Bosch setzt auf Kooperationen

IIC hängt Plattform Industrie 4.0 ab

13.03.2015 von Christoph Lixenfeld
Für die Kommunikation zwischen Maschinen läuft die US-geführte IIC der deutschen ‚Plattform Industrie 4.0‘ den Rang ab. Am Ende wird es viele Standards geben.

Bei Bosch glaubt man nicht daran, dass sich Standards durch Beschlüsse von Gremien schaffen lassen, stattdessen setzt der Technologiekonzern auf Kooperationen.

Eine aufsehenerregende Zusammenarbeit präsentierte das Unternehmen auf Hausmesse "Bosch Connected World 2015", die am 17. und 18.2 in Berlin stattfand. Das Projekt dreht sich um die Vernetzung von Industriewerkzeugen, Partner sind neben Bosch die IT-Firmen Cisco aus den USA und Tech Mahindra aus Indien.

Ein Ziel ist, die Position eines Funk-Akkuschraubers in einer Werkhalle genau zu lokalisieren. Abgeleitet aus dieser Positionsbestimmung wird automatisch das richtige Drehmoment für die jeweilige Aufgabe gewählt. Sicherheitsrelevante Schrauben werden so immer mit genau mit der vorgeschriebenen Kraft angezogen. Anschließend dokumentiert das System die Werte automatisch und stellt so die gleichmäßige Qualität dieses Arbeitsschritts sicher.

Wenn alles vier-punkt-null ist: Der Anspruch, eine vierte industrielle Revolution anzuzetteln, hat hohe Erwartungen geweckt.
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Künftig sollen sich unterschiedliche Werkzeuge dank offener Kommunikationsstandards lückenlos in ein vernetztes Gesamtsystem einbinden lassen, nützlich wäre das zum Beispiel für den Bau und die Wartung von Motoren oder Flugzeugen.

"Eine solche Lösung gibt es bislang nicht, sie bietet großes Potenzial im gesamten industriellen Umfeld", so Bosch-Projektleiter Dirk Slama.

Ausprobieren statt ausdefinieren

Foto: Bosch

Die Werkzeugvernetzung unter der Führung von Bosch ist das erste europäische Innovationsprojekt des IIC, des amerikanischen Industrial Internet Consortium. Es zeigt, wie die hier organisierten Partner das Thema angehen: nicht durch definitorischen Eifer, sondern durch Trial and Error.

140 Mitglieder im Industrial Internet Consortium

Das IIC ist ein Zusammenschluss von rund 140 Unternehmen und Organisationen, die gemeinsam an der Vision eines "Internets of Things" (IoT) arbeiten. Beim Internet der Dinge geht es um die autonome Kommunikationen zwischen Maschinen oder Anlagen.

Begrifflicher Ausgangspunkt sind Uralt-Visionen wie der Kühlschrank, der selbsttätig beim Lieferdienst die Milch nachbestellt. Dinge eben, die via Internet Kontakt miteinander aufnehmen.

