Mit der Arbeit zuhause ist es so ähnlich wie mit der Energiewende oder der Eurorettung: Wer fünf Menschen befragt, bekommt acht verschiedene Meinungen zu hören. Eigentlich liegen die Vorteile klar auf dem Tisch: Kein Im-Stau-stehen, freie Zeiteinteilung, null Dresscode.
Telearbeit war eine der großen Verheißungen zu Beginn des Internetzeitalters, sollte statt genormten Schreibtischtätern hippe Kreative hervorbringen, die sich exakt so verwirklichen, wie es ihrem Rhythmus entspricht.
Im Jahre 2010 stellte eine Studie der Universität von Wisconsin-Milwaukee fest, dass Telearbeiter glücklicher sind als Büroarbeiter. Sie hätten weniger Stress und genössen die freie Zeiteinteilung, und auf nervige Meetings und noch nervigere Kollegen könnten sie sowieso verzichten.
Wenn dem so ist, dann stellt sich allerdings die Frage, warum der Anteil der Heimarbeiter seit dem Jahr 2000 kaum gestiegen ist. Er liegt in den USA noch immer bei 17 Prozent, insgesamt arbeiten etwa 24 Prozent der Amerikaner ganz oder zeitweise daheim. In anderen Ländern sieht es nicht besser aus.
"Angestellte brauchen die Peitsche"
Hinderlich dürfte - auch hierzulande - der Widerstand von Vorgesetzten und neidischen Kollegen sein. Wie schrieb ein Forenteilnehmer des Online-Magazins Telepolis vor einigen Tagen: "Angestellte brauchen einfach die Peitsche. Die wenigen, die keine brauchen, kann man auch mal von zuhause arbeiten lassen. Und da die motiviert sind, machen die eben mehr als Dienst nach Vorschrift. Die anderen würden einfach nicht arbeiten."
Diese Einschätzung ist auch in den USA weit verbreitet. Die Autoren einer zweiten Studie zum Thema, die jetzt das US-Arbeitsministerium herausgab, schreiben, es könnte deutlich mehr Telearbeit geben, wenn das Vertrauen größer wäre.
Hinderlich sei vor allem die Sorge der Arbeitgeber, die Kontrolle über ihre Angestellten zu verlieren. Im Gegensatz dazu hätten empirische Untersuchungen gezeigt, das Telearbeit die Produktivität erhöht und Fehlzeiten reduziert.
Brisanter ist allerdings ein anderes Ergebnis der Untersuchung: Laut Befragungen von Angestellten arbeiten Telearbeiter pro Woche fünf bis sieben Stunden mehr als Angestellte, die nur im Büro sitzen.
Überstunden sind bei Heimarbeitern eher die Regel als die Ausnahme. Telearbeitsstunden scheinen vor allem dann geleistet zu werden, wenn der "normale" Job erledigt ist. Was nichts anderes bedeutet, als dass diese Arbeitsform keine Alternative, sondern eher die viel zitierte Extrameile ist.
Telearbeit sorgt daheim für Streit
Die alte Verheißung, dass Telearbeit die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit auflöst, ist in Erfüllung gegangen, schreiben die Forscher. Und das bedeutet, dass diese Angestellten auch dann dringende Jobs erledigen, wenn sie eigentlich Urlaub haben oder krank sind.
Interessant auch die Erkenntnis, dass nicht etwa Eltern mit Kleinkindern die Hauptnutzer von Heimarbeitsplätzen sind, sondern eher Führungskräfte, vermutlich weil es ihnen niemand verbietet.
Insgesamt ziehen die Soziologen, die die zitierte US-Untersuchung durchführten, ein ernüchtertes Fazit: Telearbeit ist ihrer Meinung nach vor allem eingeführt worden, um die Arbeitszeit zu verlängern.
Die mit Telearbeitsplätzen verbundenen Hoffnungen hätten sich dagegen nicht erfüllt. Statt dessen würden Konflikte zwischen Job und Familie angeheizt, weil Heimarbeiter immer unter dem Druck stünden, Arbeitszeiten auf Kosten der Freizeit zu verlängern.