CRM-Markt in Deutschland

Große Anbieter, großer Appetit

06.09.2004 von Holger Eriksdotter
Der deutsche CRM-Markt hat harte Zeiten hinter sich. Nach zwei Jahren des Rückgangs sind einige Marktgrößen auf der Strecke geblieben. Der ehemalige Primus Siebel hat seine Vormachtstellung an SAP verloren. Von insgesamt weit über 100 Anbietern machen nur fünf CRM-Spezialisten mehr als die Hälfte des Umsatzes unter sich aus.

CRM ist in den meisten Unternehmen kein Fremdwort mehr. Das professionelle, IT-gestützte Management der Kundenbeziehungen wird immer mehr vom "nice-to-have" zum unverzichtbaren strategischen Instrument. Dabei ist das professionelle Management von Kundenbindung und Kundenzufriedenheit nicht allein eine Frage der Software: "Wenn man eine CRM-Lösung einführt, muss man natürlich auch die Prozesse anpassen- sonst erreicht man nur eine Elektrifizierung des Ist-Zustandes", sagt Wolfgang Schwetz, Geschäftsführer der auf CRM spezialisierten Karlsruher Unternehmensberatung Schwetz Consulting. "Gleichwohl spielt die Auswahl der Software eine entscheidende Rolle."

Diese Auswahl fällt jedoch schwer, da der Anbietermarkt ständig in Bewegung ist. Sieben Anbieter von Lösungen für Kundenmanagemnent, die im Jahre 2000 noch auf der deutschen Top-15-Liste standen, sind heute nicht mehr dabei. Dazu gehören ehemals so bekannte Namen wie Applix, deren CRM-Sparte als iET-Solutions neu eingestiegen ist, Clarify, das im deutschsprachigen Raum seine führende Marktposition einbüßte, oder Team 4, die ehemalige Kabel-New-Media-Tochter, die sich nach Insolvenz der Muttergesellschaft mit einem Neustart als Systemintegrator zurückmeldete. Völlig verschwunden sind nach Insolvenzen S3 AG/eCN und TPS.

Trotz der Übernahmen, Insolvenzen und verfehlten Umsatzprognosen sehen die Marktbeobachter jetzt jedoch wieder Land am Horizont: "Nachdem der CRM-Markt in den letzten beiden Jahren stark rückgängig war, rechnen wir für dieses Jahr wieder mit einem leichten Anstieg", sagt Christian Glas, Berater bei Pierre Audoin Consultants (PAC).

Eindeutiger Gewinner ist SAP: Mehr als 30 Prozent des deutschen CRM-Neugeschäfts sind nach Einschätzung von PAC bereits in der Hand des Walldorfer Softwareriesen - mit steigender Tendenz (siehe Tabelle). Der ehemalige Marktführer Siebel liegt zwar weltweit nach Anzahl der installierten Systeme immer noch vorn (siehe Grafik), ist im Neukundengeschäft in Deutschland aber nach einem deutlichen Umsatzrückgang mit 17 Prozent Marktanteil inzwischen weit abgeschlagen auf Platz zwei gelandet. Beide zusammen bringen es auf nahezu 50 Prozent des deutschen CRM-Umsatzes. Auf den Plätzen folgen Oracle (3,3 Prozent), CAS-Software (2,6 Prozent) und Peoplesoft (2,1 Prozent).

Marktvolumen mehr als 500 Millionen Euro

Dabei handelt es sich um einen Markt in der Größenordnung von etwa fünf- bis sechshundert Millionen Euro - auch die Analysten sind sich hier nicht einig. Denn es spielen nicht nur Definitions- und Abgrenzungsprobleme zwischen den Disziplinen "Analytisches", "Operatives" und "Collaboratives" Kundenmanagement (siehe Tabelle) eine Rolle. Auch Fragen wie: Wo endet das Kontakt-Management, wo beginnt CRM? - Wo verlaufen die Grenzen zwischen Business Intelligence und analytischem CRM? gehen in die Einschätzung des Marktvolumens ein. Hinzu kommt, dass viele Anbieter keine regionalen Umsatzzahlen veröffentlichen und auch die Auguren auf Schätzungen angewiesen sind.

Aus Anwendersicht stellen sich indes andere Fragen: Die unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Anbieter auf Vertriebs-, Marketing- und Serviceunterstützung machen die Produkte nur schwer vergleichbar. Zudem eignen sich nicht alle CRM-Systeme gleich gut für verschiedene Unternehmensgrößen: Während die meisten der Top-15-Anbieter Unternehmen vom gehobenen Mittelstand bis zum internationalen Konzern adressieren, sind die Lösungen von Cegedim, Cursor, Saratoga oder update auch für mittlere Unternehmensgrößen geeignet. Auf der anderen Seite ist die Lösung von FJH ausschließlich auf internationale Großunternehmen beschränkt.

Berater Schwetz teilt die Anbieter für Operatives CRM in folgende Kategorien ein:

- Globale High-End-Produktanbieter, die mit anpassbaren Standardlösungen für Unternehmen aller Branchen und Größen alle wesentlichen CRM-Funktionen für internationale Märkte abdecken.

- Branchenorientierte Nischenanbieter mit vertikalen Standardlösungen für spezielle Marktsegmente mit ähnlichen Geschäftsprozessen in Vertrieb, Marketing und Service. Für diese Branchen bieten sie alle erforderlichen Funktionen oder gewährleisten eine nahtlose Integration in ein Gesamtsystem.

