Mehr Aussteller hat die CeBIT mit der Verkürzung auf fünf Tage und kongresslastigem Lösungsversprechen nicht angelockt. Dafür aber mit Green IT ein Thema vorgegeben, mit dem sich fast alle Anbieter gerne identifizieren. Die Notwendigkeit von Green IT wird in der Regel damit begründet, dass Unternehmens-IT mit zwei Prozent welt-weit genau so viel Energie verbraucht wie die Luftfahrt. Weniger bekannt ist, dass ein Avatar in Second Life genauso viel Energie verbraucht wie der Mensch, der ihn lenkt.
Die Nachfrage nach Green-IT ist angesichts steigender Strompreise gesichert. "Schon jetzt", so IBM-Manager Ingolf Wittmann, "hat einer unserer Großkunden seine komplette IT-Ausstattung erneuert, um künftig weniger Stromkosten zahlen zu müssen." Ein gutes Geschäft.
Insofern verwundert es nicht, dass fast alle wichtigen Hersteller und IT-Dienstleister beim neuen "strategischen" CeBIT-Partner Climate Savers Computing aktiv sind. In Halle 9 wird es ein Green Village mit einem Fachkongress geben. Dort ist zudem das effiziente und ökologische Rechenzentrum der Zukunft zu besichtigen. Ein Green-IT-Guide soll zudem die Messebesucher zu allen anderen ökologisch-nachhaltigen Angeboten auf dem Messegelände führen.
"Wir freuen uns, dass die CeBIT "Green IT" als Motto gewählt hat - wir reden darüber seit der Einführung des T1-UltraSparc-Prozessors im Dezember 2005", erinnert Suns (Halle 2, B33) neuer Deutschlandchef Thomas Schröder. Auf der Messe gibt es den Nachfolgeprozessor T2 und die dazugehörige Server-Familie zu sehen. Der Rechnerhersteller präsentiert zudem, wie schon im vergangenen Jahr, Virtualisierung sowohl für Server als auch für Speichersysteme. Diese Technik gilt zu Recht als Königsweg für die Optimierung des Energieverbrauchs.
Durch das Anfüllen von Servern und Racks mit virtuellen Maschinen lassen sich erstmals auch auf Intel/AMD- und Unix-Architekturen Rechnerauslastungen erzielen, bei denen die Systeme nicht mehr als die Hälfte der Zeit arbeitslos Energie verbrauchen. Außerdem lassen sich damit Aufgaben auf wenigen Rechnern konsolidieren und überflüssiges Gerät abschalten. Wichtig für eine derartige Rechenzentrumsoptimierung sind Management-Werkzeuge wie Suns kürzlich vorgestelltes xVM Ops Center, mit dem sich bald - vielleicht schon in Hannover - reale und virtuelle Umgebungen verwalten lassen.
Heiß diskutierte MySQL-Übernahme
Auf Desktop-Ebene partnert Sun mit VMware. Außerdem setzt Sun damit seine Positionierung als Open-Source-Company fort, weil hier die freie Virtualisierungstechnik Xen erstmals eine System-Management-Struktur für große Rechenzentren erhält. Heiß diskutiert wird wohl auch die Übernahmen des Open-Source-Datenbankers MySQL, der eigentlich nicht nach Hannover kommen wollte, jetzt aber vermutlich zumindest einen Stuhl auf dem Sun-Stand bekommt.
Auch Intel (Pavillon P33) und AMD (Freigelände) setzen seit Jahren auf Strom sparende Prozessoren, werden aber wohl wieder ihr Wettrennen auf der CeBIT über Multimedia-Features und Leistungsrekorde austragen. Intel hat angekündigt, den Energieverbrauch seiner Moorestown-Plattform für mobile Geräte auf ein Zehntel zu drücken. Außerdem zeigt sich das Unternehmen als Lieferant für die Automobilindustrie und das Gesundheitswesen. Ansonsten präsentiert Intel seine 45-nm-Produktreihe vom verbrauchsarmen Silverthorne (System-on-a-Chip) bis zum High-Performance-Prozessor Larrabe.
