Muss das sein? Brauchen wir wirklich eine unternehmensinterne Social-Media-Plattform, die Investition, die Zeit, die Nerven? Wer daran noch zweifelt: "In kreativen Kooperations- und Kollaborationsprozessen entstehen in der Alltagswirklichkeit der Kunden relevante Produkte, Leistungen oder Services, die wiederum Bausteine für den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens bedeuten", heißt es etwas umständlich im Leitfaden "Enterprise 2.0 - SocialSoftware im Unternehmen" der Fachgruppe Social Media im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V..
Immer mehr Unternehmen investieren in die Plattformen, aber das Change Management ist gar nicht so einfach, wie eine aktuelle Studie von IBM ergeben hat.
Enterprise 2.0
Will ein Unternehmen zu einem "Enterprise 2.0" werden, wie es die Studienleiter nennen, muss es die Zielgruppen, also auch Kunden und Stakeholder, mitnehmen. "Sie müssen während der Planungs- und Implementierungsphase erleben, dass die geänderten Bedingungen die Arbeitsprozesse erleichtern und die Effektivität steigern. Idealerweise gilt das auch für die Partner des Unternehmens", heißt es in der Studie. Das geht natürlich nur mit einem Wechsel der Unternehmenskultur einher.
Worauf Chefs sich einstellen müssen
Einige Veränderungen könnten so manchem Chef unangenehm sein: Im "Enterprise 2.0" sind die Entscheidungsstrukturen weniger hierarchisch, sondern vernetzt und flacher. "Statische Wissensinseln gehen in kollektivem Wissen auf, und zentral gesteuerte Prozesse werden abgelöst von Selbstorganisation und Eigenverantwortung", so die Studie. Die Vorteile liegen auf der Hand. Informationen verbreiten sich schneller, Entscheidungen werden vereinfacht. Aber wenn die Chefs nicht mitziehen, muss das Social-Media-Bemühen scheitern. Damit das nicht passiert: Legen Sie sich eine Strategie zurecht.
Schritt 1: Sie brauchen eine Strategie
"Unverzichtbares Werkzeug ist ein sauberes Stakeholder-Management", so die Studie. Das bedeutet, dass alle Entscheider und wichtigen Kunden an der Entstehung an der Planung des Change-Prozesses beteiligt sind. Haben Sie das erst mal hinter sich gebracht, müssen nun auch die Anwender im Unternehmen, also die Mitarbeiter, mit ins Boot geholt werden.
Die Studie nennt das eine "Change Mission". Sie können zum Beispiele eine Abteilungs- und Ebenen-übergreifende Task Force bilden, die "strategischen Überlegungen in einen Mitmach-Prozess im Unternehmen zu übersetzen und diesen Prozess zu steuern", so die Studie. Ein paar Leitlinien und Führungsprinzipien später, schon können Sie sich mit der technischen Seite auseinandersetzen. Das bietet gerade CIOs die Möglichkeit, neue Formen der Zusammenarbeit zu erstellen. Sie können Wissen und Innovation neu verwalten und neue Formen der Zusammenarbeit schaffen.
Wandel braucht Zeit
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Stimmt, so einfach ist es natürlich nicht. "Bekannte Business Cases, zum Beispiel bei BASF, der Continental AG oder Bosch, planen mit Zeiträumen von zwei bis zehn Jahren", schreibt Carsten Rossi, Geschäftsführer der PR-Agentur Kuhn, Kammann & Kuhn GmbH im Leitfaden.
Schritt 2: Implementierung
Glückwunsch, Sie haben schon eine "Change Vision" und eine "Change Mission" und eine ausgearbeitete Strategie? Jetzt müssen Sie das Ganze nur noch umsetzen. Aber Vorsicht: Im Gegensatz zu ERP-Plattformen ist eine Social-Media-Plattform nicht "alternativlos". Damit Ihr "Enterprise 2.0" kein Rohkrepierer wird, rät Rossi: "Die wichtigste Aufgabe des Projektteams ist in dieser Phase deshalb, für eine direkte Feedback-Schleife zu sorgen."
