden drei bis vier Jahren eine Führungsposition übernehmen sollen oder vor Kurzem Führungsverantwortung übernommen haben. Die Folgen sind für IT-Unternehmen oder die IT-Bereiche in Betrieben besonders gravierend, weil die jüngeren Mitarbeiter dort den Erfolg maßgeblich mitbestimmen. Bei einer Fluktuation der Hoffnungsträger von über 50 Prozent in einer Branche, die ohnehin über einen massiven Fachkräftemangel klagt, ist es gerechtfertigt, von einer dramatischen Entwicklung zu sprechen.
Betrachtet man die Ergebnisse der Studie, stellen sich folgende Fragen:
1. Lohnt sich die Investition in diese Mitarbeiter überhaupt, wenn die Hälfte der Hoffnungsträger binnen drei Jahren kündigt?
2. Was sind die Gründe für diese enorme Abwanderungsrate?
3. Haben Millennials unrealistische Vorstellungen von der Arbeitswelt und ihren Fähigkeiten?
Die Studie gibt auf diese Fragen klare Antworten.
Millennials wollen führen
Die Untersuchung zeigt, dass Millennials deutlich länger bei einem Unternehmen bleiben, wenn:
• Ihre Fähigkeiten sowohl erkannt und systematisch entwickelt werden als auch tatsächlich zum Einsatz kommen.
• Sie ermutigt werden, Führungsaufgaben zu übernehmen.
• Es ein breites Angebot an Trainingsmaßnahmen gibt, das sie auf Führungsaufgaben vorbereitet.
• Sie nach der Übernahme von Führungsaufgaben durch Entwicklungsprogramme, Mentoring und Coaching darin unterstützt werden, ihre Führungsfähigkeiten permanent zu verbessern.
Im Gegensatz dazu kündigen Millennials umso schneller, wenn sie den Eindruck haben, dass:
• Ihre Fähigkeiten weder erkannt, noch gefördert oder im Alltag eingebracht werden können.
• Man sie nicht für Führungsaufgaben in Betracht zieht und sie im Unklaren darüber lässt, warum sie nicht ausgewählt werden.
• Ihre fachlichen und leitenden Fähigkeiten nicht durch begleitende Maßnahmen verbessert werden.
Förderung und Ausbildung sind ein Muss
Die Loyalität eines Millennials zu seinemArbeitgeber steht in direkter Verbindung mit der Förderung seiner Fähigkeiten und dem Einsatz als Führungskraft. Deutschland wird in der Studie in diesem Punkt explizit als Negativbeispiel erwähnt, nämlich als das Land, in dem Mentoring als Begleitung neuer Führungskräfte am wenigsten angeboten wird.
Gerade junge Führungskräftebenötigen unbedingt eine aktive, systematische und längerfristige Begleitung beim Einstieg in eine leitende Funktion. Denn derFührungsstil, der sich bei Übernahme einer Führungsrolle einschleicht, ist Jahre später umso schwerer korrigierbar.
Überschätzen sich Millennials selbst? Weit gefehlt. Fast zwei Drittel dieser Beschäftigtengruppe sind der Meinung, dass ihre Führungsqualitäten noch nicht gut genug ausgebildet sind. Das klingt nicht nach Selbstüberschätzung, sondern eher nach dem Willen zur persönlichen Weiterentwicklung - der leider nicht erhört wird. Denn 71 Prozent derjenigen, die binnen zweier Jahre kündigen werden, sind unzufrieden damit, wie ihre Fähigkeiten weiterentwickelt werden.
Aber selbst wenn für einen Betrieb die Studienergebnisse nur abgeschwächt zutreffen und die Zahl der Kündigungswilligen geringer ausfällt, ist das ernst zu nehmen. Denn was bedeutet diese Unzufriedenheit? Sie führt zu einer nachlassenden Motivation, sinkender Arbeitsmoral, und ob jemand dann wirklich noch mit voller Leidenschaft an einer Innovation arbeiten wird, ist eher fraglich.
Generation der ungenutzten Potenziale
Nur 28 Prozent der Millennials haben das Gefühl, dass ihre Fähigkeiten von den Unternehmen in vollem Umfang genutzt werden. Über zwei Drittel der Mitarbeiter glauben also, dass sie viel mehr leisten könnten. Zwei Drittel! Und nur 24 Prozent sind mit den Möglichkeiten zufrieden, bei ihren Arbeitgebern neue Erfahrungen zu machen, zu lernen und in ihrer Laufbahn durch Fortbildungs- und Entwicklungsprogramme unterstützt zu werden. Das ist schockierend.
