Ohne Edeka sähe der deutsche Einzelhandel anders aus. Mit einem Marktanteil von etwa einem Fünftel ist der Lebensmittelhändler unangefochtener Marktführer. Die drei wichtigsten Zahlen zu Edeka: rund 46 Milliarden Euro Umsatz, etwa 328.000 Mitarbeiter, rund 11.600 Märkte. Edeka, das ist ein genossenschaftlich und mittelständisch geprägter Verbund von etwa 4000 selbständigen Kaufleuten, den Nahversorgern. Sie betreiben die Märkte. Die werden von sieben regionalen Großhandelsbetrieben täglich mit Ware beliefert. Das Warengeschäft wird von der Zentrale in Hamburg aus mittels moderner IT gesteuert.
Software plant Touren der LKWs
Das Schlimmste, was Edeka passieren kann, sind leere Regale. Dass dieser Fall nicht eintrifft, dafür sorgen rund 550 IT-Spezialisten in der Lunar GmbH, einer 100-prozentigen Tochter von Edeka, die sich um die IT kümmert. Lunar hat Standorte in Mannheim und Hamburg. In der Hansestadt arbeitet Karsten Keweloh (41). Er ist verantwortlich für die Weiterentwicklung und Einführung eines Computerprogramms zur Steuerung der Lkw-Tourenplanung. "In jeder der sieben Regionen haben wir bis zu 1000 Touren täglich", berichtet er.
Um dieses gewaltige Pensum zuverlässig und effizient auf Dauer zu schaffen, setzt Edeka eine neue Software ein. Sie kann auf Basis historischer Transportmengen einen Rahmenplan für künftige Touren erstellen. Bestellt ein Händler dann Ware, plant die Software die Route individuell. Basis dafür sind die Daten aus den historischen Werten. Bei der Berechnung werden alle Logistikzentren einer Regionalgesellschaft einbezogen. Zurzeit arbeitet Keweloh daran, die Software sukzessive in den einzelnen Regionalgesellschaften einzuführen.
Informatiker müssen komplexe Prozesse verstehen
Keweloh hat Wirtschaftsinformatik studiert und sich anschließend ganz bewusst für die Logistik entschieden - sein Vater ist Logistiker, und er hat als Schüler und Student in der Logistik gearbeitet: "Logistik ist vielfältig. Warenein- und -ausgang, Kommissionierung und die Technik schreiten rasch voran." Viele der 36 Edeka-Logistikzentren sind teilautomatisiert, in einigen wird vollautomatisch kommissioniert: "Die Waren laufen über eine Förderstrecke, werden von Robotern entnommen und für den Kunden zusammengestellt. Dies zu sehen, ist imponierend", so Keweloh. Er hat nach dem Studium bei einem mittelständischen Handelsunternehmen in der IT angefangen, später in ein größeres gewechselt und dort beispielsweise ein Logistikverwaltungssystem eingeführt. Seit 2010 ist er bei Lunar Projekt-Manager.
Die Herausforderung an IT in der Logistik beschreibt er so: "Um als Informatiker in der Logistik zu arbeiten, ist es notwendig, die komplexen Prozesse zu verstehen, um ihre Steuerung effizient, sicher und einfach zu bedienen und in Softwarelösungen abzubilden." Software soll dabei unterstützen, dass die Waren immer frischer, schneller und kostengünstiger beim Kunden sind. Dass die Anwendungen stabil laufen, ist Grundvoraussetzung, weil niemand leere Regale sehen will. "In der Logistik ist immer was los", sagt Keweloh. Logistiker würden sehr wohl wissen, was sie brauchen. Aber sie seien umgänglich. "Manchmal müssen wir auch improvisieren", sagt er. Denn wenn ein Liefertermin nicht eingehalten werde, rufe der Kunde fünf Minuten später an. Das sei der Charakter der Logistikbranche.
Ohne IT ist Logistik nicht mehr denkbar
Die Logistik ist nach dem Automobilbau und dem Handel mit rund 2,9 Millionen Beschäftigten der drittgrößte Wirtschaftsbereich in Deutschland. Rund 235 Milliarden Euro wurden 2014 erwirtschaftet, teilt die Bundesvereinigung Logistik mit. Der Trend bei den Beschäftigten sei weiterhin leicht steigend, wie auch der Umsatz.
