Hennig Kagermann, acatec

Industrie 4.0 schafft ein unvorhersehbares Umfeld

24.06.2014 von Joachim Hackmann
Henning Kagermann, Präsident der Wirtschaftsakademie Acatech, erläutert die Chancen von Industrie 4.0 und warnt vor Plattformbetreibern, die die Macht haben, große Industriekonzerne zu Lieferanten zu degradieren.

Das Thema Industrie 4.0 gilt als wichtig für den Standort Deutschland und wird vor allem von Herstellern sowie Forschungseinrichtungen vorangetrieben. Fehlt Ihnen der Rückhalt aus der Politik?

Henning Kagermann: Nein, der ist da. Man sollte auch noch mal klar stellen, wo die Initiative entstanden ist. Es gibt eine sogenannte Forschungsunion, das ist ein Instrument der Politik, um die High-Tech-Strategie umzusetzen. Diese Union setzt sich aus Repräsentanten der Wirtschaft, der Forschung und der Gewerkschaften zusammen. Die von mir geleitete Gruppe Digitale Wirtschaft und Gesellschaft hatte die Aufgabe, Zukunftsprojekte zu identifizieren, und daraus entstand als eine der ersten Initiativen das Thema Industrie 4.0.

Acatech hat in der Folge die Arbeitskreise organisiert, aus denen die Plattform Industrie 4.0 hervorgegangen ist. In dem Arbeitskreis engagierten sich Firmenvertreter, Gewerkschaftler und Wissenschaftler. Gemeinsam haben wir die Handlungsempfehlungen geschrieben.

Der Auslöser ist also die Politik gewesen, und sie ist auch weiter mit an Bord. Der Begriff Industrie 4.0 steht sogar im Koalitionsvertrag.

Henning Kagermann und die Prominenz -
Henning Kagermann
Als SAP-CEO, aber auch als Präsident von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, hat Prof. Henning Kagermann zahlreiche Prominente aus Wirtschaft und Politik getroffen. Wir haben in unserem Bildarchiv gesucht und gefunden.
1995: Rudolph Scharping, damals SPD-Vorsitzender
1996 mit Bill Gates
CeBIT 1998 mit Erwin Teufel
Teufel war damals Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg
CeBIT 1998 mit dem ehemalige Samsung-CEO Namgung
1998 mit dem Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt
1999: Ex-Bundespräsident Roman Herzog
CeBIT 2002: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder
CeBIT 2009: Arnold Schwarzenegger und Angela Merkel
Schwarzenegger war damals Gouverneur vom CeBIT-Partnerland Kalifornien.

Hat die Politik dazu beigetragen, Kontrahenten im Sinne des Fortschritts an einen Tisch zu bringen? Gab es diesbezüglich Hilfe?

Henning Kagermann: Das haben wir selbst gemacht. Entscheidend war für uns bei diesem Thema der Rückhalt der Wirtschaft, und die konnte Acatech als wissenschaftliche Institution nicht alleine gewinnen. Uns ist es glücklicherweise gelungen, drei wichtige Verbände hinter dem Thema zu versammeln. Das sind der IT-Branchenverband Bitkom, der VDMA (Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer) und der ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V). Diese drei großen Verbände treiben das Thema voran und haben Strukturen etabliert. Dadurch sind Arbeitsgruppen und Steuerkreise entstanden, die sich regelmäßig treffen und Eckpunkte entwickeln.

Daneben gibt es einen wissenschaftlichen Beirat mit 19 Mitgliedern aus der IT, der Produktion und der Automatisierungstechnik sowie aus den Fachbereichen Logistik, Soziologie und Rechtswissenschaften. Der wird von Acatech betreut. Hinter Industrie 4.0 steht also eine echte Organisation.

Unter dem Dach Industrie 4.0 kooperieren Konkurrenten

Ziehen die Beteiligten tatsächlich an einem Strang? Immerhin sitzen in den Arbeitskreisen viele Konkurrenten an einem Tisch.

Henning Kagermann: In dieser Hinsicht hat Deutschland eine bemerkenswerte Kultur der Kooperation. In den Verbänden und Arbeitskreisen arbeiten Konkurrenten gemeinsam an einem Ziel. Wir haben etwa bewusst auch die Gewerkschaften ins Boot geholt, um die Arbeitnehmervertreter an dieser Initiative zu beteiligen. Das hat kein anderes Land hingekriegt.

Der Gedanke dahinter ist, dass es uns gemeinsam gelingen muss, Industrie 4.0 voranzutreiben.

Industrie 4.0 hat keine menschenleeren Fertigungshallen zum Ziel

Es besteht ja eine gewisse Furcht der Arbeitnehmer in der Produktion vor menschenleeren Fabrikhallen. Wie sieht denn in einer Industrie 4.0 die Rollenbeschreibung der Mitarbeiter aus?

Henning Kagermann: Die Fertigungsstätten werden nicht menschenleer sein. In den 80iger Jahren gab es die CIM-Initiativen, die sehr zentralistisch angelegt waren und tatsächlich dieses Ziel verfolgten. Das gilt heute nicht mehr.

Bei uns ist der Mensch Teil der dezentralen, sich selbst organisierenden Industrie 4.0. Der Mensch gibt den Takt vor, nicht die Maschinen, weil die sich selbst organisierende Produktion die Arbeiten dorthin verschiebt, wo Kapazitäten frei sind. Das ist der Unterschied zu früheren Ansätzen, wenngleich sich die Arbeit ändern wird.

