Die Gewinner des Web 2.0-Hypes sind die Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle nicht nur auf das Internet ausgerichtet haben, sondern auch darauf, dass Nutzer ihres Dienstes die Inhalte aktiv mitgestalten. Insbesondere sind das Unternehmen aus dem Bereich "Social Networking" wie LinkedIn, MySpace oder der jüngste Shooting Star der Szene, Facebook. Manche dieser Unternehmen sollten ursprünglich gar keinen kommerziellen Zweck erfüllen, werden aber heute höher bewertet als mancher traditionelle Industriegigant. Droht hier eine neue Internet-Blase 2.0?
Fakt ist: Die Nutzer dieser Seiten wollen sich mitteilen und das Medium interaktiv nutzen ("lean forward"-Einstellung). Die Frage für Unternehmen der Offline-Welt ist nun: Ist Web 2.0 ein Trend, an dem man teilhaben sollte - und wenn ja, wie?
Einige Ansätze sind im Markt selbst zu finden, etwa die Nutzung von Job-Communities oder die interne und externe Kommunikation durch Blogs und Marketing-Kampagnen in virtuellen Welten. Zur internen Kommunikation und Zusammenarbeit bieten sich vor allem Blogs und Wikis an, um den traditionellen Meinungsaustausch in der Kaffeeküche in einen professionellen Wissens-Management-Ansatz zu überführen.
Diese Ansätze berühren jedoch nicht die Kernprozesse eines Unternehmens. Gepaart mit mangelnder Integration in Arbeitsabläufe, rechtfertigt der Ertrag oft nicht den Aufwand. Wirtschaftlich sind dagegen Web-2.0-Technologien dort einsetzbar, wo sie Kernprozesse weiterentwickeln, beispielsweise in Technologie-Industrien, die mit immer schneller werdenden Produktlebenszyklen konfrontiert sind. Innovation ist dort der Schlüssel, um sich gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren. Forschung und Entwicklung sind die Kernprozesse, wo besonders zwei Modelle des Web 2.0-Einsatzes denkbar sind:
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Collaborative Innovation: Interner Einsatz, um Mitarbeiter in der Frühphase der Produktinnovation zu beteiligen
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Open Innovation: Externer Einsatz von Kunden in der Produktweiterentwicklung
In der Frühphase der Produktinnovation können Unternehmen mit ausgeprägter Innovationskultur die Mitarbeiter beispielsweise mit Wikis und Blogs an der Ideen-Entwicklung beteiligen. Wikis sammeln dezentral vorhandenes Wissen und stellen es vielen Mitarbeitern zentral zur Verfügung. Blogs ermöglichen Mitarbeitern, überregional zusammenzuarbeiten. Sie können so Ideen mit ihren Kollegen diskutieren, bewerten und weiterentwickeln. Der Aufwand, um die Ideen aufzunehmen und zu bewerten, können Unternehmen hier also bereits früh minimieren. Beides, die offene Teilnahme sowohl an Wikis als auch an Blogs, können sie durch entsprechende Anreize fördern.
Web 2.0 unabhängig vom Geschäftsmodell einsetzbar
Dass sich das lohnt, zeigt eindrucksvoll der Bericht "Ideen-Management in Deutschland" des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft, das jährlich Unternehmen zu Verbesserungsvorschlägen ihrer Mitarbeiter befragt. Demzufolge gingen 2006 Einsparungen in Höhe von etwa 1,48 Milliarden Euro auf Verbesserungsvorschläge zurück, die mit insgesamt rund 163 Millionen Euro prämiert wurden. Dieser Ansatz eignet sich sowohl für Zulieferer (B2B) als auch Consumer Brands (B2C), da Web 2.0 hier unabhängig vom Geschäftsmodell einsetzbar ist. Mehr noch: Es lassen sich auch weitere Stakeholder mit einbeziehen, wie Lieferanten und Partner.
Anders beim externen Einsatz der Produktweiterentwicklung: Diesen Ansatz können nur Unternehmen und Geschäftseinheiten wählen, die auch Kundenkontakt pflegen (B2C Consumer Brand). Ein interessantes Beispiel ist hier das "Consumer Innovation Lab" von BMW. 2003 hat BMW zusammen mit einer Agentur ein multimediales Web-Tool eingesetzt, um Kunden zu animieren, Ideen zu speziellen Themen abzugeben und sie hinsichtlich Kundennutzen, Marktpotenzial, Innovationshöhe und technische Realisierbarkeit zu beurteilen. Nach Angaben der Agentur wurden hierdurch 215 Ideen von 1.045 Teilnehmern entwickelt.
Es kann je nach individuellem Nutzen und Produktlebenszyklus interessant sein, mit diesen und anderen punktuellen Ansätzen eine kontinuierliche Kommunikation mit Kunden im Innovationsprozess zu etablieren, um Produkte marktnah und letztlich mit geringerem Marktrisiko weiterzuentwickeln. Der Modemhersteller AVM ist hier ein weiteres Beispiel. Unter dem Projektnamen "Fritz! Labor" können Hardware-Nutzer die nächste Version einer Software herunterladen und anschließend bewerten. Dabei untersucht AVM auch, ob Nutzer neue Features akzeptieren.
Viele Kunden kommunizieren mit Firmen, wobei unterschiedlich gestaltete Prozesse existieren. Die Kundenanregungen im Innovationsprozess zu integrieren und das mit Web-2.0-Technologien zu unterstützen, ist ein attraktiver Ansatz. So können Nutzer einerseits in strukturierter Form kommunizieren, andererseits können sie andere Beiträge kommentieren und bewerten. Der Vorteil: Falls Nutzer die Ideen beurteilen, können Firmen diesen Kommunikationskanal mit geringem Aufwand pflegen. Es erfolgt eine natürliche Vorauswahl, Mehrheiten können sich für die eine oder andere Idee bilden und Firmen können ihre internen Innovations-Ressourcen gezielt einsetzen. Dies gilt sowohl für Collaborative Innovation als auch für Open Innovation.
Alexander Brenner und Alexander Mahr sind Berater im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants in Hamburg und München.