Die studierte Logistikerin Frauke Heistermann ist Mitglied des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik, sie ist Mitbegründerin und Mitglied der Geschäftsleitung von Axit in Frankenthal, nahe Mannheim. Axit ist ein Tochterunternehmen von Siemens, das sich mit der "Königsdisziplin der IT in der Logistik beschäftigt", wie Heistermann sagt, und zwar "mit der Entwicklung von Software zur Verwaltung von Lieferketten auf Basis von Cloud-Lösungen, so dass alle Beteiligten immer in Echtzeit informiert sind".
"Ohne IT ist Logistik nicht mehr denkbar", so Heistermann. Früher sei IT in der Logistik lediglich ein Tool gewesen. "Heute ist sie Treiber von Innovationen." Beispiel: mobiles Internet im Führerhaus von Lkws. Logistik ist der Warenfluss, IT der Informationsfluss. IT integriert alle Beteiligten. Auftraggeber, Hersteller, Zulieferer, Spediteure. Weltweit. Und Logistik bringt Transparenz in den Warenfluss von A nach Z. "Je mehr Transparenz ein IT-System liefert, umso besser kann man steuernd und regelnd eingreifen und braucht weniger teure Feuerwehreinsätze." Und schließlich kann IT auch Entscheidungen vorbereiten. Erkennt sie eine Verspätung, so schlägt das Programm vor, anstelle der konventionellen auf Expressfracht umzusteigen - um den Termin zu halten. In der Logistik ist Termintreue das höchste Gebot.
Die Berufschancen von Informatikern in der Logistik bewertet Heistermann als "sehr gut, wenn sie Prozesswissen haben". Logistik ist ein Prozessbegleiter, IT-Spezialisten müssen deshalb verstehen, wie Logistik funktioniert. Spezielle Kenntnisse über Technologien seien nicht vonnöten. "Aber: Software für unsere Branche muss flexibel und agil sein, darf nicht in Beton programmiert werden, weil sich Anforderungen rasch ändern können." Etwa Mengen, Routen, Termine. Arbeitgeber für Informatiker in der Logistik sind Logistikunternehmen wie Schenker oder DHL, IT-Dienstleister wie Axit, und auch manche Konzerne beschäftigen sie für Entwicklung, Pflege, Individualisierung von Software oder im Projekt-Management.
Vermittler zwischen zwei Welten
Wie René Matera (32) bei Axit. Er hat an der Dualen Hochschule Mannheim angewandte Informatik studiert, sein Ausbildungsbetrieb war auch sein heutiger Arbeitgeber. Gleich nach seinem Studium, das war 2009, hat er der Technik Adieu gesagt und ist ins Projekt-Management gewechselt: "Ich bin im Customizing und sorge dafür, dass unser bestehendes System flexibel an Kundenwünsche angepasst wird." Matera arbeitet an der Schnittstelle zwischen Business und IT. "Dort prallen unterschiedliche Welten aufeinander. Deshalb sind Interessenkonflikte üblich."
Matera vermittelt zwischen Ansprüchen und ihrer Machbarkeit. Dazu muss er Kundenprozesse verstehen und wissen, wie sich diese mit dem Standardbaukasten-System abdecken lassen. Neben technischem Verständnis braucht er vor allem Kommunikationsfähigkeit, und er muss wissen, wie Konflikte gelöst werden. Je mehr sich Informatiker von der Technik entfernen, umso mehr rücken andere Skills in den Vordergrund.
Softwareentwicklung in Polen ohne Kostenvorteil
Axit entwickelt Software für die Logistik und beschäftigt rund 130 Mitarbeiter. Die Hälfte davon arbeitet in der Programmierung zu gleichen Teilen am Unternehmenssitz in Frankenthal und in Breslau. Dort hat Axit ein Softwareunternehmen übernommen. Die Stadt im Südwesten Polens hat eine der größten Universitäten Europas. "Insbesondere gibt es dort einen sehr guten Lehrstuhl für Mathematik und Informatik", lobt Frauke Heistermann aus der Geschäftsleitung von Axit. Kontakte zu dem dortigen Professor sorgen für neue Mitarbeiter. "Kostenvorteile bestehen in Polen schon lange nicht mehr", sagt Heistermann. Das Gehaltsniveau von Informatikern in Breslau sei vergleichbar mit dem in Deutschland.