In den nächsten Dekaden werden die Maschinen nicht die Flexibilität erreichen, die im Kurzzeitbereich erforderlich ist. Man benötigt die Erfahrung der Menschen ganz stark. Es wird aber weniger angelernte Kräfte, dafür mehr Leute geben, die Integrationsbrücken überdenken, Entscheidungen fällen, vorbereiten, integrieren, planen usw. Das ähnelt der Entwicklung im Büro, wo sehr standardisierte Tätigkeiten entfallen sind, aber neue Jobs geschaffen wurden.

Klar ist, dass sich Arbeitsinhalte ändern werden. Mitarbeiter werden nicht einmalig angelernt, damit sie jahrelang die gleichen Aufgaben erledigen. Ihnen wird ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt. Dafür sind neue Lernhilfen erforderlich. Das können Assistenzsysteme wie zum Beispiel Smart Glasses sein. Außerdem glaube ich an eine Renaissance von E-Learning.

Mit Werkzeugen wie Tablets und Datenbrillen werden die Mitarbeiter in die digitale Welt integriert. Damit lässt sich jeder Schritt, jeder Aufenthaltsort, jede Tätigkeit genau erfassen. Wenn man ehrlich ist, werden Arbeitsprozesse und Mitarbeiter transparenter. Das ist die Sorge der Gewerkschaften. Diese Bedenken muss man ernstnehmen und gemeinsam damit umgehen. Das kann man nicht ignorieren.

Mit den Daten kann man aber nicht nur Bedenkliches anstellen, man kann sie auch im positiven Sinne für die Mitarbeiter einsetzen, etwa um die Arbeitsbelastung besser zu regulieren. Zu viel Belastung ist nicht gut, zu wenig aber auch nicht.

Ich stoße schon auf Skepsis, wenn ich mit dieser Idee komme. Ich bin aber überzeugt, dass die Integration des Menschen in die digitale Welt etwas Positives hat.

Das Internet in der Produktion schafft neue Risiken

Foto: acatech/David Ausserhofer

Mit der Industrie 4.0 erobert das Internet die Produktionsstätten. Das ist für die Fertigung riskant, weil sie völlig neuen Bedrohungen ausgesetzt wird. Wie will man das in den Griff bekommen?

Henning Kagermann: Es gibt drei Schichten in der Industrie 4.0. Im kontrollierten Kernbereich arbeiten die einzelnen intelligenten Maschinen, die ein Fertigungsunternehmen sehr gut im Griff hat.

Darauf setzt der so genannte teilkontrollierte Bereich auf. Das ist die Smart Factory, die mit internen IP-Adressen ausgestattet ist und von den MES-Systemen (Manufacturing Execution System) gesteuert wird.

Dann kommt der offene Bereich, wo Daten und Dienste aus dem Internet eingehen oder hinausgeschickt werden. Hier kann es zu unkontrolliertem Verhalten kommen.

Zwischen diesen drei Bereichen gibt es Übergabepunkte, sie agieren nicht völlig losgelöst voneinander. Zudem sind sie mit anderen Segmenten vernetzt, etwa mit Smart-Energy-Netzen.

In allen drei Zonen sollte man genau wissen, was dort passiert oder passieren kann und mit spezifischen Sicherheitssystemen darauf reagieren. Man darf nicht alle Komponenten einer Industrie 4.0 über einen Kamm scheren.

Das Horrorszenario ist, dass Eindringlinge die Grenzen zwischen den Segmenten überspringen und in den Kernbereich vorstoßen.

Henning Kagermann: Ja, das Szenario gibt es. Siemens hat das übrigens einmal exemplarisch durchgespielt. Etwas verkürzt lautet die Erkenntnis: Das bedrohlichste Szenario ist gar nicht, wenn ein externer Angreifer die Lackiermaschinen zum Erliegen bringt, ein solcher Eingriff ist beherrschbar. Viel schlimmer ist es, wenn jemand die Einstellungen der Anlage unbemerkt verändert, so dass der Lack nicht mehr die Qualität hat, die er haben sollte. Das würde ein Hersteller möglicherweise erst Monate später merken, wenn unzählige Autos bereits ausgeliefert wurden.

Das ähnelt dem Stuxnet-Fall, wo erst nach Wochen aufgefallen ist, dass die Zentrifugen manipuliert wurden.

Henning Kagermann: Ja, das ist der schlimmste Fall.

Resilienz oder wie man auf Unerwartetes reagieren kann

Eine weitere Herausforderung, an der die Fraunhofer Gesellschaft forscht, ist die Verschmelzung von Security und Safety.

Henning Kagermann: Wir haben das unter dem Schlagwort Resilienz aufgegriffen. Das ist ein Begriff, der aus der Verhaltensforschung kommt und sich nun in der Sicherheitsforschung etabliert hat. Dort werden Zyklen entwickelt, so dass Systeme, die durch einen äußeren Schock verändert wurden, wieder zu ihrem Idealzustand zurückfinden.

In vergleichbarer Form müssen im Sinne einer umfassenden Sicherheit IT-Security und Produkt-Safety zusammenfinden. In modernen Umgebungen sind Technik und Mensch nicht mehr voneinander zu trennen, weil letzterer vernetzt ist und sein Verhalten auf die Technik wirkt.

