Does IT matter?
CIO: Üblicherweise bleibt geschäftskritische IT wie Anwendungen im Haus. Differenzieren sich Mobilfunkanbieter nicht auch über ihre IT-Applikationen?
Depper: Das ist eine leidenschaftliche Diskussion. Als ich in die Branche kam, galt das Billing-System als der differenzierende Faktor auf dem Markt: Wer ein Billing-System hatte, das von zwei bis zwölf Uhr ermöglichte, billig zu telefonieren, wurde als der künftige Marktführer gesehen.
CIO: Und ist es so eingetreten?
Depper: Das ist heute beim besten Willen nicht der Fall. Alle Dienstleister und Netzbetreiber haben grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten in ihren Billing-Systemen.
CIO: Als zweites großes Unterscheidungsmerkmal gilt der Einsatz von CRM-Systemen. Wie sieht es damit aus?
Depper: Auch hier provoziere ich gerne: CRM ist ein Hype, der den Hype Billing-Systeme abgelöst hat. Auch bei E-Plus fließen die Gelder in die Richtung. Aber wir werden keine Marktanteile gewinnen, indem wir mit der Gießkanne CRM über alle Kunden ausschütten. Deswegen ist CRM ein Hype, der langsam aber sicher auch schon wieder vorbei ist
CIO: Können Sie das genauer erklären?
Depper: Seit vergangenem Jahr ist die E-Plus-Marke Simyo als Mobilfunkdiscounter im Markt unterwegs. Darüber hinaus kooperieren wir unter anderem mit Medion, Viva und der Elektronikkette Conrad, die diese Angebote nutzen, entscheiden sich ganz bewusst aufgrund des Preises für das Angebot, und nicht wegen irgendeines Services…
CIO: … und dafür lohnt sich kein ausgefeiltes CRM-System…
Depper: … genau. Aber auf der anderen Seite wird es weiter Geschäftskunden geben, für die Mobilfunk ein Lebenselixier ist. Für die liefern wir natürlich jeden Tag eine umfangreiche Kundenbetreuung, die Kunden von Discountangeboten gar nicht erwarten.
Weitere Schwerpunkte des Interviews:
Dienstleister mussten ausgewrungenen Schwamm nochmals auspressen
Die strategischen KPIs von E-Plus
Gut aufgestelltes Rechenzentrum ausgelagert, um Change-Prozess zu beschleunigen
Vertrags-Controlling, SLAs und Preise
Startschwierigkeiten gerade bei einfachen Services
"Dienstleister mussten ausgewrungenen Schwamm nochmals auspressen"
CIO: Differenzieren sich Mobilfunkanbieter überhaupt noch durch IT?
Depper: IT ist nicht mehr die Kern-Kompetenz, das Management sieht es als Commodity an, die zu funktionieren hat. Außerdem erwartet das Unternehmen, dass die Leistungen kosteneffizient funktionieren, das war vor zehn Jahren sicher nicht der Fall.
CIO: Wie unterscheiden sich Mobilfunkanbieter denn dann künftig auf der technischen Ebene?
Depper: Der große Unterschied liegt heute darin, wie die Mobilfunker mit dem Thema Fixed Mobile Integration umgehen: also wie in Zukunft Festnetz und Mobilfunk zusammenwachsen werden. Das schätzt jeder Anbieter etwas anders ein, was man auch an den Produkten ablesen kann.
CIO: Und welche Rolle spielt dabei die IT?
Depper: IT ist dabei nicht der limitierende Faktor. Wir können von der IT-Seite aus in kürzester Zeit die Erfolgsmodelle unserer Wettbewerber in den Markt bringen.
CIO: Wie sieht der Business Case für das Outsourcing aus?
Depper: Wir haben berechnet, welche Einsparungen wir uns selbst zugetraut hätten. Diesen Kostenblock haben wir dann als Basis in die Ausschreibung gegeben. Die Dienstleister mussten also den von uns schon ausgewrungenen Schwamm nochmals auspressen. Man darf vom Dienstleister allerdings keine Wunder erwarten. Denn er kann mit den übernommenen Mitarbeitern nicht alles sofort so viel billiger machen. Es war nicht unser Ziel, sehr kurzfristige Gewinne einzufahren.
CIO: Haben Sie Ihre Sparziele erreicht?
