Einfach ausgedrückt, sollen die Xapps von SAP die Komplexität heterogener DV-Landschaften beseitigen, indem sie eine prozessorientierte Anwendungsoberfläche bereitstellen. Eine Xapp könnte beispielsweise auf Daten aus dem Enterprise-Resource-Planning- (ERP-) System von SAP, der Customer-Relationship-Management- (CRM-) Umgebung von Siebel sowie der Content-Management-Lösung eines dritten Anbieters zugreifen, um Geschäftsvorgänge in einer einzigen Anwendung zu verarbeiten. Im Idealfall weiß der Anwender nicht einmal, welche Software-Komponenten unterhalb der Xapp laufen. Nach Darstellung von SAP geht das Konzept über die Funktionen einer Enterprise Application Integration (EAI) hinaus, die meist nur eine Datenverknüpfung, nicht aber eine Prozessintegration herstellt.
"Xapps sind funktionsübergreifend; sie nutzen also Mechanismen von Applikationen wie CRM, ERP, Personalverwaltung, Supply Chain Management (SCM) und Supplier Relationship Management (SRM), um Lücken zwischen diesen Systemen zu schließen", erläutert Peter Graf, Vice President Market Strategy bei SAP, im Gespräch mit der Computerwoche. Auf diese Weise entstehen Composite Applications, sprich Anwendungen, die verschiedene Systemkomponenten einbinden. Eine erste Xapp namens Resource and Program Management (xRPM) soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Damit können Unternehmen ihr Produkt-Portfolio optimieren. Zu den Funktionen zählen eine Expertensuche, Budgetplanung und Projektmanagement. Angebunden werden unter anderem Systeme für Personalmanagement und Product Lifecycle Management, Terminverwaltung und E-Mail-Server. Nach Angaben von SAP laufen bei ersten Kunden aus der Pharmabranche sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie bereits Projekte mit xRPM; genauere Angaben wollen die Walldorfer zum jetzigen Zeitpunkt nicht machen.
Ab Mitte 2003 will SAP eine weitere Xapp ausliefern. Die Arbeitsumgebung Employee Productivity (xEP) bündelt Funktionen aus Kunden-, Lieferanten- und Produktzyklusmanagement, Logistik, Rechnungs- und Personalwesen. Sie stellt Funktionen zur Bearbeitung von Geschäftsprozessen und für die Zusammenarbeit in Teams bereit, welche auch Inhalte aus Business Intelligence und Knowledge Management umfassen.
SAP entwickelt die Cross Applications nicht allein; Partner wie Accenture oder Pricewaterhouse-Coopers sollen ihre Projekterfahrung beisteuern. Auf der SAPAnwendermesse Sapphire in Lissabon zeigte SAP erste gemeinsam entwickelte, branchenspezifische Xapps für die Öl- und Gas- sowie die chemische Industrie.
Java statt Abap
Xapps werden nicht in der SAP-Programmiersprache Abap, sondern komplett in Java implementiert. Sie laufen auf dem SAP-Web-Application-Server und greifen auf die Integrationskomponenten von My SAP Technology zurück. Die Benutzerschnittstelle bildet das SAP-Enterprise-Portal, das sowohl Business-Logik als auch die für Geschäftsprozesse relevanten Inhalte in einem Browser-Interface zusammenführt. Dazu kommen Collaboration-Funktionen und Connectivity-Packages, die SAPentwickeln will, um Fremdanwendungen ins Portal einzubetten. So genannte Extraktoren dienen schließlich dazu, Informationen aus Datenbanken und Applikationen auszulesen.
Zwar liefert der Software-Konzern eine komplette Umgebung mit vorgefertigten Funktions- und Integrationsmodulen; diese müssen gleichwohl auf die jeweilgen Anforderungen abgestimmt werden. Mit den Xapps verspricht SAP seinen Kunden viel. Die Idee, heterogene Systeme in eine übergeordnete Prozessschicht zu integrieren, ist allerdings nicht ganz neu; einige Firmen für EAI- und Portal-Software bieten Ähnliches. Doch bislang hat noch kein Applikationshersteller so wie jetzt SAP darauf gezielt, eine komplett integrierte Anwendungs-Suite zu verkaufen. Der Erfolg des Xapps-Konzepts wird davon abhängen, ob und wie es den Walldorfern gelingt, nicht nur die eigenen, sondern auch Fremdprodukte einzubeziehen. Die geplante Herangehensweise, Konkurrenzsysteme wie Siebels CRM- Produkte einzubinden, statt sie abzulösen, dürfte sich für den Kunden auf jeden Fall als vorteilhaft erweisen.