Philosophisch lautet die Erkenntnis, dass Vernetzung die Komplexität erhöht und man sich auf ein weniger vorhersehbares Umfeld einstellen muss.

Sie werden Schwierigkeiten haben, das einem Produktionsleiter zu erzählen, der die Auslastung seiner Maschinen und die Sicherheit seiner Anlagen zu verantworten hat.

Henning Kagermann: Ihm nicht. Die Diskussion kommt zugegebenermaßen weniger aus der Produktion. Trotzdem: Auch die Produktion wird sich irgendwann darauf einstellen müssen, mit Unvorhersehbarem umgehen zu können.

Bemühen wir das Beispiel Flugzeug: Ohne 100-prozentige Safety darf kein Flieger abheben. Die Argumentation, man müsse mit Unschärfen umgehen können, ist nicht realistisch.

Henning Kagermann: Man darf das nicht falsch verstehen. Niemand strebt einen Zustand an, in dem das Chaos ausbricht, weil bei einem ungeplanten Ereignis keiner weiß, was zu tun ist. Resilienz heißt, Pläne, Taktiken, Schulungen entwickeln, die vorn vornherein klar stellen: Es kann etwas passieren und man weiß darauf zu reagieren. Es braucht ein neues Sicherheitsbewusstsein und ein ganzheitliches Herangehen. Man muss sich der größeren Komplexität bewusst sein.

Vernetzung geht nun einmal mit mehr Komplexität einher. Das können wir nicht aufhalten, wir können aber lernen, mit ihr umzugehen.

Die IT-Industrie kennt diese Unvollkommenheit seit Jahren, nicht zuletzt durch die Kultur der Betaversionen, die sich im Internet durchgesetzt hat. Wenn dort eine mobile App abstürzt, ist das ärgerlich, aber kaum gefährlich. Lücken in einer Industrie 4.0 sind gefährlich.

Henning Kagermann: Die Beta-Kultur wird es so in der Industrie 4.0 nicht geben. Schauen sie auf das moderne Auto: Dort ist der Übertragungsbus für die Fahrzeugelektronik physisch getrennt vom Kommunikationsbus der Entertainment-Systeme. Der kritische Kernbereich wird anders behandelt als der offene Bereich. Beide sind nicht vernetzt.

Die Rolle der IT-Branche in einer Industrie 4.0

Dann dürften sich in der Industrie zwei getrennte Welten voneinander entwickeln. Eine, die Systeme für die offenen IT-Lösungen bereitstellt, in der die klassischen IT-Anbieter eine Rolle spielen. Eine andere, in der die Produktionsfirmen und ihrer Ausstatter die Maschinen um IT ergänzen.

Henning Kagermann: Ja, so ist es. Es wird weiterhin unterschiedliche Geschäftsmodelle geben. Es wird Schichten geben, in denen Produkte entwickelt werden, die etwa App-fähig sind und als Betaprojekt in den Markt entlassen werden. Aber in den unteren Schichten im Maschinenpark wird es so etwas nicht geben.

Erwarten sie also gar nicht, dass klassische Firmen wie IBM, SAP und Co. sich Richtung Shop-Floor-IT entwickeln.

Henning Kagermann: Ich vermute, dass sie ausgehend von ihren angestammten Geschäftsfeldern mit der klassischen IT die Integration der industriellen IT vorantreiben werden. Die Ausstatter und Hersteller von Industrieanlagen werden sich umgekehrt nicht in den Markt für ERP-Systeme vorarbeiten.

