Ausreichend Schlaf, regelmäßige Pausen und ein Wochenende mit Bewegung im Freien: Mit diesen Appellen erntete der Mediziner Dr. Jürgen Schürholz auf der Jahrestagung des CIO-Circle in Stuttgart rundum Zustimmung. "Gesundheit braucht selbstbestimmte Rhythmen", ermahnte der Mitgründer der anthroposophischen Filderklinik in der Nähe von Stuttgart die rund 90 Zuhörer im Hotel Mövenpick Airport. Für die IT-Chefs warf er mit seinem Vortrag die Frage auf, wie sich die Arbeit als IT-Verantwortlicher überhaupt mit einem ausgeglichenen Lebensstil vereinbaren lässt.
Dass die Frage dringlich ist, hatte Peter Meyerhans von Drees & Sommer, der die zehnte Circle-Jahrestagung federführend organisierte, zu Beginn des ersten Kongresstages dargestellt: Typische CIO-Arbeitstage fingen oft früh an und endeten nicht selten spät bei einem "Business-Dinner, bei dem man etwas zu viel Alkohol trinkt und zusätzlich noch Kaffee trinkt, um nicht einzuschlafen". Man vernachlässige regelmäßig die Work-Life-Balance, und das mache auf Dauer unzufrieden. Grund genug für das Organisationskomitee um Meyerhans, unter dem Titel "Der CIO als Change Manager" einmal einen etwas anderen Blick auf die Arbeit von CIOs zu werfen. "Wir sind ja nicht nur Arbeitstiere, sondern auch Menschen", so der IT-Chef von Drees & Sommer.
Pannen im Rechenzentrum stören den Essensrhythmus
Schürholz verwies immer wieder auf Rhythmen als Grundlage für ein gesundes Leben. Regelmäßigkeiten im Leben zu verankern, kann nach seinen Worten durchaus anstrengend sein. Mit Verweis auf Aaron Antonovsky, den er als Vater der Salutogenese-Forschung - der Lehre von der Entstehung und Aufrechterhaltung von Gesundheit - vorstellte, beschrieb Schürholz körperliches und geistiges Wohlbefinden als "das Ergebnis einer ständigen, selbst gesteuerten Arbeit im Überwinden von Krankheitstendenzen".
Und solche Krankheitstendenzen lauern viele im Berufsleben von CIOs. Wie schnell ist durch lange Arbeitstage mit Systemabstürzen oder Problemen im Rechenzentrum etwa der Ernährungsrhythmus gestört. Viele Gesundheitsprobleme von Blähungen bis Fettleber hätten ihre Ursache in langjährigem, unregelmäßigem Essen, sagte Schürholz. Vorbeugen lasse sich, indem man für den Magen-Darm-Trakt "Phasen der Aktivität ganz bewusst schaffe", sagte der Arzt.
Ähnlich wichtig seien Rhythmen für das Herz. Sinnbildlich für den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung zeigte Schürholz an einem Schaubild, wie bei steigender Herzfrequenz die Anspannungsphase des Herzmuskels fast gleich lang bleibt, während die Entspannungsphase immer kürzer wird. Abgeleitete Schlussfolgerung des Mediziners: "Stress ist notwendig und akzeptabel, wenn die Entspannung folgt."
Mitarbeiter-Cloud statt fest angestellter Kollegen
Was Schürholz als Basis für dauerhafte Gesundheit beschrieb, stand zum Teil im krassen Gegensatz zu dem Szenario, das zuvor Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) über die Arbeitswelt von heute und morgen gezeichnet hatte. Wegen der Bevölkerungsentwicklung sei die Diskussion um die Rente mit 67 "nur der Anfang" gewesen. "Künftig dürfen oder müssen wir noch länger arbeiten", sagte der stellvertretende Leiter des IAO.
Zudem verändere das "Prinzip Cloud" Leben und Arbeiten grundsätzlich. Unternehmen beschäftigten nur noch einen Teil der Belegschaft im festen Angestelltenverhältnis, vorstellbar sei, dass künftig die Mehrheit "in einer Art Cloud arbeite - flexibel und für verschiedene Unternehmen", so Bauer. Arbeit werde sich in den Dimensionen Zeit, Ort und Struktur in den kommenden Jahren deutlich flexibilisieren. Nach den Worten von Bauer entsteht dadurch ein "hybrides Leben und Arbeiten".
Die von Schürholz beschriebenen Mechanismen für gesundes Leben also nicht mehr als eine schöne Wunschvorstellung für IT-Manager? Denn schließlich erleben viele CIOs genau die von Bauer geschilderte Entgrenzung der Arbeit und ihre Vermischung mit dem Privatleben schon heute - das machten die Gespräche zwischen den Vorträgen und in der Mittagspause deutlich. Unmöglich sei es nicht, beides zu vereinbaren, machte Schürholz den Tagungsgästen Mut. Bei aller Flexibilität müsse man eben an einem bestimmten Punkt "mit dem Umdrehen des Schlüssels an der Haustür" den Arbeitstag abends hinter sich lassen.
Letzte Circle-Tagung in diesem Rahmen
Auf der Agenda der zehnten Jahrestagung des CIO-Circle steht als weiteres Thema die Frage, wie es nach der Gründung des Anwenderverbands "Voice" im vergangenen Jahr mit dem Netzwerk weitergeht. Er blicke "mit Freude und Wehmut" auf das diesjährige Treffen, sagte Organisator Peter Meyerhans. Denn es werde die letzte Konferenz in diesem Rahmen sein. Der Circle mit seinen rund 900 Mitgliedern ist gerade dabei, im neuen Verband "Voice" aufzugehen. Der Stand und die nächsten Schritte in diesem Prozess stehen für den zweiten Tag der Circle-Konferenz auf dem Programm.