So können kleinere und größere Störungen gleich behoben werden. Rossi schlägt Usecases, also Anwendungsfälle, vor. Diejenigen, die am meisten mit der Plattform arbeiten, sollten am Entwerfen der Anwendungsfälle beteiligt sein. Solche Usecases können auch mal das Rechte- und Zugriffsmanagement in Frage stellen, wenn sie abteilungsübergreifend sind. Darauf müssen sich Entscheider einstellen, denn auch das gehört zur neuen Unternehmenskultur dazu.
Schritt 3: Konsolidierung
Nach dem Launch ist vor dem Launch. Ist die Plattform einmal gestartet, müssen die Mitarbeiter sie auch nutzen. Rossi rät dazu, Awareness-Kampagnen zu starten. Eigentlich selbstverständlich: Die Community muss professionell gemanagt werden und die Anwendungsfälle ständig weiterentwickelt werden. Die Unternehmenskultur kann sich erst verändern, wenn geschäftsrelevante Prozesse auf die Plattformen verlagert sind. Damit einher geht natürlich auch eine Effizienzsteigerung, die ihr Unternehmen wettebewerbsfähig macht. Und Sie wollen den ganzen Aufwand ja nicht umsonst betrieben haben.
Und wie sieht so ein Enterprise 2.0 aus?
Idealerweise, so Rossi, steht der Mensch im Fokus. Das heißt natürlich auch, dass in einer dezentraleren Entscheidungskultur dem Einzelnen mehr Vertrauen entgegen gebracht wird. Das kann auf beiden Seiten Überwindung kosten - aber es lohnt sich. Das Unternehmen der nächsten Generation kennzeichnet eben eine flache Hierarchie.
Und für Mitarbeiter gibt es zudem die Möglichkeit, neben der klassischen Fachkarriere auch einen anderen Karriereweg einzuschlagen. Das setzt in der Firma mehr Innovationspotenzial frei. Auch die durch den CIO implementierten Plattformen eröffnen völlig neue Wissenswege. Die Fehlerquote sinkt, weil Prozesse offener und transparenter sind. Im Idealfall gewinnt ihr Unternehmen so an Innovationsgeschwindigkeit.
Machen Sie den Erfolg messbar
Um mit der Einführung auch glänzen zu können, müssen Kennzahlen her, zum Beispiel solche, die auch für andere Social-Media-Bemühungen gelten. Datenschutzrechtlich kann das natürlich Probleme geben.
Größere Unternehmen sollten das mit dem Betriebsrat klären, das pseudonyme Tracking möglichst offen mit den Mitarbeitern besprechen und vielleicht sogar Arbeitsverträge ergänzen. Denn schnell kann die Messung der KPIs sonst in Mitarbeiterüberwachung umschlagen. Und da die neue Unternehmenskultur eigentlich auf Vertrauen basiert, wäre das auch für das Betriebsklima schädlich.
Curt Simon Harlinghausen, Geschäftsführer der Marketing-Agentur AKOM360 GmbH schlägt als KPIs vor, Vernetzung, Aktivität und Relevanz der Aktivitäten zu messen. Konkret bedeutet das: Wie aktiv sind die Mitarbeiter auf den Plattformen? Messen Sie auch, wie sehr sie untereinander vernetzt sind, wie vollständig das Profil ist. Hilfreich kann es auch sein, zu messen, wann die Mitarbeiter am aktivsten sind und wie oft sie den Microblogging-Dienst, Apps und Gruppen nutzen, wie viele erfolgreich abgeschlossene Projekte vorhanden sind. Wie sehr bringt sich ein Mitarbeiter mit seinem Wissen ein, wie zuverlässig findet das System Treffer und Inhalte? Wenn das datenschutzrechtlich in Ordnung geht und die Mitarbeiter so nicht überwacht werden, dann können das sinnvolle KPIs sein.
Und wie misst man sie konkret?
Google Analytics können Sie in einem geschlossenen Netzwerk schlecht nehmen. Aber die meisten Hersteller bieten interne Statistik-Tools an, die pseudonymisiert arbeiten. So lassen sich Datenströme erfassen. Harlinghausen rät auch dazu, lieber weniger KPIs zu messen, als sich zu verzetteln.
Keine Frage, es ist nicht leicht, zu einem "Enterprise 2.0" zu werden. Aber wenn Sie einmal alle Hürden übersprungen haben, werden Sie sehen, dass es sich lohnt.