SAP-Geschichte -
2016
Auf der Kundenkonferenz Sapphire kündigte SAP im Mai eine Kooperation mit Microsoft an. Beide Hersteller wollen künftig SAPs In-Memory-Plattform HANA auf Microsofts Cloud-Infrastruktur Azure unterstützen. Microsofts CEO Satya Nadella sagte: "Gemeinsam mit SAP schaffen wir ein neues Maß an Integration innerhalb unserer Produkte."
2016
SAP und Apple wollen gemeinsam native Business-iOS-Apps für iPhone und iPad entwickeln. Experten sehen SAPs Festlegung auf eine mobile Plattform kritisch und monieren fehlende Offenheit. Anwendervertreter reagierten überrascht und verlangten Aufklärung was die neue Mobile-Strategie bedeutet.
2015
Im Sommer verunglückt SAP-CEO Bill McDermott bei der Geburtstagsfeier seines Vaters. Er stürzt mit einem Glas auf der Treppe und verliert nach einer Operation ein Auge. Im Herbst meldet sich der US-amerikanische Manager als wieder voll einsatzfähig zurück.
2015
Im Februar stellt SAP mit S/4HANA eine neue Generation seiner Business-Software und damit den Nachfolger für die Business Suite vor. SAP definiere damit das Konzept des Enterprise Resource Planning für das 21. jahrhundert neu, pries SAP-Chef Bill McDermott die Neuentwicklung. Für den Großteil der Unternehmen dürfte das Produkt noch Zukunft bleiben, konterte die Anwendervereinigung DSAG. Die Prioritäten vieler Kunden lägen eher auf klassischen Projekten rund um das ERP-System.
2014
SAP-Technikchef Vishal Sikka gibt im Mai seinen Posten auf und wird CEO von Infosys. SAP sucht lange einen Nachfolger für Sikka, holt im November schließlich den langjährigen Microsoft-Manager Quentin Clark für diesen Posten.
2012
Die Walldorfer setzen mit dem Kauf des amerikanischen Cloud-Computing-Anbieters SuccessFactors ihren Weg ins Cloud-Geschäft fort – nachdem kurz zuvor Wettbewerber Oracle RightNow übernommen hat. Der Kaufpreis lag mit 2,4 Milliarden Euro über die Hälfte höher als der aktuelle Marktwert. Cloud-Services werden mit der SuccessFactors-Lösung vor allem im Human-Ressources-Umfeld angeboten. Außerdem schnappt sich SAP den weltweit zweitgrößten Cloud-Anbieter für Handelsnetzwerke Ariba für 3,3 Milliarden Euro.
2011
In 2011 ist das Formtief vergessen, die Walldorfer fahren die besten Ergebnisse ihrer Geschichte ein. Die Innovationsstrategie geht auf, auch wenn zwischendurch gezweifelt wurde, ob SAP seinen Kunden nicht davon-sprintet: 2011 implementieren die ersten Kunden die In-Memory-Plattform HANA, immer mehr Kunden nutzen die mobilen Lösungen, die aus dem Sybase-Deal entstanden sind.
2010
Der Paukenschlag: Hasso Plattner reißt mit dem Aufsichtsrat das Ruder herum. Der glücklose Léo Apotheker, der zuvor mit der Erhöhung der Wartungsgebühren viele Kunden vor den Kopf gestoßen hatte, muss gehen. Die neue Doppelspitze aus Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe verspricht den Anwendern wieder mehr Kundennähe. CTO Vishal Sikka wird Vorstandsmitglied und SAP übernimmt Sybase, einen Anbieter für Informationsmanagement und die mobile Datennutzung, zum Preis von etwa 5,8 Milliarden Dollar.
2008
Mit der Erhöhung der Wartungsgebühren von 17 auf 22 Prozent und den Modalitäten des „Enterprise Support“, die viel Aufwand für die Anwender bringen, verärgert SAP seine Kunden massiv. Trotz intensiver Auseinandersetzung auf dem DSAG-Kongress bleibt SAP bei seiner Linie. Mittlerweile ist Léo Apotheker zweiter Vorstandssprecher neben Kagermann. Ende des Jahres beugt sich SAP dem Kundenwiderstand.
2008
Die größte Übernahme in der Unternehmensgeschichte: 2008 kauft SAP den Business-Intelligence-Spezialisten Business Objects für 4,8 Milliarden Euro und wird damit der bisherigen Strategie untreu, aus eigener Kraft zu wachsen. Die Integration mit der eigenen SAP-BI-Palette gestaltet sich aufwendig und wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Die 44.000 BO-Kunden sollen dabei helfen, die Kundenzahl bis 2010 auf 100.000 zu steigern.
2007
Über viele Jahre hinweg entwickelt SAP an der SaaS-ERP-Lösung Business byDesign für kleinere Unternehmen. Rund drei Milliarden Euro wurden laut „Wirtschaftswoche“ im Entstehungsprozess versenkt. Trotz der Arbeit von 3000 Entwicklern kommt die Software Jahre zu spät. Obwohl innovativ, hat es die Lösung schwer im deutschen Markt. 2013 wird byDesign ins Cloud-Portfolio überführt.
2006
Mit „Duet“ bringen SAP und Microsoft eine gemeinsame Software auf den Markt, mit der sich MS Office einfach in SAP-Geschäftsprozesse einbinden lassen soll. 2006 wird auch die Verfügbarkeit der neuen Software SAP ERP angekündigt, die auf dem SOA-Prinzip (Service oriented Architecture) basiert.
2003
Abschied des letzten SAP-Urgesteins: Hasso Plattner zieht sich aus dem Vorstand zurück und geht in den Aufsichtsrat, Henning Kagermann wird alleiniger Vorstandsprecher. SAP stellt die Integrationsplattform NetWeaver vor, die Basis für künftige Produkte sein soll. Die Mitarbeiterzahl liegt jetzt bei 30.000.
2002
