Der elektronische Workflow in den Unternehmen läuft bei weitem nicht so zügig und reibungslos wie angenommen. Und das Papier ist ebenfalls noch nicht aus den Büros verschwunden. Schlimmer noch: In jeder fünften Firma werden die Stapel sogar immer höher – obwohl mobile Endgeräte papierlose Prozesse eigentlich erleichtern sollten. Dieser Befund stammt aus einer Studie der IT-Profi-Community AIIM, für die 560 Mitglieder befragt wurden. Obwohl die Studie eine Reihe von Vorzügen papierloser Prozesse – einen lohnenden Return On Investment (ROI) inklusive – proklamiert, scheitert die Umstellung häufig an internen Widerständen. Er kommt beispielsweise von der Rechtsabteilung, die klassische Unterschriften als unabdingbar einstuft. Top-Manager sind laut AIIM-Zahlen aber offener für papierlose Projekte als gedacht.
„Unsere Studie bestätigt, dass Unternehmen mit Hilfe papierloser Geschäftsprozesse von gesunkenen Kosten, verbessertem Kunden-Service und steigender Mitarbeiter-Produktivität profitieren", fasst AIIM-Präsident John Mancini zusammen. Zwar setzten immer mehr Firmen auf mobile Technologien für ihre verstreut tätige Belegschaft, was papierloses Arbeiten fraglos befördere. Allerdings habe nur jedes vierte Unternehmen Richtlinien implementiert, die Papier aus den Büros verbannen sollen. Mancini diagnostiziert eine Scheu beim Einsatz elektronischer Unterschriften und Dokumente: „Und das, obwohl sie vor Gericht bei rechtlichen Auseinandersetzungen und Audit-Nachweisen hundertprozentig anerkannt werden."
Digitalisierung fördert Compliance
Wie Studienautor Doug Miles herausarbeitet, müsste genau diese bremsende Sorge eigentlich ein Hauptargument für das papierlose Büro sein. „Überraschenderweise nannten die von uns Befragten als größten Vorteil nicht Produktivitätsgewinne, sondere bessere Ergebnisse bei Compliance und Audit-Nachweisen", schreibt Miles in seiner Studie. Etwa die Hälfte der Anwender gaben dies als einen drei positivsten Effekte von papierlosen Projekten an.
Genauso viele führten schnellere Antworten auf Kundenanfragen an. Jeweils zwei Fünftel nannten ein besseres Monitoring von Status und Workloads sowie Einsparmöglichkeiten beim Personal. Als Vorteile werden ferner die Minimierung von Fehlern sowie eine höhere Visibilität auf User-Seite genannt.
Schnelle Amortisierung
Amortisiert haben sich Investitionen in die Papierlosigkeit laut Studie durchschnittlich innerhalb von 12 bis 18 Monaten. Ein Fünftel der Befragten berichtete sogar, dass sich ihre Projekte innerhalb eines halben Jahres ausgezahlt hätten. 29 Prozent gaben einen Zeitraum von etwa einem Jahr an, bei 15 Prozent dauerte es rund anderthalb Jahre.
Neben der Definition klarer Prozesse und der Umorientierung beziehungsweise Schulung der Mitarbeiter ist die Integration mit anderen Systemen die größte Hürde bei solchen Projekten. Jeweils zwei Fünftel sagten das laut AIIM-Studie. „Technisch ist die Integration mit anderen Systemen die größte Herausforderung – insbesondere mit Transaktions-Systemen wie Enterprise Ressource Planning (ERP)", urteilt Miles.
Der Experte rät, das Problem mit Hilfe ausgereifter Erfassungslösungen oder Systeme für Enterprise Content Management (ECM) zu lösen. Weil in diese Tools zumeist eine standardmäßige Integration mit verbreiteten ERP- und Finance-Systemen eingebaut sei, sei dieser Weg zielführender als die Entwicklungen eigener Lösungen. Change-Management wird nach Einschätzung von Miles auch künftig ein entscheidender Aspekt bleiben.
Überzeugungsarbeit bleibt laut Studie ebenfalls wichtig, um Widerstände vor allem der Rechtsabteilung, aber auch aus dem Finance-Bereich zu überwinden. Die IT-Abteilung zählt fast durchweg zu den wichtigsten Befürwortern der Papierlosigkeit; aber auch fast drei Viertel der C-Level-Manager unterstützen dahin zielende Initiativen.
Abgesehen von den rechtlichen Bedenken mindern auch die langjährige Gewöhnung vieler Mitarbeiter ans Papier sowie Sorgen vor unflexiblen Prozessen und zu hohen Investitionskosten für Scanning und Dokumentenerfassung die Begeisterung für Papierlos-Projekte. Demgegenüber stehen eine Handvoll Treiber: Zeitersparnis bei Eingabeprozessen sowie der Suche nach Aufzeichnungen und Dokumenten, niedrigere Kosten durch einen geringeren Verbrauch an Papier, größere Transparenz über Arbeitsfortschritte; außerdem sollen Daten nicht einfach so verloren gehen, weil die entsprechenden Papiere unauffindbar sind.
Alles in allem gelingt es laut Studie zwei Fünftel der Firmen, ihren Papierverbrauch zu senken. In drei Viertel der befragten Unternehmen laufen aktuell Projekte, die von Papierlosigkeit profitieren könnten. AIIM geht davon aus, dass die Reaktionszeit auf Anfragen von Kunden und Mitarbeiter ohne Papier in etwa vervierfacht werden könnte; die Produktivität lasse sich um rund 30 Prozent steigern.
14 Prozent haben digitalen Mailroom
Mit digitalen Mailrooms arbeiten in Europa inzwischen 14 Prozent der Firmen, wie die Studie zeigt. Das heißt, dass elektronische und schriftliche Post mit Hilfe von Scanning- und Capture-Technologien automatisch in gleichen Prozessen gemanagt werden. Verbreiterter sind jedoch immer noch Prozesse, in denen Dokumente und PDFs ausgedruckt und anschließend für die Erfassung gescannt werden. „Die Ausweitung der Erfassung auf mobile Endgeräte ermöglicht eine engere Kopplung an die Workflows im Back Office", heißt es in der Studie. „Trotzdem bewegen sich die Prozesse nur langsam in Richtung Papierlosigkeit."
Die von einer ganzen Reihe von IT-Anbietern wie IBM oder Iron Mountain gesponserte AIIM-Studie streicht also mit Nachdruck die Schokoladenseite der Papierlosigkeit heraus, bemängelt aber ebenso deutlich das ausbaufähige Fortschrittstempo. In Deutschland gilt das vermutlich noch mehr als anderswo. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Papierfabriken jedenfalls ist der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Papier hierzulande seit 2007 um lediglich neun Kilogramm auf 244 Kilogramm im Jahr 2012 gesunken.