Die Zahlen zeichnen ein eindeutiges und schlechtes Bild: Wir haben eine Generation vor uns, die das Gefühl hat, weder ihre Fähigkeiten voll zum Einsatz bringen zu können, noch darin unterstützt wird, sie dort zu verbessern, wo noch Nachholbedarf besteht. Die logische Konsequenz: Demotivation, Resignation, Kündigung. Wirklich gute Mitarbeiter akzeptieren dies nicht. Sie gehen dorthin, wo sie ihre Fähigkeiten einbringen können und gefördert werden. Dagegen kommt man langfristig auch nicht mit einem neuen Dienstwagen an.
Arbeit und Projekte müssen Sinn ergeben
Häufig wird in Diskussionen um die jungen Generationen davon gesprochen, dass sie dem Sinn ihrer Tätigkeit einen besonders großen Wert beimessen. Diese Haltung wird durch die Studie bestätigt. Millennials wollen, dass sich ihre Organisationen nicht ausschließlich darauf konzentrieren, möglichst viel Geld zu verdienen. 87 Prozent der Millennials sehen das vielmehr so. Es muss einen größeren Sinn ergeben, womit das Unternehmen Geschäfte macht, und es muss Werte vertreten, die von den Mitarbeitern geteilt werden.
Doch sie denken nicht nur altruistisch, selbstlos und weltfremd. Sie wissen auch, dass Unternehmen Umsätze und Gewinne generieren müssen. Was sie wollen ist, dass der Gesamtmix stimmt: Unternehmen sollen einen sinnvollen Beitrag leisten und damit Gewinne erwirtschaften. Aber ist das wirklich eine Besonderheit der Millennials? Mit Sicherheit nicht. Es gibt wohl niemanden, der gegen die Kombination aus Gewinn und Sinn ist. Unabhängig von der Generation!
Was bedeutet das für Mitarbeiter in der IT? Wer eine IT-Abteilung leitet, wird nur bedingt Einfluss darauf nehmen können, womit das Unternehmen Geld verdient. Millennials kann man hier also kaum entgegenkommen. Dennoch gibt es in vielen IT-Bereichen unzählige Aufgaben, wo man bei der Sinnfrage eines Projekt zu einem ernüchternden Ergebnis kommt. In sinnlosen Projekten zu arbeiten sorgt niemals für Motivation. Weder bei den Millennials noch bei irgendeiner anderen Generation.
Angesichts der massiven Arbeitsbelastung und des Mangels an Fachkräften ist es höchste Zeit, dass sich die IT gegen Projektewehrt, die einfach keinen Sinn ergeben. Tausende von Personentagen werden in Systeme gesteckt, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind. Jeder Tag, den ein IT-Mitarbeiter in einem dieser Projekte verbringt, ist ein Tag, der weiter in die Demotivation und näher an die Kündigung führt.
Wichtige Faktoren für Mitarbeiter
Mitarbeiter, die mit ihrem Arbeitgeber sehr zufrieden sind, wollen ihre Fähigkeiten gefördert sehen und zur Führungskraft entwickelt werden. Doch damit endet es nicht. Folgende Punkte sind zusätzlich wichtig:
• Eine offene und durchgängige Kommunikation.
• Eine Kultur ehrlich gemeinter Unterstützung, gegenseitiger Toleranz sowie ein respektvoller Umgang.
• Die aktive Förderung von Ideen aller Mitarbeiter.
• Ein klares Bekenntnis zur Gleichberechtigung und Integration.
• Verständnis und Unterstützung für junge Mitarbeiter und deren Ambitionen.
Diese Faktoren binden Millennials an ihren Arbeitgeber. Wenn Sie an Mitarbeiter "älterer" Generationen denken - gäbe es da Widerspruch gegen diese Punkte? Wohl kaum!
Was Mitarbeiter an Unternehmen bindet und was sie motiviert, hat trotz Social Media, globalen virtuellen Teams und flexibler Arbeitszeitmodelle nach wie vor mit universellen menschlichen Faktoren zu tun. Die Tatsache, dass diese nach wie vor auf der Wunschliste stehen, resultiert wohl darin, dass es nicht ausreicht, nur ausgeklügelte neue Anreizsysteme zu entwickeln, sondern mindestens ebenso viel Energie in die Grundlagen gesteckt werden muss.
