Im Rahmen eines Joint Ventures wollen IBM und Maersk eine Blockchain-Plattform aufbauen, mit deren Hilfe Logistiker den weltweiten Schiffsfrachtverkehr effizienter abwickeln könnten. Sämtliche Prozesse der dahinter liegenden Supply Chain sowie alle Frachtdaten sollen in Echtzeit abrufbar sein. Über ein zentrales virtuelles Dashboard könnten die beteiligten Parteien - vom Hersteller über Exporteure und Impoteure, den beteiligten Transportdienstleistern bis hin zu den involvierten Behörden und Ämtern - Informationen und Dokumente einsehen, bearbeiten und weiterleiten.
Die neue Plattform könnte die herkömmlichen Frachtverwaltungssysteme ablösen, die auf veralteten Electronic-Data-Interchange- (EDI) und schlichten Papierlösungen beruhen, und damit für Einsparungen in Milliardenhöhe in der globalen Schiffslogistik sorgen, werben IBM und Maersk für ihr neues Gemeinschaftsunternehmen.
Die Kosten und die Komplexität der weltweiten Handelsströme wachsen IBM zufolge weiter. Güter im Wert von über vier Billionen Dollar würden jährlich verschifft. 80 Prozent aller Güter, die täglich konsumiert werden, kämen über das Meer. Der Aufwand für die erforderlichen Dokumente zur Abwicklung des Handels erreichen IBM zufolge für viele Güter rund ein Fünftel der tatsächlichen physischen Transportkosten. Vertreter des World Economic Forum gehen davon aus, dass der Welthandel durch die Beseitigung von Barrieren in den internationalen Lieferketten um fast 15 Prozent wachsen könnte.
Neues System von Anweisungen und Zustimmungen
Die Blockchain soll die Verwaltungsprozesse im weltweiten Schiffsfrachtverkehr deutlich vereinfachen. Mit der Technik ließen sich sämtliche Transaktionen, die innerhalb dieses Netzwerkes stattfinden, unveränderbar aufzuzeichnen. Zudem erhielten die jeweils berechtigten Partnern Zugriff in Echtzeit auf stets vertrauenswürdige Daten. Mit der Nutzung dieser Technologie könne sich ein völlig neues System von Anweisungen und Zustimmungen in den Informationsfluss etablieren, versprechen IBM und Maersk. Die Blockchein erlaube den unterschiedlichen Handelspartnern eine von allen verabschiedete gemeinsame Sicht auf die Transaktion. Darüber hinaus seien die Vertrauenswürdigkeit und der Datenschutz sichergestellt.
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Dabei setzt das Joint Venture nicht auf eine offene Blockchain, wie sie beispielsweise bei Kryptowährungen wie Bitcoin vorliegt. Hier kann jeder Teilnehmer alle Daten einsehen. Die Handelsplattform von IBM und Maersk basiert auf einer zentral verwalteten und zugeteilten Blockchain. Jeder Teilnehmer erhalte dabei nur Zugriff auf die für ihn relevanten Informationen, erläutert der Betreiber.
Das Joint Venture soll Michael White als CEO leiten, ehemals President von Maersk in Nordamerika. Als Hauptquartier haben sich die beiden Konzerne New York ausgesucht. Erste Lösungen könnten nach eigenen Angaben bereits im Lauf des ersten Halbjahrs 2018 verfügbar sein – wenn die benötigten Zulassungen der Behörden vorliegen. Als großen Vorteil der neuen Plattform hob White die Sicherheit hervor. Die Verbesserungen in dieser Hinsicht seien signifikant, da sämtliche Veränderungen der in der Blockchain abgelegten Informationen transparent für alle Beteiligten sichtbar und nachvollziehbar seien.
Frachtpapiere per Kurier
Darüber hinaus geht es im Frachtverkehr heute um Effizienz und Kosteneinsparungen. Der Schlüssel dafür liege darin, Verspätungen so weit wie möglich zu minimieren, erläutert White und führt als Beispiel einen Avocado-Transport von der kenianischen Hafenstadt Mombasa nach Rotterdam an. Es könne über einen Monat dauern, bis eine solche Frachtladung seinen Empfänger erreicht.
Davon würden jedoch allein etwa zwei Wochen dafür benötigt, Frachtpapiere zwischen den beteiligten Behörden auszutauschen, zu prüfen, zu genehmigen und weiterzuleiten. Vielfach würden die Dokumente heute noch in Papierform per Kurier geschickt. Komme es hier zu Verspätungen oder kämen Zweifel an der Gültigkeit von Frachtpapieren auf, verzögere dies den gesamten Frachtprozess.
Es gebe eine Menge Systeme im Markt, mit deren Hilfe Produkte gehandelt und deren Wege nachverfolgt werden könnten, konstatiert White. Allerdings funktionierten viele davon inkonsistent und hätten oft Lücken im Informationsfluss. Der Bedarf an Real-time Information entwickle sich zu einem kritischen Faktor. Um Verspätungen zu vermeiden müsse die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort vorliegen.
Die Plattform beinhaltet den Betreibern zufolge Funktionen für Smart Contracts und weitgehend automatisierte Workflows, die sich nach der transportierten Fracht sowie den behördlichen Anforderungen des Transportwegs richteten. In Laufe der Zeit würde weitere Funktionen beispielsweise rund um Künstliche Intelligenz, IoT sowie Analytics integriert, hieß es von Seiten der Betreiber. Das soll den Transportunternehmen helfen, die Warenströme auf den Meeren besser im Blick zu behalten.
Erste Unternehmen bekunden Interesse an Blockchain-Plattform
Die Plattform basiert auf IBMs Blockchain-Technik, die über die Cloud angeboten wird. Maersk hatte in den vergangenen 18 Monaten erste Pilotprojekte mit verschiedenen Kunden gestartet. Momentan würden 18 Prozent des eigenen Containervolumens mit Hilfe von Blockchain verschifft, hieß es von Maersk. Angeblich haben bereits große weltweit tätige Unternehmen Interesse bekundet, die Blockchain-Plattform zu nutzen. Dazu gehörten General Motors und Procter and Gamble, die nach Möglichkeiten suchten, ihre eigenen komplexen Lieferketten zu vereinfachen.
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Die Zollbehörden von Singapore und Peru wollen offenbar prüfen, wie durch die Nutzung der Plattform der Handel vereinfacht und die Lieferketten sicherer gemacht werden können. Die globalen Terminalbetreiber APM Terminals und PSA International möchten nach Angaben der Betreiber die Blockchain-Plattform nutzen, um die Zusammenarbeit in den Häfen und ihre Terminal-Planung zu verbessern. Mit Unterstützung des Guangdong Inspektions- und Quarantänebüros könne die Plattform durch eine Anbindung an das Global Quality Traceability System für Import- und Exportgüter zudem auch Handelspartner mit wichtigen Handelskorridoren in und aus China verbinden, hieß es.