Der ERP-Hersteller will das bisher vernachlässigte Feld der KMUs nicht mehr dem Wettbewerb überlassen. Auf der CeBIT 2002 stellt SAP mit Business One eine ERP-Lösung für kleine bis mittelständische Unternehmen mit rund fünf bis 150 Mitarbeitern vor. Doch einfach haben es die Walldorfer in diesem Marktsegment nicht. Zu stark haftet der Ruf an den Walldorfern, hauptsächlich komplexe und teure Lösungen für Konzerne zu bauen.
1999
Die New Economy boomt und der E-Commerce hält Einzug bei SAP: Plattner kündigt die neue Strategie von mySAP.com an. Die Software soll Online-Handels-Lösungen mit den ERP-Anwendungen auf Basis von Webtechnologie verknüpfen. Im Vorjahr hatten die Walldorfer ihr Team um die Hälfte verstärkt, jetzt arbeiten 20.000 Mitarbeiter bei SAP. Weil die Kunden beim Umstieg mehr zahlen sollen, gibt es längere Zeit Gegenwind, schließlich werden die Internet-Schnittstellen auch im Rahmen der R/3-Wartung geboten. Derweil ist die Zentrale gewachsen.
1997
Die SAP-Anwender organisieren sich in der Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG), um ihre Interessen gemeinsam besser vertreten zu können. Laut Satzung ist das Ziel des Vereins die „partnerschaftliche Interessenabstimmung und Zusammenarbeit zwischen SAP-Softwarebenutzern und SAP zum Zweck des Ausbaus und der Verbesserung der SAP-Softwareprodukte“.
1997
Der ERP-Hersteller feiert sein 25. Jubiläum, zum Gratulieren kommt Bundeskanzler Helmut Kohl, der im Jahr darauf von Gerhard Schröder abgelöst wird. Der Umsatz liegt bei über sechs Milliarden Mark, das Geschäftsergebnis erstmals über der Milliarden-Grenze. Mehr als zwei Drittel werden im Ausland erwirtschaftet. SAP beschäftigt knapp 13.000 Mitarbeiter und geht an die die Börse in New York (NYSE).
1995
1995 versucht der ERP-Anbieter erstmals, in Zusammenarbeit mit Systemhäusern den Mittelstandsmarkt zu beackern. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis sich mehr mittelständische Unternehmen auf die komplexe Software einlassen wollten. Mit knapp 7.000 Mitarbeitern erwirtschaftet SAP einen Umsatz von 2,7 Milliarden Mark, mehr als doppelt so viel wie noch zwei Jahre zuvor. Rudolf Scharping, damals noch SPD-Parteivorsitzender, kommt zu Besuch.
1993
Shake-Hands zwischen Plattner und Gates. SAP schließt ein Kooperationsabkommen mit Microsoft ab, um das System R/3 auf Windows NT zu portieren. SAP kauft zudem Anteile am Dokumentenmanagement-Anbieter IXOS. Zum ersten Mal überschreiten die Walldorfer die Milliardengrenze beim Umsatz.
1992
Seit 1992 wird R/3 ausgeliefert. Die Walldorfer hatten die Software für die AS/400 von IBM konzipiert, nach Performance-Problemen wich man auf Unix-Workstations mit Oracle-Datenbank im Client-Server-Prinzip aus. Das internationale Geschäft wächst: 1992 verdient die SAP im Ausland schon knapp die Hälfte von dem, was sie in Deutschland einnimmt. Der Gesamtumsatz beläuft sich auf 831 Millionen Mark. 3157 Mitarbeiter sind jetzt für SAP tätig.
1991
In diesem Jahr steigt Henning Kagermann (rechts im Bild), der seit 1982 die Entwicklungsbereiche Kostenrechnung und Projektcontrolling verantwortet, in den Vorstand auf.
1990
SAP übernimmt das Softwareunternehmen Steeb zu 50 Prozent und das Softwarehaus CAS komplett, um das Mittelstandsgeschäft zu verstärken. Die Mauer ist gefallen und die Walldorfer gründen gemeinsam mit Siemens Nixdorf und Robotron die SRS in Dresden. Die Berliner Geschäftsstelle wird eröffnet und SAP hält seine erste Bilanzpressekonferenz ab.
1988
SAP geht an die Börse: Hasso Plattner am ersten Handelstag der SAP-Aktie.
1987
Der erste Spatenstich: Dietmar Hopp startet 1987 den Bau der SAP-Zentrale in Walldorf.
1983
1983 zählt das Unternehmen 125 Mitarbeiter und erwirtschaftet 41 Millionen Mark im Jahr. Nach der Fibu adressiert SAP auch das Thema Produktionsplanung und -steuerung. Beim Kunden Heraeus in Hanau wird zum ersten Mal RM-PPS installiert. Im Jahr zuvor hatten die Gründer von SAP (v.l.: Dietmar Hopp, Hans-Werner Hector, Hasso Plattner, Klaus Tschira) zehnjähriges Jubiläum gefeiert.
1979
SAP setzte sich mit dem Datenbank- und Dialogsteuerungssystem der IBM auseinander: Das war der Auslöser eine die Neukonzeption der Software und Grundstein für SAP R/2. Aus den Realtime-Systemen entstand in den 70iger Jahren das Online Transaction Processing (OLTP). So sahen Anfang der 80iger Jahre die Arbeitsplätze bei SAP aus.
1976
Die Software sollte Lohnabrechnung und Buchhaltung per Großrechner ermöglichen. Anstatt auf Lochkarten wurden die Daten per Bildschirm eingegeben – das nannte sich Realtime und das „R“ blieb über Jahrzehnte Namensbestandteil der Lösungen. Weil die Software erstmals nicht nur für ein Unternehmen entwickelt wurde, sondern universeller einsetzbar war, gilt SAP als Miterfinder des Standardsoftware-Ansatzes. Aber auch der Fußball kam nicht zu kurz: Das Computerteam mit Hasso Plattner und Dietmar Hopp auf dem Feld.
1972
1972 gründen die fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter Claus Wellenreuther, Hans-Werner Hector, Klaus Tschira, Dietmar Hopp und Hasso Plattner das Unternehmen „SAP Systemanalyse und Programmentwicklung“. Sie wollen eine Standardanwendungssoftware für die Echtzeitverarbeitung schaffen, die sich für unterschiedliche Unternehmen nutzen lässt und die Lochkarten ablöst.