Die Geschichte von Bosch - Von der Zündkerze ins Internet der Dinge
Der Gründer
Die Anfänge von Bosch sind stark vom Firmengründer Robert Bosch geprägt: "Immer habe ich nach dem Grundsatz gehandelt: Lieber Geld verlieren als Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner Versprechungen, der Glaube an den Wert meiner Ware und an mein Wort standen mir stets höher als ein vorübergehender Gewinn." Er führt die 8-Stunden-Woche ein, ist aber auch für Sparsamkeit berüchtigt: "Der Vadder kommt, löschet die onötige Lichter aus!" warnen sich die Mitarbeiter, wenn der Firmengründer einen Kontrollgang macht.
Mit einem Magnetzünder fängt alles an
Der erste Niederspannung-Magnetzünder wird von Bosch 1887 für einen stationären Benzinmotor gebaut. Für ein Kraftfahrzeug sind diese Zünder noch viel zu groß.
Die Diversifikation beginnt
Die Weltwirtschaftskrise ist ein Anlass für die Diversifikation: 1926 kommen auch Scheinwerfer zum Produktportfolio, ein Jahr später Diesel-Einspritzpumpen, Gasgeräte von Junkers und die erste Bohrmaschine.
Der Durchbruch in den 30ern: Zündkerze...
Die Zündkerze - hier ein berühmtes Werbeplakat von 1930 - bringt Bosch den Durchbruch und macht das Unternehmen zum international agierenden Großkonzern. Bis zum ersten Weltkrieg hat Bosch kaum Konkurrenten.
... und Kühlschrank
Der erste Bosch-Kühlschrank ist kreisrund: Die Trommelform hat im Erscheinungsjahr 1933 Kostengründe, setzt sich aber nicht durch.
Die Waschmaschine
Ab 1958 hat Bosch seine erste Waschmaschine im Programm, die das Unternehmen bald zum ersten Waschvollautomaten weiter entwickelt.
ABS
Ein Patent auf ein Antiblockiersystem hatte Bosch schon 1936 eingereicht, erst 1978 ist es aber marktreif und wird in die ersten Autos eingebaut. 1995 kommt ESP auf den Markt, das nicht zuletzt dank dem berühmten "Elchtest" erfolgreich ist.
#Fail
Nobody is perfect: Eine der größten Rückrufaktionen betrifft die Hausgeräte von Bosch: Wegen Brandgefahr muss das Unternehmen 5 Millionen Geschirrspülmaschinen zurückrufen, die zwischen 1999 und 2005 hergestellt wurden.
Das vernetzte Heim
Auch bei seinen Haushaltsgeräten setzt Bosch stark auf Vernetzung und Sensortechnik: Die Backöfen und Geschirrspüler der neuen Serie 8 sind per WLAN verbunden und per iOS-App steuerbar. Per App kann man einen Backvorgang starten oder erhält per Push-Nachricht Infos über den Füllstand des Geschirrspülers. Ein Kühlschrank mit integrierter Kamera soll bald erscheinen.
Ab ins Auto
Von Bosch stammt auch das neue Kombiinstrument des neuen Hybridsportwagens i8 von BMW. Verschiedene Modi stehen zur Wahl, der Modus "Eco Pro" zeigt Übergänge zwischen E- und Benzin-Betrieb besonders detailliert an. Der Raum zwischen den Hauptinstrumenten wird flexibel für Navigations-, Radio- und Telefoninformationen genutzt.
Parklückenvermessung
Zu den vielen Fahrassistenzsystemen von Bosch gehört unter anderem die Parklückenvermessung. Ein Sensorsystem im Citroen C4 Picasso teilt dem Fahrer mit, ob eine Parklücke groß genug für sein Auto ist.
Es geht ins IoT
Bei dem IoT-Projekt "Track and Trace", auch "Vernetzte Werkzeuge in der Fertigung" genannt, testet Bosch vernetzte Industriewerkzeuge. Dank Ortung ist dann beispielsweise der Standort eines Werkzeuges immer bekannt.
Neue Kooperationen
Bosch SI arbeitet unter anderem mit MongoDB eng zusammen. Zu den Kooperationspartnern gehören Tech Mahindra und Cisco.
Übernahme von Prosyst
Die deutsche Bosch hat nie vor Firmenübernahmen zurückgescheut, Mitte Februar 2015 übernimmt Bosch die IoT-Softwarefirma ProSyst. Das auf Gateway-Software und Middleware spezialisierte Unternehmen setzt auf die OSGi-Technologie und beschäftigt rund hundert Mitarbeiter in Deutschland, Sofia und Bulgarien. Kunden sind unter andere BMW, Schneider, EnBW und viele mehr. Ergänzen soll die Software von Pro-syst die so genannte "Bosch IoT Suite", eine Eigenentwicklung der Bosch-Tochter Software Innovations.
Bosch Rexroth
Open Core Engineering von Bosch Rexroth soll eine Brücke zwischen Automatisierung von Maschinen und der IT-Welt schlagen. Ein direkter Zugriff auf den Steuerungskern ist dabei möglich.
2010: Neues Werk in Reutlingen
In der 2010 eingeweihten WaferFab in Reutlingen baut Bosch ASICs, analoge ICS, Hochleistungsbauelemente und MEMS. Fabless Production ist zwar in Mode, Bosch hat aber andere Kunden als Nvidia und Co.
Embedded-Entwicklung
Etas ist ein Embedded-Entwickler mit 700 Mitarbeitern und 135 Millionen Euro Umsatz (2008), der zu hundert Prozent der Muttergesellschaft Bosch gehört.

Allerdings setzt mittlerweile nicht nur das IIC eher auf industrielle Ansätze wie den mit den Akkuschraubern und weniger auf Lösungen für das vernetzte Heim.

Gründungsmitglieder des Industrial Internet Consortium sind unter anderem IBM und General Electric, heute gehören dem Konsortium darüber hinaus die unterschiedlichsten Player an. Die Technische Universität Darmstadt zum Beispiel ebenso wie Tata Consultancy Services aus Indien, Firmen aus Japan, China und Korea. Auch an Bord sind Siemens und Bosch.

Große Firmennamen wecken zu große Erwartungen

Siemens und Bosch sind zugleich Mitglieder der deutschen "Plattform Industrie 4.0". Unter diesem Begriff werden seit 2011 in Deutschland die Ideen zur autonomen Kommunikation zwischen Anlagen und Bauteilen beziehungsweise zur Selbststeuerung von Fertigungsabläufen diskutiert.

Die dazugehörige Plattform ist als Zukunftsprojekt Teil der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung.

Wobei allein der Name große Erwartungen produziert hat. Industrie 4.0 soll heißen, dass uns eine vierte industrielle Revolution bevorsteht. Die erste waren die Dampfmaschinen, die Zweite die Fließbänder, die dritte die Erfindung von IT und Computern.

Der Anspruch, noch einmal etwas von der historischen Wucht einer Dampfmaschine zu erfinden, sollte sich durch die Kooperation der Verbände dreier Branchen erfüllen: VDMA (Maschinenbau), ZVEI (Elektrotechnik) und Bitkom (ITK und Neue Medien). Hinzu kam eine Reihe großer Unternehmen der jeweiligen Branchen.