Fujitsu Siemens Computers (FSC) gibt sich bodenständig. Im Public Sector Parc der CeBIT 2008 in Halle 9 zeigt das Unternehmen Lösungen für öffentliche Auftraggeber (E-Signatur, Gesundheitswesen), aber auch für Green IT. In der Tat erhoffen sich die Industrie und die Marktbeobachter von Gartner, dass der Staat mit Regelungen und Investitionen dieses Marktsegment zum Abheben bringt. Viele seiner grünen Produkte zeigt FSC aber auch auf dem Intel-Stand im Pavillon 33, etwa den energieeffizienten Esprimo-PC, oder neue Primergy-Server vom Energie sparenden TX120-Tower über den zuverlässigen RX300-S4-Rackserver bis zum Blade-Server BX600 und dem "Dynamic Data Center in the Box", dem BladeFrame-BF400-System.
Offiziell nicht auf der CeBIT ist Hewlett-Packard, gibt aber dem Vernehmen nach in den Trelement genannten Bürocontainern auf dem Dach von Halle 1 Auskunft darüber, wie man mit dem ITIL-basierten Konzept der IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen nicht nur den RZ-Betrieb automatisieren, sondern auch den Stromverbrauch optimieren kann. Und auch auf der rein technischen Seite will HP den Energieverbrauch seiner Server bis 2010 halbieren und den der Drucker um ein Drittel. Unabhängig von Green IT wird HP zudem für sein modernisiertes Utility-Service-Konzept und sein Neoview-Data-Warehouse werben.
Am umfassendsten dürfte die Präsentation von IBM (Halle 2, A10 und Halle 9) sein. Zwar konzentriert sich deren Big-Green-Projekt auf das Rechenzentrum. Aber in Hannover reicht das Ideenspektrum von der gleichzeitigen Einspeisung unterschiedlicher Energieformen über die bauliche Gestaltung von Rechenzentren über Prozessoptimierung bis hin zur Konsolidierung der Server und zu Angeboten Strom sparender Rechner, Racks, Speicher und CPUs. Dazu gehört auch das Modell eines emissionsfreien, energieoptimierten und skalierbaren Rechenzentrums, das auf einem intelligenten Energie- und Kühlkreislauf beruht.
Top-Thema Virtualisierung
Doch IBM wäre nicht Big Blue, wenn es auf rund 90 Demopunkten nicht die gesamte Breite der IT abdecken würde. Web-2.0-Collaboration für Unternehmen gehören ebenso dazu wie Daten-Management, Security, Service-orientierte Architekturen (SOA) und die wieder zur Green IT passenden IT-Optimierungen mithilfe von Virtualisierungstechniken.
"Allein durch Virtualisierung kann man in europäischen Rechenzentren je nach Größe jährlich zwischen 0,5 und 5,3 Millionen US-Dollar an Energiekosten sparen und gleichzeitig bis zu 33 Tonnen CO2 weniger ausstoßen", fasst Toennies von Donop, Geschäftsführer System Integration & Technology bei Accenture, zusammen. Die zentrale Rolle für die Optimierung der IT lässt sich auch daran ablesen, dass IT-Lösungsanbieter Magirus gemeinsam mit der Messe in Halle 2 (A30) ein Virtualisierungs-Forum eingerichtet hat. Neben Spezialisten wie VMware und Platespin zeigen dort Firmen wie MySoft, der System-Management-Spezialist Avocent, die Speicheranbieter DataCore und FalconSor sowie der eben von Oracle gekaufte Integrationsanbieter BEA Systems ihre einschlägigen Lösungen. Letzterer stellt seine Fortschritte bei der Java-Virtualisierung und bei Optimierungen des Hypervisors vor. Außerdem zeigt das Unternehmen die Verbindungen zum Aufbau einer Service-orientierten Infrastruktur (SOI) auf.
Auffällig ist, dass im Vergleich zu früheren Jahren die Speicherhersteller in Hannover unterrepräsentiert sind. Hitachi Data Systems (Halle 2, Stand A20) und Iomega sind klaglos von Halle 1 in Halle 2 umgezogen. Während sich HDS über das neue Messekonzept freut und sich als öko-freundlicher Anbieter von Services Oriented Storage Solutions (SOSS) präsentiert, gab Netapps vor, in der neuen Halle kein passendes Storage-Umfeld mehr zu finden, und sagte zugunsten eigener Veranstaltungen ab. EMC hat ebenfalls keinen eigenen Stand mehr, ist aber mit seiner Tochter VMware im Virtualisierungs-Forum präsent sowie als Storage-Partner bei Fujitsu-Siemens in Halle 9.
