Zahlreiche IT-Projekte sind in den vergangenen Monaten fehlgeschlagen. Laut einer Studie der Technischen Universität München war in Deutschland weniger als die Hälfte (43 Prozent) aller IT-Vorhaben in den vergangenen drei Jahren erfolgreich. 30 Prozent der Projekte dauerten länger als geplant, zehn Prozent kosteten wesentlich mehr als angesetzt und bei weiteren zehn Prozent war das Projektergebnis am Ende ein anderes als zu Beginn erwartet. Weltweit ist die Bilanz noch schlechter, wie internationale Studien zeigen.
Besonders anfällig für Probleme sind bei IT-Projekten die Bereiche Supply Chain/Logistik, Kundenservice, Innovations-Management und Produktion - ausgerechnet also die Bereiche, die für die Unternehmen essentiell und für den Kunden zudem sehr sichtbar sind. Auch Projekte in Zusammenarbeit mit öffentlichen Auftraggebern führen häufig zu Termin- bzw. Budgetüberschreitungen.
Erstaunlicherweise unterschätzen die Beteiligten oft die erheblichen Konsequenzen eines gescheiterten Projekts. So berücksichtigen die meisten Unternehmen zwar drohende Kosten wie Vertragsstrafen (Pönalien) oder Mehrausgaben für eine längere Projektdauer, aber sie kalkulieren nicht die indirekt durch erfolglose Projekte verursachten Kosten mit ein. Und das obwohl die indirekten Kosten die direkten häufig um ein Vielfaches überschreiten.
Unternehmen klammern oft die indirekten Kosten gerade deshalb aus, weil die Höhe künftiger Ausgaben oder die Auswirkungen eines Image-Schadens sehr schwierig zu beziffern sind. Trotzdem ist es wichtig, diese Effekte frühzeitig in die Chancen-/Risikenbewertung des Angebots aufzunehmen, das Risiko-Management danach auszurichten und mit entsprechenden Maßnahmen das Risiko zu minimieren.
Um dies zu erreichen, müssen die Faktoren berücksichtigt werden, die zum Scheitern großer IT-Projekte führen können. Neben dem bekannten "Magischen Dreieck" aus Kosten, Qualität und Zeit gilt es vor allem sechs Punkte zu beachten, die die Komplexität des Projekts erhöhen und damit den Erfolg gefährden können.
1. Größennachteile (diseconomies of scale) von IT-Großprojekten
Bei Großprojekten müssen deutlich mehr Aufgaben bearbeitet, Projektmitarbeiter gesteuert, größere Budgets verwaltet sowie eine längere Projektdauer angesetzt werden als bei kleineren Projekten. Diese Aussage erscheint zunächst trivial. Jedoch können gerade diese Aspekte in der Praxis zu großen Problemen führen. Je mehr Personen involviert sind, desto mehr Kommunikationsschnittstellen gibt es - die Gefahr von Missverständnissen und Informationsverlust steigt.
2. Risiken und Projektkomplexität durch unausgereifte Technologien
Häufig wird auf neue Technologien zurückgegriffen, um als innovativ zu gelten. Das kann jedoch dazu führen, dass ein technisch noch nicht erprobtes System zum Einsatz kommt und damit die Projektergebnisse schwieriger vorherzusagen sind. Die Vorteile ausgereifter Technologien - höhere Planungssicherheit und niedrigere Kosten - werden damit verschenkt.
3. Ressourcenbeschaffung unter erschwerten Bedingungen
Die Mitarbeiterzahl beeinflusst den Erfolg des Projektes. Dies wird häufig unterschätzt: Denn mit der Projektgröße steigt die Größe der Teams, die zu leiten und zu organisieren sind. Mit der komplexeren Projektstruktur werden zudem die Anforderungen an Mitarbeiter größer, wodurch sich Rekrutierungs- und Einarbeitungszeiten verlängern. Schließlich erhöht sich auch die Fluktuation.
4. Aufwändiges Outsourcing- und Lieferantenmanagement
Ein professionelles Lieferanten-Management ist notwendig, um die Lieferantenleistungen zu steuern und unterschiedliche Informationsstände auszugleichen. Um erfolgreich mit den Lieferanten zusammenzuarbeiten, müssen die Anforderungen detailliert beschrieben sowie ein konsequentes Leistungs-Controlling etabliert werden. Außerdem ist die richtige Auswahl der Lieferanten besonders wichtig, zumal Projektabwickler dazu neigen, Fähigkeiten und Möglichkeiten ihrer Subunternehmer zu überschätzen.
5. Viele Stakeholder
Während es bei kleineren Projekten oft nur einen Auftraggeber gibt, sind die Interessensgruppen in Großprojekten, speziell im IT-Bereich, sehr heterogen. Es gilt, unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen und zu entscheiden, welcher Kurs bei Meinungsverschiedenheiten verfolgt werden soll.
6. Mangelndes Erwartungs- und Anforderungsmanagement
Bei IT-Projekten sind Ergebnisse für die Auftraggeber häufig schemenhaft und unklar. Daher ist es wichtig, die Erwartungen der Kunden zu kennen und zu dokumentieren oder bei Bedarf gemeinsam in strukturierten Prozessen zu erarbeiten. Bei fast allen fehlgeschlagenen Projekten hatten Kunde und Auftraggeber unterschiedliche Auffassungen vom Projektumfang. Die Ursache für die unterschiedlichen Vorstellungen von der Größe des Projekts liegen meist schon zu Projektbeginn: Zum Beispiel werden Ausschreibungen nicht professionell gemanagt, Bieter versuchen "um jeden Preis" Aufträge zu gewinnen und ein Anforderungs- oder Demand-Management existiert höchstens bei der Hälfte aller Projekte.
Wer diese sechs Fehlerquellen im Hinterkopf behält, kann künftig die Zahl der Misserfolge reduzieren. Grundsätzlich gilt es bei allen IT-Großprojekten zu beachten, dass solche Vorhaben nicht nebenher betreut werden können. Ein großes IT-Projekt zu leiten, kommt der Führung eines mittelständischen Unternehmens oder eines Konzernbereichs gleich. CIOs, die Manager mit dieser Aufgabe betrauen, müssen sich dessen bewusst sein.
Folgende Leitlinien helfen, die Quote erfolgreicher Projekte zu erhöhen:
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Grundlagen: Integrierte Gesamtplanung mit Soll-/Ist-Abgleich, Risiko-Management, Ressourcen-Management, Top-Management-Reporting und Schnittstellen-Management müssen von Anfang an durch entsprechend gut ausgebildete Mitarbeiter etabliert und konsequent umgesetzt werden.
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Realismus und Offenheit: Offener und ehrlicher Umgang mit Kundenerwartungen bereits in der Angebotsphase.
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Innovation und Tradition: Müssen neue Technologien angewandt werden, ist zumindest ihr Risikopotenzial entsprechend zu bewerten. Wenn ihr Einsatz nicht nötig ist, sollte eher auf bewährte Standards zurückgegriffen werden.
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Transparenz und Verbindlichkeit: Es sollte regelmäßig an Kunden, Top Management bzw. Projektverantwortliche berichtet werden. Zudem gilt es festzulegen, wer welche Entscheidungen treffen darf und wer in die Entscheidung mit eingebunden ist. Damit verhindern die Verantwortlichen Unklarheiten bei der Projektarbeit.
Dr. Claus Herbolzheimer ist Senior Consultant im Kompetenzzentrum InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.