Die "Plattform Industrie 4.0" wird von einem komplexen Netzwerk aus Gremien gemanagt.
Foto: Plattform Industrie 4.0

Die Partner arbeiteten an Umsetzungsempfehlungen, die mittelfristig zu technischen Standards für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation führen sollten.

Keine Ergebnisse in Sachen Industrie 4.0

Auf einen Nenner kam man dabei bisher nicht. Mehr noch: Die Beteiligten der Standardisierungsbemühungen sind sich noch nicht mal einig darüber, ob ihre Bemühungen nun gescheitert sind oder nicht.

Im Februar 2015 erklärte Reinhard Clemens von T-Systems: "Außer Gremienarbeit und Maßnahmenempfehlungen gibt es bisher keine konkreten Ergebnisse und kein konzertiertes Vorgehen deutscher Unternehmen in Sachen Industrie 4.0."

Weiterer Kernpunkt der Kritik ist, dass es an einem gemeinsamen Vorgehen deutscher und europäischer Unternehmen fehle. Im Gegensatz zu den USA, wo sich das Industrial Internet Consortium (IIC) in relativ kurzer Zeit zu einer höchst internationalen Veranstaltung entwickelt hat.

Bitkom wiederspricht der Kritik

Wolfgang Dorst, Bereichsleiter Industrie 4.0 bei der Bitkom, teilt die Kritik an der "Plattform Internet 4.0" nicht: "Auch das IIC hat noch keinen fertigen Standard entwickelt." Nach Dorsts Ansicht brachte die "Plattform Industrie 4.0" in Deutschland viel auf den Weg. "Aber es ist nie leicht, eine so hohe Erwartung zu erfüllen."

Was vielleicht auch am komplexen Gremiengeflecht liegt: Zur Plattform Industrie 4.0 gehört eine Fachcommunity, eine Geschäftsstelle, ein Vorstandskreis, ein Lenkungskreis und ein wissenschaftlicher Beirat. Die Zusammenarbeit der Partner wird durch eine Vielzahl von Pfeilen auf der Webseite erläutert.

Am Ende wird es viele Standards geben

"Technische Standards können nicht verordnet werden", sagt Thilo Resenhoeft, der in der Bosch-Kommunikation für das Thema Industrie 4.0 zuständig ist. "Was es braucht, sind Projekte und konkrete Kooperationen."

Nach Ansicht von Resenhoeft wird außerdem nicht EIN Standard für die Maschinenkommunikation entstehen, dazu seien die Aufgaben, die damit gelöst werden sollen, zu vielfältig. "Wahrscheinlicher ist, dass aus mehreren Projekten, die besonders gut und erfolgreich laufen, mehrere Standards hervorgehen."

"Auch das IIC hat noch keinen fertigen Standard entwickelt", sagt Wolfgang Dorst, der bei Bitkom für das Thema Industrie 4.0 zuständig ist.
Foto: Bitkom

In diesem Sinne wartet Bosch auch nicht ab, sondern schafft Fakten. Was die These von BITKOM-Mann Wolfgang Dorst widerlegt, Unternehmen investierten nicht, solange es keine Standards gibt.

Bosch steuert Lagerhaltung vollautomatisch

Bosch jedenfalls steckt Geld in das Thema. Zum Beispiel in seiner Fabrik in Homburg/Saar. Hier entstehen Injektoren für Dieselmotoren. Gemeinsam mit Opel - dem Kunden - und dem Verpackungsmaterial-Lieferanten Vario Pack entwickelte Bosch eine vollautomatische Steuerung der Lagerhaltung. Die Kommunikation zwischen Vor- und Endprodukten, Produktion und Logistik läuft über RFID-Chips. Durch die Optimierung der Abläufe konnte der Lagerbestand um 30 Prozent gesenkt werden.

Kooperationsprojekte, die offiziell unter der Ägide der "Plattform Industrie 4.0" entstanden wären, gibt es bisher nicht. Beziehungsweise wenn es sie gibt, dann behält das Konsortium diese Erfolge konsequent für sich.

Stillstand auf der Website

Wer auf der Webseite den Punkt "Ergebnisse" anklickt, findet dort ausschließlich theoretische Abhandlungen. Es gibt exakt drei Texte, der neueste datiert vom 10. April 2014. Ebenfalls drei Texte enthält die Seite mit den Pressemitteilungen. Hier ist die neueste immerhin vier Tage jünger, nämlich vom 14. April 2014.

Industrie 4.0, Internet of Things: Egal, wie man es nennt, die Kommunikation von Geräten untereinander wird sich mit hohem Tempo weiterentwickeln.

Und auch Einfluss nehmen auf unseren Alltag. Letztlich ist auch Googles selbstfahrendes Auto ein Beispiel für den Erfolg des Internets der Dinge. Vermutlich fahren diese Autos irgendwann ganz ohne Menschen darin, dann ist auch der letzte verbleibende Störfaktor beseitigt.