Warum glauben Sie das?

Henning Kagermann: Weil es drei unterschiedliche Integrationsrichtungen in einer vernetzten Industrie gibt.

Die Horizontale, also die Integration auf der Ebene ERP, CRM etc., stellt die dynamischen Wertschöpfungsnetzwerke bereit, so dass sich beispielweise Prozesse ad hoc neu adjustieren lassen. Das kann man mit den heutigen Lösungen noch nicht. Das werden die Hersteller aber hinkriegen, etwa über automatisiertes Contracting und Agenten.

Die vertikale Integration, umfasst die besprochenen drei Schichten einer Industrie 4.0. Bislang habe ich von keinem Hersteller gehört, der alle drei Schichten beherrschen möchte. Hier dreht sich alles um die wesentliche Frage: Wie können wir zusammenarbeiten?

Die dritte Integrationsrichtung streben Unternehmen wie Siemens an: Man möchte das Engineering von Ende zu Ende durchgängig gestalten. Produktdesign und das Produktions-Engineering sollen immer Hand in Hand gehen. Wenn ein Hersteller ein Produkt entwirft, entwickelt er zugleich das Produktionsverfahren mit. Daran haben Hersteller wie Siemens ein großes Interesse, weil heutige Werkzeuge, Daten und Abläufe nicht kompatibel sind. Es gibt Medienbrüche und Sprünge.

Die Rahmenbedingungen von Industrie 4.0 werden stark von Verbänden und Herstellern vorangetrieben. Sind Firmen eingebunden, die eigene Industrie-4.0-Produktionsanlagen betreiben?

Henning Kagermann: Ja, und die ersten Fabriken sind schon in Betrieb, etwa bei Wittenstein, einem mittelständischen Hersteller von hochpräzisen Antrieben und Getrieben.

Wittenstein hat damit eine nachhaltige Fabrik gebaut, in der der Verbrauch von Energie und Ressourcen deutlich reduziert werden konnten.

Die Entwicklung wird zweigleisig verlaufen: Einige Anwender werden neue Fabriken aufbauen, andere werden neue Anwendungsfälle in vorhandene Installationen integrieren. Letzterer Fall hält besondere Herausforderungen in der Migration und in der Sicherheit bereit, die gelöst werden müssen. Hier streben die Unternehmen häufig eine verbesserte Wartung der Maschinen an, die aufgrund der Analyse der Maschinendaten vorausschauend erfolgen und damit die Standzeiten reduzieren kann. Man kann die Daten aus einer vernetzten Fertigung auch für ein besseres Energie-Management verwenden, um etwa eine effiziente Start-Stopp-Automatik in der Produktion einzuführen, wie wir es von Autos kennen.

In der Logistik lässt sich durch den RFID-Einsatz die Zahl der Paletten und Fehlerquellen reduzieren. Es gibt Erhebungen, wonach die konsequente Nutzung von RFID in der Retail-Branche die vorhandenen Ressourcen so entlasten kann, dass acht Milliarden Euro Mehrumsatz pro Jahr möglich sind.

Massenfertigung mit Losgröße eins ist das Ziel

Die Möglichkeiten einer Industrie 4.0 regen zu Phantasien an. Wenn es um konkrete Beispiele geht, stehen meist Einsparungen im Vordergrund. Ist das alles?

Henning Kagermann: Um es kurz zu machen: Es geht um Flexibilität, Produktivität und schnellere Innovationszyklen durch bessere Rückkoppelung.

Flexibilität war der Auslöser der Initiative, das Zauberwort heißt Losgröße eins. Das bedeutet, dass Fertigung und Servicebetrieb bedarfs- und verbraucherorientiert erfolgen.

Wenn die Flexibilität mit einer Losgröße eins im Extremfall nicht durch höhere Preise zu erzielen ist, weil der Markt das nicht hergibt, muss die Produktivität besser werden. Unterm Strich wird die Fertigung dadurch ressourcenschonender und nachhaltiger.

Das Versprechen lautet: Hohe Flexibilität, bessere Produktivität, effizienter Ressourcenverbrauch.

Und es gibt einen weiteren Effekt: Wir können die Fertigung wieder in urbane Räume verlagern, so dass sich der Pendelverkehr zwischen Arbeitsplatz und Wohnort reduziert. Die Fabriken rücken näher an den Lebensmittelpunkt der Mitarbeiter.

Deshalb bin auch davon überzeugt, dass Industrie 4.0 abheben wird: Sie bringt wirtschaftliche, ökologische und soziologische Besserung. Mit diesem Dreiklang spricht die Industrie 4.0 alle beteiligten Stakeholder an.