Anbieter grüner Software
Softwerker tun sich mit Green-IT-Argumenten etwas schwerer als Anbieter von Techniken, die man an die Steckdose anschließen muss. Dennoch sind es gerade systemnahe Programme wie Betriebssysteme und Datenbanken, die bestimmen, wie intensiv Rechner, Speicher und Netzkomponenten belastet werden. Umgekehrt liefert Virtualisierung ein Beispiel dafür, wie sehr Software helfen kann, Energie zu sparen.
Insofern nimmt es nicht wunder, dass SOA und Business Process Management (BPM) unter Einschluss möglicher Green-IT-Effekte zu den zentralen Themen der Messe gehören, die in Halle 4 zur SOA-BPM-World gebündelt werden. Zu den Vorzeigeunternehmen in diesem Bereich gehören auf der CeBIT neben IBM (Halle 2) die Software AG (Halle 4, A12) und BEA. Auch Microsoft (Halle 4 A26) und SAP (Halle 4) präsentieren ihre SOA-Lösungen.
Selbst ERP-Anbieter werben auf der CeBIT mit Green IT. So zeigt SAP eine Emissions-Management-Lösung, mit der Unternehmen ihre Abgasvorschriften einhalten können. Ansonsten umwerben die ERP-Anbieter erneut mittelständische Kunden. Die Walldorfer tun das mit ihrer im Herbst vorgestellten On-Demand-Software Business by Design. Microsoft adressiert Kleinunternehmen und bietet seit Kurzem Dynamics Entrepreneur für knapp 900 Euro an. Damit greift Microsoft Sage-Bäurer an, den Marktführer in diesem Segment. Der wiederum steigt mit Bäurer in die Mittelstands-Oberliga auf und hat sich mit Collax den Anbieter eines aus Open-Source-Produkten zusammengestellten Server-Appliances auf den Stand (H5, B16) geholt.
In Halle 5 treffen sich auch fast alle anderen namhaften ERP-Anbieter von Abas, Bison und GUS bis SoftM und Wilken. Infor allerdings fehlt, und Oracles Angebot (J.D. Edwards etc.) ist auf dem Stand der Anwendervereinigung DOAG zu finden.
Wie immer versammelt sich in Halle 3 die Business-Intelligence-Zunft. Die rund 30 Aussteller werden viel darüber diskutieren, wie sich der Verlust der Selbstständigkeit der wichtigsten Anbieter von Performance-Management auswirken wird. Die Kollegen von Cognos und Business Objects kann man direkt fragen. Oracles Hyperion hat es nicht nach Hannover geschafft. Als einer den letzten noch selbstständigen BI-Komplettanbieter widmet sich SAS Institute auf der CeBIT zweierlei Themen: einem strategisch-analytischen Verfahren zur Vereinheitlichung von BI-Konzepten und Green IT. So zeigt das Unternehmen, wie sich mit BI Server-Farmen besser auslasten lassen.
Sicherheit für mobile Systeme
Etabliert haben sich auch die im vergangenen Jahr erstmals in Halle 3 zusammengefassten Anbieter von Enterprise Content Management (ECM). Anbieter Opentext weist darauf hin, dass es zu den wirtschaftlichen ECM-Regeln gehört, für Inhalte das jeweils für den Verwendungszweck sinnvollste, aber auch ressourcensparendste Speichermedium zu wählen.
Wenig mit Green IT zu tun hat die Security-Gemeinde in Halle 6, die nach wie vor darunter leidet, dass Marktführer Symantec nicht mehr kommt. In diesem Jahr widmet sich die Branche intensiv der Einbindung mobiler Systeme, zu denen zunehmend nicht nur Handys und MP3-Player gehören, sondern auch Autos (Halle 14 und 15). Auch British Telecom (NordLB Forum) widmet sich als Teil der leicht unterrepräsentierten TK-Industrie mobilen Mitarbeitern in Form eines Mobile-Workforce-Managements. Außerdem tut BT mit einer rund 300.000 Euro teuren Videokonferenzlösung etwas dafür, dass deren Käufer zugunsten der Umwelt nicht mehr so viel durch die Welt jetten.