Bis zu 5000 Tickets - Störungen sowie Service-Requests - muss der Helpdesk der Heidelberger Druckmaschinen AG jeden Monat lösen. Nach einer Neuausschreibung mit dem Ziel, gleiche Leistungen zu geringeren Kosten zu erzielen, wechselte der Konzern Anfang 2010 den Outsourcing-Provider. T-Systems China, zuvor nur für asiatische Support-Anfragen bei Heidelberger zuständig, übernahm komplett. In knapp drei Monaten ging der Umzug bis Mai 2010 über die Bühne.
CIO.de: Outsourcing nach China klingt auch 2010 noch reichlich exotisch. Warum haben Sie keinen Zwischenschritt in Osteuropa oder Indien eingelegt?
Hutchings: Unser asiatischer Helpdesk wird seit 2007 aus China erbracht. Daher haben wir den dortigen Provider in die Neuausschreibung für unseren globalen Helpdesk einbezogen. Das Resultat: Seit Anfang Juni rufen alle Heidelberger-Mitarbeiter in Peking an, wenn sie IT-Support brauchen.
Können chinesische Agenten tatsächlich Muttersprachler ersetzen?
Die Kollegen in China sprechen Englisch und teils Deutsch. Keine Frage, die Sprache ist ein wichtiges, um nicht zu sagen das Thema. Wir sehen das am Feedback und in der gestiegenen durchschnittlichen Anrufdauer. Aber das gilt auch für andere Offshore-Regionen.
Und fachlich?
Helpdesk-Mitarbeiter sind nicht beliebig austauschbar - weder hier noch dort. Unser Support läuft mit rund 80 Prozent dediziertem Personal, bildet also ein kundenspezifisches Team. Dieses hat die individuellen Technologien zu berücksichtigen. Natürlich fällt die Orientierung über alle IT-Gruppen wegen der hohen Outsourcing-Quote und der rund 250 Standorte schwer. Nach der Anlaufphase ist dies aber bekannt.
IT-Philosophie - Helpdesk in China |
Eine weite Reise braucht gute Vorbereitung. Die Heidelberger-IT ist seit Jahren global und nach Services aufgestellt, selektives Outsourcing – wenn es sich erwiesenermaßen rechnet – ist Teil der IT-Philosophie; der Helpdesk wurde erstmals vor zehn Jahren ausgelagert und wird über Service-Level gesteuert. Erfolgsfaktoren für Offshoring: 1. Umfassende Outsourcing-Erfahrung (intern) 2. Objektive Ausschreibung (über Service-Level) 3. Blick hinter die Kulissen (trotz Service-Level) 4. Professionelles Management der Migration (intern) 5. Gleiche Wellenlänge der Partner |
Wie haben Sie die Entscheidung intern verkauft?
Wir haben nicht versucht, jeden Mitarbeiter persönlich zu überzeugen. Der Beschluss wurde auf Vorstandsebene getroffen, und die Botschaft war eindeutig: gleiche Servicequalität, erweiterte Servicezeiten plus deutlich geringere Kosten.
Ist das nachvollziehbar kalkuliert oder wurde es schöngerechnet?
Vorbehalte gegen China haben wir natürlich erwartet, daher waren objektive Entscheidungskriterien Pflicht. Das Projekt wurde auf Service-Level-Basis ausgeschrieben, die Qualitätssteuerung erfolgt über klassische Kriterien wie Erreichbarkeit, Direktlösequote, Gesamtlösungsrate und Anwenderzufriedenheit. Gemessen wird über die Call-Software, das Ticket-System und automatisierte Sharepoint-Umfragen. Insofern handelt es sich um einen normalen Helpdesk, allerdings zu deutlich reduzierten Kosten. Aber ich muss zugeben, dass im Vorfeld kaum jemand auf unseren Erfolg gewettet hätte.
Wie zufrieden sind denn Ihre IT-Anwender mit dem neuen Support?
Das System ist erst seit rund vier Monaten produktiv. Die Migration war zeitlich ambitioniert und erfolgreich, es gab keine Katastrophe, alles funktioniert. Aber wir kamen aus einem eingeschwungenen Zustand. Der alte Dienstleister war mit unseren Anforderungen vertraut. Derzeit läuft also die Verbesserungsphase, aber das ist normal für einen Provider-Wechsel.
Sie würden den Schritt nach China demnach weiterempfehlen?
Nicht vorbehaltlos. Das Projekt ist kein Selbstläufer, Sie müssen immer am Ball bleiben und brauchen outsourcing-erfahrene Manager. Wir haben unseren Helpdesk-Service vor Jahren erst standardisiert, dann konsolidiert, erneut ausgebaut, dann ausgelagert, regional erweitert, zwischendurch einmal den Provider gewechselt und zudem erste Offshoring-Erfahrungen gesammelt. So konnten wir nun auf Knopfdruck rund 500 Wissensdokumente an den neuen Partner übergeben. Anders ist eine schnelle Migration kaum zu schaffen.
Der aktuelle Dienstleister ist T-Systems China, das klingt nach einem west-östlichen Kompromiss.
Wenn überhaupt, dann ist es ein guter Kompromiss. Die Zusammenarbeit verläuft unbürokratisch, mit einer relativ autarken Führung in Peking und engagierten Mitarbeitern. Diese „mittelständische“ Einstellung wirkt sich positiv auf unsere Partnerschaft aus.
Profil von Howard Hutchings
Seit April 2010 ist Howard Hutchings CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG. Er kam 1988 im Zuge einer Übernahme in den Konzern. Der Informatiker wechselte in der Folge nach Deutschland und war in leitender Position unter anderem für die Weiterentwicklung der weltweiten IT-Infrastruktur sowie für den Aufbau der Internet-Services zuständig. Hutchings ist Nachfolger von Michael Neff, der im Juli an die IT-Spitze des Energiekonzerns RWE gewechselt ist. |