Industrie 4.0 auf der Hannover Messe Industrie -
Industrie 4.0 und Cloud Computing
Die HARTING Technologiegruppe präsentieren auf der Hannover Messe Industrie zusammen mit SAP auf ihren Messeständen zwei identische Exponate. Die Ausstellungsstücke sind über Sensoren und die Cloud miteinander verbunden. Das Szenario soll die vertikale Integration im Unternehmen verdeutlicht: Also von den Messdaten der Maschinen über die Back-End-Systeme bis hin zur Steuerung der Unternehmensprozesse. (Das Bild zeigt eine Installation im Rahmen des Forschungsprojekts SmartFactory, das vom DFKI gesteuert wird.)
Apps in der Fertigung
Bosch Rexroth möchte die Maschinenbedienung über mobile Geräte verbessern. Mit „Open Core Engineering“ können Maschinenhersteller eigene Apps für die Automatisierung mit Rexroth-Steuerungen erstellen.
Automatische Autofertigung
IBG, Hersteller von Produktionssystemen, will auf der HMI die vollautomatische Fertigung von Kleinstfahrzeugen demonstrieren. Die Einzelteile werden in Kartons angeliefert, von Robotern am Stand zum fahrtüchtigen Auto zusammengefügt und abschließend wieder demontiert und in Kisten verpackt.
Analoge Signale digitalisieren
Der Elektrotechnik-Anbieter Weidmüller zeigt auf der Messe die Steuerungseinheit „ACT20C“, die analoge Maschinendaten in digitale Signale umsetzt.
Sicherheit von Anlagen
Der Security-Spezialist Wibu Systems liefert Chips, Sticks und Karten in diversen Formaten und mit gängigen Schnittstellen, mit denen sich digitalisierte Maschinen und Anlagen um Verschlüsselungstechniken aufrüsten lassen.
Signaldaten speichern
Der Bildschirmschreiber ScreenMaster Plus von ABB erfasst analoge Daten und stellt sie auf dem Bildschirm dar. Sämtliche Messungen werden lokal und zentral gespeichert. Das Gerät verfügt über einen Touchscreen, ist via USB-Schnittstelle aber auch mit Tastatur zu bedienen.
Intelligente Strommessung
Aus dem Partnerland Niederlande zeigt das Unternehmen Inepro Metering verschiedene Smart Meter.

Das klingt zu schön, um wahr zu sein.

Henning Kagermann: Zugegeben, das ist unsere Vision. Die muss man aber erzählen, um das Ziel zu veranschaulichen, um die Leute mitzunehmen.

Digitalisierung verändert Marktstrukturen

Über welche Zeiträume reden wir?

Henning Kagermann: Das Projekt der Firma Wittenstein ist konkret, die Innovationsfabrik wurde im Mai eröffnet. Doch das ist eine Ausnahme. Insgesamt reden wird über einen langen Zeitraum. Erste Industrie-4.0-Produkte werden in drei Jahren erscheinen. Bis die vernetzte Fertigung echte erkennbare Formen annimmt dürften zehn Jahre vergehen.

Wenn das reicht. Maschinen haben Abschreibungszeiträume, die in Jahrzehnten gemessen werden.

Henning Kagermann: Der Prozess wird evolutionär verlaufen. Aber wenn man in 15 Jahren zurückblickt, wird es wie eine Revolution erscheinen.

Viele der großen IT-Unternehmen haben heute Probleme, sie erzielen nicht mehr das Wachstum früherer Jahre. Ist die digitale Vernetzung eine Möglichkeit, wieder mehr Fahrt aufzunehmen?

Henning Kagermann: Das ist nicht nur in der IT-Industrie so, sondern in nahezu allen Branchen. Sehen Sie sich die Energiewirtschaft an, dort macht die Dezentralisierung in der Energiegewinnung den Versorgern zu schaffen. Die Diskussionen über Smart Grid ist dort vergleichbar mit dem Thema Industrie 4.0. Es geht um individuellen Verbrauch und Erzeugung: Oder das Gesundheitswesen: Auch hier gibt es eine vergleichbare Entwicklung zur individualisierten Medizin.

Und überall stecken die gleichen IT-Methoden dahinter: Es dreht sich um die Personalisierung durch Smart Data, Ad-hoc-Vernetzung oder Simulation an digitalen Modellen.

Verlieren die früher mächtigen IT-Anbieter, die schon mal eigene Standards durchsetzen konnten, an Strahlkraft, weil die Entwicklungen dezentraler verlaufen?

Henning Kagermann: Die IT-Industrie wird sich verändern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sämtliche Lösungen von ein oder zwei großen Anbietern kommen werden. Die Chancen für Spezialisten sind groß, weil das Geschäft vielfältiger wird. Nichtsdestotrotz wird es große Betreiber von Plattformen geben.

Vorsicht vor den amerikanischen Plattformbetreibern

Die Plattformen sind heute amerikanisch dominiert.

Henning Kagermann: Das ist eine Sorge, die relevant wird, wenn man das Thema Industrie 4.0 zu Smart Services weiterführt, wenn sich also das Geschäftsmodell mehr und mehr zu Dienstleistungen verlagert.

In einer Industrie 4.0 ist der Hardware-Markt durch deutsche Anbieter gut besetzt, denn hier werden die Maschinen gefertigt. Die Software, mit der diese Maschinen intelligent werden, entsteht in den Labors von Unternehmen wie Bosch und Siemens.

Wenn sich aber zwischen diese Polen Intermediäre setzen, die auf der Dienstleistungsebene den Konsumenten versorgen, weil sie die Daten und den Kundenzugang haben, dann kann ein guter Hersteller oder OEM zu einem Lieferanten degradiert werden. Er verliert den Kundenkontakt und die Möglichkeit, die Preise zu setzen, so wie es die OEM heute mit ihren Zulieferern machen. Wer die Daten hat, hat den Kunden. Die Gefahr besteht. Leugnen hilft nichts.

Eine eigene deutsche oder europäische Plattform á la Android zu entwickeln erscheint mir undenkbar, zumal hiesige Hersteller, etwa aus der Autoindustrie, schon das Google-Betriebssystem integrieren.

