In den unzähligen Artikeln und Studien über die sogenannten Generationen Y und Z, die in den zurückliegenden Jahren erschienen sind, ging es im Kern um die Frage, ob die Kids nicht zu verwöhnt sind und zu selbstverliebt, um wie ihre Väter hart zu arbeiten und sich unterzuordnen.
Der Diskussionsband des Roman Herzog Instituts, das sich als eine Art ordnungspolitischer Think Tank für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland versteht, heißt "Die Generation von morgen" und will nicht einfach zum x-ten Mal in diese Kerbe schlagen.
Ihre Wünsche, Einstellungen und Bedürfnisse
Ziel der Publikation ist es stattdessen, die nach 1980 Geborenen, ihre Wünsche, Einstellungen und Bedürfnisse, aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven zu betrachten. Nämlich aus der von Betriebswirtinnen, Historikern, Soziologen und Psychologen.
Sie alle beschäftigen sich intensiv mit jenen Mythen, die wie ein altes Kaugummi an den Generationen Y (ab 1980 geboren) und Z (ab ca. 1995 geboren) kleben: schlaffer Aufstiegswille, mangelndes Interesse an Materiellem, Faulheit und Betonung der Freizeit, kommunikative Verarmung durch zu viel Facebook und eine geringe Anerkennung von Autorität(en).
Randolf Rodenstock appelliert an glaubwürdigen Führungsstil
Im Mittelpunkt der Beiträge stehen die 30- bis 35-jährigen, also der ältere Teil der Kohorte, wobei mehrere Autoren betonen, dass es eine klare Definition der Altersgrenze zwischen "Generationen" nicht gebe.
Das Eingangsstatement des Bandes stammt von Randolf Rodenstock, langjähriger Vorstand und heutiger Aufsichtsrat der gleichnamigen Optik-Firma.
Der Unternehmer stellt nicht grundsätzlich in Abrede, dass die Jungen zum Beispiel ein eigenes Verständnis von Autorität haben, beziehungsweise dass sie "Zuspruch, Aufmerksamkeit und Unterstützung im Arbeitsleben als selbstverständlich voraussetzen, weil sie es von ihrer eigenen Erziehung gewohnt sind." Ein Problem sieht er darin aber nicht. Im Gegenteil: Seiner Meinung nach können Unternehmen sogar profitieren, wenn sie sich auf die neue Mentalität einlassen.
Zitat: "Dass ein authentischer und glaubwürdiger Führungsstil, der die Mitarbeiter miteinbezieht und in einer Kultur des Vertrauens Widerspruch und Querdenken zulässt, das Betriebsklima verbessert, die Zufriedenheit aller Mitarbeiter steigert und die Produktivität erhöht, sind Erkenntnisse, die sich in den Chefetagen immer mehr durchsetzen. Diesen Prozess werden die jungen Generationen aktiv vorantreiben."
Hohes Sicherheitsbedürfnis
Was auch daran liegt, dass sie die "Generation der Wenigen" und sich der daraus resultierenden Macht voll bewusst sind. Entsprechend optimistisch blicken die um die 30-jährigen in ihre berufliche Zukunft, trotzdem haben sie ein hohes Sicherheitsbedürfnis, dieser Punkt wird von mehreren Autoren des Bandes betont.
Ursache dafür könnte sein, dass alle nach 1980 geborenen - subjektiv empfunden - in Zeiten drastischer politischer und wirtschaftlicher Veränderungen, Krisen und globaler Katastrophen aufwuchsen, während die Babyboomer ihre Adoleszenz im Kalten Krieg zwar als erstarrt, aber zugleich als verlässlich und sicher wahrnahmen.
Arbeitgeber vom Typ öffentlicher Dienst bevorzugt
Christian Scholz, BWL-Professor an der Universität des Saarlandes, beschäftigt sich im Gegensatz zu den anderen Autoren intensiv mit der Generation Z, also mit den heute maximal 17-jährigen, zu deren Wünschen und Befindlichkeiten er elf Thesen aufstellt. Nach Ansicht von Scholz unterscheidet sich diese Generation massiv von allen davor, schon weil sie die erste ist, die eine Welt ohne WLAN und Smartphone nicht kennt.