Wer seinen nächsten Marathon schneller laufen möchte, der erreicht dies nicht durch einen neuen Laufcomputer, die neue Trainings-App oder 15 Gramm leichtere Schuhe. Sondern durch mehr und besser organisierte Trainingseinheiten.
Auf Basis der Studie ergeben sich konkret folgende Maßnahmen:
1. Die richtigen Führungskräfte auswählen und fördern:
Nur Mitarbeiter, die sich zur Führungskraft eignen, sollten auch Führungsverantwortung tragen. Dazu müssen sie richtig ausgewählt, auf die Aufgabe vorbereitet und kontinuierlich in ihrer Entwicklung unterstützt werden.
2. Talente und Fähigkeiten erkennen, fördern und fordern:
Mitarbeiter müssen mit Unterstützung ihrer Führungskräfte ihre wahren Talente und Fähigkeiten identifizieren. Es geht dabei nicht um Wunschdenken, sondern um das, was jeder am besten kann, weil er die Begabung und Begeisterung dafür in sich trägt. Ist dies erkannt, gilt es, denjenigen sowohl durch Schulungen als auch Coaching und Mentoring zu unterstützen. Und: Damit die gewonnenen Fähigkeiten nicht verkümmern, muss die Möglichkeit bestehen, sie so intensiv wie möglich im Alltag einzusetzen.
3. Transparenz, Klarheit und Beteiligung als Prinzip:
Transparenz und Klarheit müssen zum Grundprinzip erhoben werden. Ziele müssen klar und unmissverständlich an jeden kommuniziert werden, der zur Erreichung beitragen kann - und das sind meist erheblich mehr Personen, als im Projektteam mitarbeiten. Mitarbeiter müssen in Entscheidungsprozesse einbezogen und gehört werden, auch wenn danach eine Entscheidung fällt, die von den Mitarbeitern so nicht getroffen worden wäre. Es gibt unzählige Studien, die nachweisen, dass alleine die Möglichkeit, sich einbringen zu können, die Akzeptanz auch kontroverser Entscheidungen erhöht. Dies gilt ganz besonders bei Wissensarbeitern wie Mitarbeitern in der IT.
4. Zusammenbringen statt trennen:
Die Klassifizierung in "älter = altmodisch" und "jung = innovativ" muss aus den Köpfen. Es gibt 57-jährige Datenbankadministratoren, die bessere Ideen zur Nutzung von Social Media haben als ein Dutzend junger Softwaregenies zusammen. IT-Bereiche, die es sich zur Aufgabe machen, alle Generationen mit sämtlichen Erfahrungen aktiv durchzumischen und zu fördern, können alles möglich machen. Festgefahrenes Denken in den Köpfen - sowohl der Mitarbeiter als auch der Führungskräfte - ist der größte Feind von Innovation und fruchtbarer Zusammenarbeit.
Fazit
Die Deloitte-Studie zu Millennials ist ein Weckruf und sollte alle Führungskräfte und Personalbereiche alarmieren, sich um die Auswahl von Führungskräften, die Förderung von Mitarbeitern und die Kooperation zwischen "Jung und Alt" zu kümmern. Wenn der IT-Bereich in der Personalpolitik nicht umdenkt, wird er die Abwanderungstendenz der Millennials mit voller Härte zu spüren bekommen. Denn diese Mitarbeiter haben genügend Optionen, auf dem weltweiten Arbeitsmarkt eine Betätigung zu finden, in der sie gefordert und gefördert werden.
Wenn Arbeitgeber ihre Hausaufgaben konsequent angehen, werden sie den "war for talents" nur aus den Medien kennen, weil ihnen die Bewerber gewiss sind. Wer jedoch versäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, wird erhebliche Probleme bekommen. Es ist nicht so schwer, wie es aussieht. Die Verantwortlichen müssen nur damit anfangen und dürfen nicht aufhören, ehe sie ihr Ziel erreicht haben. Genauso läuft man auch einen Marathon. Und um einen Marathon handelt es sich, wenn es um die Zukunft der Mitarbeiter der IT geht.