Wieland Holfelder leitet seit 2008 das Münchner Google-Entwicklungszentrum. Nun ist das Unternehmen in die Nähe der Hackerbrücke umgezogen. Gut gelaunt führt der promovierte Informatiker durch die Kantine und das Café, zeigt den Gästen Terrasse, Fitness- und Massageräume. Der aus Sicht eines IT-Profis zweideutige Name "Hackerbridge" gefällt ihm besonders. "In unserem alten Büro im Alten Hof war es so eng wie in einem Wiesn-Zelt", erinnert er sich.
Google bekommt zwei Millionen Bewerbungen im Jahr
Während andere Firmen die Vorstellung schrecken dürfte, in den kommenden Jahren 400 Softwareentwickler einzustellen, bleibt der Google-Mann gelassen: "Wir zählen seit Jahren zu den beliebtesten Arbeitgebern und bekommen die Leute, die wir suchen." In der Zentrale in Kalifornien gehen mehr als zwei Millionen Bewerbungen pro Jahr ein. Zwar nennen die Kandidaten einen Wunscharbeitsort, doch wenn Google mit einem attraktiven Vertrag winkt, lehnen die wenigsten einen Umzug in eine andere Stadt ab. Im Münchner Büro arbeiten Softwareentwickler aus 30 Nationen zusammen.
Zum Video: Google bleibt Wunsch-Arbeitgeber der IT-Absolventen
Auch in diesem Jahr führt Google das Ranking der beliebtesten IT-Arbeitgeber mit 23,7 Prozent der Nennungen mit großem Abstand zu den Verfolgern BMW (9,1 Prozent) und Apple (8,6 Prozent) an. Auf dem vierten Platz liegt Microsoft, knapp dahinter belegt Blizzard Entertainment den fünften Rang. Verloren hat dagegen SAP. Die Walldorfer rutschten vom zweiten auf den fünften Platz ab. Auch Audi verschlechterte sich und fiel vom vierten auf den siebten Rang zurück. Dafür schob sich ein anderer Autobauer nach vorne: Der Daimler Konzern sprang von Rang zwölf auf neun und ist damit in den Top Ten.
Trendence befragte im Auftrag der COMPUTERWOCHE mehr als 5700 IT-Studenten, die kurz vor dem Abschluss stehen. Dass Google 4,1 Prozent einbüßte, führt Annekatrin Buhl von Trendence darauf zurück, dass mancher IT-Student enttäuscht ist, sich bei Google vergeblich beworben zu haben. Doch das könnte sich ändern. Nicht nur die Deutschland-Zentrale in Hamburg mit ihren 450 auf den Vertrieb konzentrierten Mitarbeitern will ihren Headcount mittelfristig verdoppeln, sondern auch das Münchner Entwicklungszentrum soll die Zahl der Softwareentwickler von 400 auf 800 ausbauen.
Software AG steigt in der Gunst der Bewerber
Auffällig: Die Software AG aus Darmstadt rückte von Platz 58 auf 32 vor und sicherte sich damit die bislang beste Position im Ranking. Offenbar ist es dem drittgrößten Softwarehaus in Deutschland gelungen, den IT-Nachwuchs auf sich aufmerksam zu machen. "Erfolg ist das beste Employer Branding", sagt Christine Schwab, Personalchefin der Software AG. Seit 2010 beschäftigt sich ihr Team intensiv mit Arbeitgeberattraktivität und analysiert, wie Kandidaten auf das Unternehmen aufmerksam werden und warum sie sich bewerben: "Die Begeisterung für Technik und unsere Produkte sind eine wichtige Motivation."