- Funktionale Nischenanbieter, die sich auf einen der Bereiche Marketing, Vertrieb oder Service oder sogar nur auf einen Teilbereich beschränken, zum Beispiel auf die Angebotskonfiguration im Vertriebsbereich oder Call-Center-Lösungen. Diese Komponenten sind in der Regel branchenunabhängig.

- Globale Low-End-Produkthersteller, die einfache Kontaktmanagementsoftware für Einzelplatzlösungen oder kleine Netzwerke anbieten.

- Anbieter von Individualsoftware, die für jeden Kunden eine spezifische CRM-Lösung entwickeln.

Anbieter schwer zu klassifizieren

Die in der Schwetz-Studie "Top 15 CRM-Anbieter Deutschland 2003" bewerteten Marktführer für den gehobenen Mittelstand und Konzerne entstammen ausschließlich den beiden Kategorien der globalen High-End-Anbieter und der branchenorientierten Nischenanbieter. In die Erstere fallen die Unternehmen SAP, Siebel, Oracle, Peoplesoft, Pivotal, Saratoga, iET-Solutions und update-Software; zu den Branchenspezialisten zählen CAS (Konsumgüter), Cegedim (Pharmaindustrie), Cursor-Software (Energieversorgung), FJH (Versicherung / Finanzdienstleistung), Regware (Pharmaindustrie), S1 (Banken/Finanzdienstleistungen) und Unicare (Banken).

Dabei ist es nicht immer leicht, sich für einen Generalisten oder für einen Branchenexperten zu entscheiden. "Es gibt nicht das beste CRM-System am Markt, sondern nur das, das am besten auf die speziellen Anforderungen eines Unternehmens passt", sagt Kundenmanagement-Spezialist Schwetz. Nach einer Befragung der Meta Group unter CRM-Anwendern nach Tipps für CRM-Anfänger (siehe Tabelle) lauteten die wichtigsten Empfehlungen, eine genaue Strategie- und Zieldefinition im Vorfeld festzulegen und die Geschäftsprozesse anzupassen.

Nach Einschätzung der Meta Group erfüllen keineswegs alle installierten CRM-Systeme die Erwartungen, mit denen die Anwender ins Projekt gestartet waren: Viele haben ihr Potenzial nicht ausgeschöpft. Die schlechte Einführung der Nutzer, mangelnder vorweisbarer RoI sowie rapide ansteigende Wartungs- und Support-Kosten stellten vor allem jene Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, die auf Kosten solider CRM-Geschäftsstrategien in die Technologie "überinvestiert" hätten.

Branchenlösungen haben laut Schwetz nicht nur die Vorteile, dass die Prozesse im Standard weitgehend passen und die branchenspezifische Funktionstiefe größer ist, sondern auch, dass kein Overhead für nicht benötigte Funktionen bezahlt werden muss. "Die Berater dieser Anbieter bringen in der Regel Branchenexpertise in das Projekt mit ein, was sich deutlich auf die Einführungszeit und Qualität der Lösung auswirkt. Zudem entsteht weniger Aufwand für Wartung und die Release-Wechsel, also geringere TCO", sagt Schwetz. Auch die Integration mit anderen, in der Branche üblichen Systemen verlaufe in der Regel reibungslos: "Sie kennen ihre Schnittstellen aus dem Effeff, weil sie das ja nicht zum ersten Mal machen." Nach seiner Auffassung steht das keinesfalls im Widerspruch zum Aufstieg des typischen Standardanbieters SAP: SAP ist auch deshalb so erfolgreich, weil es seine CRM-Lösungen in den unterschiedlichsten Branchenausprägungen anbietet."

Microsoft drängt in den Markt

Neben den Walldorfern macht sich ein anderer Software-Riese auf, den deutschen CRM-Markt aufzumischen. "Die Microsoft-CRM-Lösung taucht zwar noch nicht auf den ersten Rängen auf, aber sie wird die CRM-Landschaft gründlich verändern", vermutet Schwetz. Zwar weise die Lösung noch einige Schwächen und Kinderkrankheiten auf, aber es werde nicht lange dauern, bis sich der Softwaregigant unter den Top-Anbietern etabliert.

So wie SAP durch seine Dominanz im ERP-Bereich eine exzellente Ausgangsposition auch für CRM hat, ist Microsoft von kleinen Unternehmen bis hin zu großen Mittelständlern mit seiner installierten Basis an Betriebssystemen flächendeckend vertreten. "Für CRM-Anbieter, die nur in Nischen oder regional vertreten sind, könnte es durchaus eine Alternative sein, statt die Eigenentwicklungen weiterzutreiben, auf die Anpassung und Implementation der Microsoft-Lösung umzusteigen", glaubt Schwetz.

Es bleibt also spannend im CRM-Markt. Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft: Nach seriösen Schätzungen setzen in Deutschland zurzeit rund 25 000 Unternehmen eine CRM-Standardsoftware ein. Etwa die gleiche Zahl benutzt Eigenentwicklungen. Aber es sind mindestens 250 000 Unternehmen, die von ihrer Größe her sinnvoll eine CRM-Lösung einsetzen könnten. "Da klafft noch eine riesige Lücke", sagt CRM-Experte Schwetz.

Holger Eriksdotter [redaktion@cio.de]