Darüber hinaus betone sie manche Präferenzen der Generation Y noch deutlicher. Scholz schreibt, die jüngeren bestünden auf einer klaren Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre. Sie verlangten nach klaren Regeln zur Arbeitsgestaltung, weshalb sie Arbeitgeber vom Typ öffentlicher Dienst bevorzugten.
Die Anspruchshaltung irritiert
Für die Generation Z seien feste Arbeitszeiten eine ideale Lösung, um ihre Freizeit nach Feierabend planen zu können. Und: "Es ist ein Mythos, dass die Generation Z always on, also immer betriebsbereit sei. … Dennoch versteht sie Arbeitszeit als Lebenszeit, in der sie sich wohlfühlen will. Deshalb richtet sie ihren Arbeitsplatz als eine Art Zweitwohnung mit persönlichen Gegenständen ein."
Diese Generation verabschiede sich endgültig vom Arbeitsalltag als Hamsterrad. Während sich die Generation Y einen flexiblen Übergang zwischen Arbeit und Privatleben wünschte, möchte die Generation danach beides strikt voneinander trennen.
Wenig Loyalität und Fairness gegenüber dem Arbeitgeber
Außerdem, schreibt BWL-Professor Scholz, wollten die Jungen zwar gefragt werden und mitentscheiden, aber keine Mitverantwortung übernehmen. Außerdem fühlten sie sich kaum an Unternehmen gebunden. "Loyalität und Fairness dem Arbeitgeber gegenüber sind keine Attribute dieser jungen Generation", Loyalität Freunden und der Familie gegenüber aber schon.
Jede Generation schreibt ihr eigenes Kapitel
Am brisantesten ist Scholz´ elfte und letzte These: "Die Generation Z lernt aus den Medien, dass sie den demografischen Vorteil auf ihrer Seite hat. Daraus folgert sie, dass Arbeitgeber sich auf ihre Wünsche einzustellen haben. Unternehmen sind bereits jetzt irritiert über die Anspruchshaltung der Generation Z."
So weit, so ernüchternd, zumal gerade Anspruchshaltung und mangelnde Loyalität mehrfach im Diskussionsband des Roman Herzog Instituts thematisiert werden.
Bild der "vollkommen anderen" Generation kaum haltbar
Zum Glück rückt Michael Zibrowius, Economist am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, die ganze etwas klischeehafte Generationenbetrachtung am Ende des Bandes zurecht.
Der jüngste der Autoren sagt, dass das in den Feuilletons häufig gezeichnete Bild der "vollkommen anderen" Generation empirisch kaum haltbar ist. "Ein statistisch signifikanter und ökonomisch relevanter Unterschied, der einzig auf die Zugehörigkeit zu einer anderen Geburtenkohorte zurückzuführen ist, lässt sich nicht belegen."
Stattdessen seien die Unterschiede der Arbeitswelten, der Arbeitszeiten und der Zufriedenheit eher auf Faktoren zurückzuführen, die zwar mit bestimmten Generationen korrelierten, aber nicht kausal mit ihnen zusammenhingen. So hätten heute mehr Menschen einen höheren Bildungsabschluss, außerdem sei die Frauenerwerbstätigkeit höher als früher.
Work-Life-Balance stammt aus den 1950ern
Am Ende seines Beitrags fragt Michael Zibrowius: "Was also bleibt festzuhalten mit Blick auf die Generation von morgen? Es sind die großen Themen wie Digitalisierung, Fachkräfteengpässe, demografischer Wandel und Zuwanderung, welche die Generationen von morgen begleiten und formen werden. Sie stecken den Rahmen ab, in dem sich diese Generation bewegt. Je nachdem, wie sich die sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen entwickeln werden, wird die Generation von morgen ihr ganz eigenes Kapitel schreiben und sich entsprechend von ihren Vorgängern abheben."
Wie ihre Urgroßeltern
Oder auch nicht. Denn einiges, vor allem was über die Generation Z, also die etwa 20-jährigen, geschrieben wurde, erinnert doch sehr an die Generation ihrer Urgroßeltern. Die Sehnsucht nach festen Arbeitszeiten und einer strikten Trennung zwischen Arbeit und Freizeit sind Kinder der 50er Jahre, genauer gesagt begann die Gewerkschaftskampagne für die 5-Tage-Woche ("Samstags gehört Vati mir") 1956. Und auch die Sehnsucht nach einer Lebensstellung auf dem Amt war (gerade) in dieser Zeit weit verbreitet.