Enge Kontakte zu den Hochschulen in Darmstadt und der Region, Praktikumsplätze und die Möglichkeit, für die Abschlussarbeit mit dem Unternehmen zu kooperieren, nennt Schwab als weitere Gründe für die Beliebtheit. Auf Messen, die sich speziell an Absolventen richten, geht das Recruiter-Team dagegen selten: "Wir besuchen nur sehr selektiv Messen und wählen nur die aus, bei denen wir nicht in der Masse der Aussteller untergehen." Zum Stil des Unternehmens gehört auch, mit den Bewerbern unmissverständlich über die anstehenden Aufgaben zu sprechen. "Authentizität ist uns wichtig. Wir müssen im Alltag leben, was wir kommunizieren", sagt Schwab, die nichts von leeren Versprechungen hält. "Viele Firmen werben mit ihrem Freizeitangebot, in ihren Broschüren sieht man keine arbeitenden Menschen. Wir sagen den Bewerbern, dass sie bei uns auch arbeiten."
Außerdem fiebern viele der weltweit rund 4500 Mitarbeiter am Wochenende mit ihrem Verein Darmstadt 98 mit, der seit dieser Saison wieder in der Bundesliga Fußball spielt. Die Software AG ist einer der Hauptsponsoren, auch das sei eine gute Werbung. Das Unternehmen sucht aktiv in Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIn nach Mitarbeitern. "Social Media, etwa unser Facebook-Auftritt, ist wichtig für uns, auch wenn er für das Recruiting in Deutschland keine so große Rolle spielt", sagt Schwab. Dagegen sei Twitter nicht so relevant für die Personalarbeit.
Absolventen fordern hohe Gehälter
Die angehenden Informatiker, so zeigt die Studie auch, verlangen Jahr um Jahr mehr Geld. In der aktuellen Erhebung halten Männer ein Jahresgehalt von 47.700 Euro für angemessen, Frauen geben sich mit 3000 Euro weniger zufrieden. Doch Wunsch und Wirklichkeit liegen einige Tausend Euro auseinander. Im aktuellen Trendence-Barometer beziffern die befragten Informatiker ihr Einstiegsgehalt mit durchschnittlich 41.500 Euro. Doch den Absolventen geht es nicht nur um Geld. Immerhin geben knapp 65 Prozent der Befragten an, Abstriche beim Gehalt zu akzeptieren, wenn der Arbeitgeber zu ihnen passe.
Attraktive Aufgaben, eine wertschätzende Kultur und Chancen bei der persönlichen Entwicklung nennen die IT-Studenten als wichtigste Erwartungen. Auch guter Führungsstil und Kollegialität sind ihnen wichtig. Hinzu kommen die Work-Life-Balance, Weiterbildungsmöglichkeiten und gute Karriereperspektiven. "Sicherheit der Anstellung" nennen gar 86,5 Prozent als Kriterium. Das spiegelt sich auch im Ranking wider. Der öffentliche Dienst wirkt auf IT-Absolventen attraktiver als in den vergangenen Jahren, besonders Bundesnachrichtendienst und Bundeswehr haben aufgeholt. Auch Anwenderunternehmen werden interessanter. Dagegen zeigt eine Trendence-Befragung unter Wirtschaftswissenschaftlern einen gegenläufigen Trend: Viele dieser Absolventen wünschen sich einen Job in der IT-Branche.
Eine eigene Firma zu gründen, wird unter Informatikern zumindest als Gedankenspiel wieder beliebter. Jeder vierte Umfrageteilnehmer denkt darüber nach, sich noch während oder kurz nach dem Studium mit einem Startup selbständig zu machen. Tendenziell sind die potenziellen Gründer männlich, mobil und sprechen sehr gut Englisch, wie das Trendence-Team herausgefunden hat. Vor allem in der Startup-Hochburg Berlin gelten Firmengründungen als verlockend.
Die Fakten zur Trendence-Studie IT
An 69 Hochschulen in ganz Deutschland befragte das Trendence-Institut zwischen September 2015 und Februar 2016 im Auftrag der COMPUTERWOCHE mehr als 5700 IT-Studierende, die kurz vor dem Abschluss stehen. Gefragt wurde unter anderem nach Wunscharbeitgebern, Karriereplänen und Gehaltswünschen. 76 Prozent der Befragten streben einen Bachelor-Abschluss an, etwa 22 Prozent einen Master, und verschwindend wenige bereiten sich auf ein Diplom oder eine Promotion vor. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei knapp 24 Jahren.