Henning Kagermann: Nein, aber es wird zum Beispiel Software-defined-Plattformen für Themen wie Gesundheit und Mobilität geben. Da wäre es möglich, eigene Lösungen zu entwickeln. Das muss nicht alles neu sein, man kann vorhandene Techniken wie Suchmaschinen verwenden. Die Systemkompetenz, diese Plattformen zu entwerfen und zu betreiben, sollte lokal verankert sein.

Gibt es konkrete Arbeiten?

Henning Kagermann: Es gibt den Arbeitskreis Smart Service Welt. Wir haben auf der diesjährigen CeBIT erste Umsetzungsempfehlungen an die Bundeskanzlerin übergeben. Diese präzisieren wir nun und erarbeiten weitere Umsetzungsbeispiele, um das zu veranschaulichen. Da ist noch einiges zu tun.

Smart Services schaffen neue Wertschöpfungsketten -
Schichtenmodell Smart Service Welt
Das Modell für digitale Geschäftsmodelle sieht vier Schichten vor. In den drei oberen Ebenen werden neue Lösungen entstehen, die weitreichende Veränderungen in der globalen Wirtschaft bewirken, erwartet die Wissenschaftsakademie Acatech.
Reifegrad digitaler Geschäftsmodelle
In den Branchen Handel und Medien ist die Digitalisierung weit fortgeschritten und der Markt oftmals von US-Anbieter besetzt. In den anderen Segmenten ist das Rennen noch offen.
Smart Service
Grundlage für Smart Services sind intelligente, vernetzte Produkte und Anlagen. Sie stellen über digitale Infrastrukturen die Daten zur Verfügung, mit denen sich neue Geschäftsmodelle für Kunden kreieren und betreiben lassen.

Henning Kagermann im Porträt

Insgesamt elf Jahre leitete Henning Kagermann die SAP, Deutschlands einzigen IT-Konzern von weltweiter Bedeutung, und führte sie in das Service-orientierte Zeitalter. Heute arbeitet er als Chef der Wissenschaftsakademie Acatech daran, den Standort Deutschland auf eine digitalisierte und vernetzte Weltwirtschaft vorzubereiten. In dieser Rolle konnte Kagermann das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel gewinnen: Er ist ein wichtiger Ratgeber für IT-Standortfragen.

Der Start: Promotion und Habilitation in Theoretischer Physik

Kagermann hat in seinem Berufsleben zwei bedeutende Weichenstellungen erlebt. Eigentlich hatte eine wissenschaftliche Karriere angestrebt und mit seiner Promotion und Habilitation in Theoretischer Physik einen belastbaren Grundstein dafür gelegt. Doch nach zwei Jahre Professur an der Technischen Hochschule seiner Heimatstadt Braunschweig zog es ihn in die Wirtschaft. 1982 heuerte er beim damals noch relativ kleinen Softwarehaus SAP an, um dort die Ressorts Kostenrechnung und Projektcontrolling zu leiten. "SAP war ein schöner Abschnitt in meinem Leben, ich habe viel erlebt. Als ich angefangen habe, hatten wir 80 Beschäftigte, heute sind es 50.000", sagte er in einem Interview, das die FAZ mit ihm zum Abschluss seiner SAP-Karriere im Jahr 2009 führte.

Einstieg und Aufstieg bis zum CEO bei SAP

Bei der SAP stieg Kagermann schnell auf, nach einigen Zwischenstationen berief ihn der Aufsichtsrat 1998 neben SAP-Gründer Hasso Plattner zum Co-CEO. 2003 wurde er alleiniger Konzernlenker. Er war damit der erste SAP-Chef, der sich nicht aus den Reihen der Gründer rekrutierte. Kagermann galt immer als Techniker, Zahlenmensch und nachhaltig ausgerichteter CEO. Er führte die SAP aus der ersten schweren Krise und bereitete das Unternehmen auf die Anforderungen einer Service-orientierten IT-Welt vor. Unter seiner Leitung startete SAP erste - allerdings etwas unbeholfene - Gehversuche im Cloud-Geschäft. Kagermann fädelte mit der Business-Objects-Übernahme zudem die bis dato größte Akquisition ein. 2009 übergab er den Stab an Leó Apotheker.

Acatec-Präsident und Merkels High-Tech-Berater

Foto: acatech/David Ausserhofer

Der darauf folgende nahtlose Wechsel an die Spitze der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften e.V. (Acatech) markiert den zweiten großen Schritt in Kagermanns Berufsleben. In seinem aktuellen Job agiert er seit 2009 an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Schon 2010 machte Angela Merkel ihn zum Chef der von ihr geschaffenen "Nationalen Plattform Elektromobilität".

In der Forschungsunion, ein Gremium, das das Bundesforschungsministerium in Sachen High-Tech-Standort Deutschland berät, leitet Kagermann die Promotorengruppe Kommunikation. Hier entstanden erste Ideen und Initiativen zum Thema Industrie 4.0. Auch hier besteht eine wichtige Aufgabe darin, alle Stakeholder, also Wirtschaft, Arbeitnehmervertreter und Politik, ins Boot zu holen. Das Ergebnis spricht für sich: Kagermann ist es gelungen, die drei Branchenverbände Bitkom, ZVEI und VDMA sowie große Gewerkschaften auf der Plattform Industrie 4.0 zu versammeln. Zudem hat der Begriff Eingang in den aktuellen Koalitionsvertrag gefunden.