Depper: Wir haben unsere Ziele im ersten Jahr erreicht. Wichtig ist, dass es zu einem Gleichgewicht mit dem Partner kommt, denn der muss auch Spaß an dem Deal haben. Ich muss akzeptieren, dass der Dienstleister über die Vertragszeit auch Geld verdient. Wenn ich das verhindern will, dann wird das Outsourcing scheitern.
Depper über...
Die strategischen KPIs von E-Plus
Die strategischen KPIs von E-Plus
CIO: Arbeiten Sie auch mit KPIs?
Depper: Ja. Wir haben Steuerungskennzahlen im Vertrag festgelegt.
CIO: Was für KPIs haben sie vereinbart?
Depper: Wir haben eine KPI-Hierarchie vereinbart: Mit zehn strategischen KPIs als Frühwarnsystem versuchen wir die eher weichen Faktoren in der Beziehung zum Dienstleister zu messen: Dazu zählen wir zum Beispiel die Eskalationen und Meetings.
CIO: Wie sehen weitere KPIs aus?
Depper: Das geht runter bis zu fünf KPIs für SLAs. Man sollte das aber in Maßen halten, denn es ist nicht mein Ziel, in einem Cockpit einer 747 mit 800 Knöpfen zu sitzen. 20 relevante KPIs reichen.
Liste der KPIs:
1. Zeitaufwand, um den Dienstleister zu steuern
2. Zahl der Eskalationen, in der die Direktor-Ebene eingeschaltet werden muss
3. Investitions-Ausgaben (Capex – capital expenditure) für Standard-Applikationen (COTS-Anwendungen – commercial off-the-shelf)
4. Services, die nicht durch ein SLA abgedeckt sind
5. Kosten von Services, die nicht durch eine Beschreibung im Service-Katalog abgedeckt sind
6. Laufzeit, um Integration und Prototypentests eines wichtigen Releases auszuführen (inklusive Kernlasttest)
Depper über das Outsourcing des Rechenzentrums:
Gut aufgestelltes Rechenzentrum ausgelagert, um Change-Prozess zu beschleunigen
Gut aufgestelltes Rechenzentrum ausgelagert, um Change-Prozess zu beschleunigen
CIO: Warum haben Sie das zuvor selbst betriebene Rechenzentrum an den Dienstleiter vergeben? In der Bestandsaufnahme hatte das Rechenzentrum bei fast jedem Benchmark sehr gut abgeschnitten. Ein effizient aufgestelltes Rechenzentrum ist doch immer billiger als Outsourcing?
Depper: … weil Outsourcing zu einer komplett anderen Arbeitsweise führt: Wer treibt wen, wer arbeitet im Namen von wem? Wir haben gemerkt, dass dieser drastische Wandel mit vielen und teils sehr großen Konflikten einhergeht.
CIO: Waren Ihre Mitarbeiter nicht wandlungsfähig?
Depper: Unsere Branche ist noch sehr jung, deswegen wurde Individualismus stärker belohnt und gefördert, als dass man an einem Strang zieht.
CIO: Hätten Sie den Change-Prozess nicht selbst hinbekommen und sich so das Outsourcing erspart?
Depper: Selbst weiter machen wäre zwar gegangen. Aber intern kann man ein Governance-Modell nicht so strikt durchziehen, wie in einem externen Verhältnis. Mit dem Outsourcing haben wir von heute auf morgen einen Change-Prozess vollzogen, mit dem wir unsere Veränderungen schneller umsetzen können.
CIO: Damit haben Sie auch den Change-Prozess an den Dienstleister abgeschoben.
Depper: Nicht ganz, wir haben das Wechselproblem auf unsere Schnittstelle zum Dienstleister konzentriert und verlagert – an die neu geschaffene Service Delivery Einheit.
CIO: Was macht die, wer sitzt da drin?
Depper: Dort arbeiten Mitarbeiter mit Prozessverständnis, also beispielsweise aus Einkauf oder Projektleitung. Nur IT-Spezialisten sind ausdrücklich nicht vertreten. Damit wollten wir einen Wettstreit zwischen internen IT-Mitarbeitern und ehemaligen E-Plus-Mitarbeitern verhindern. Die Einheit ist ein Übersetzer: in Richtung E-Plus arbeiten sie prozessorientiert, in Richtung Dienstleister sind sie SLA-orientiert.
Depper über...
Vertrags-Controlling, SLAs und Preise
Vertrags-Controlling, SLAs und Preise
CIO: Welche SLAs stehen im Vertrag?
Depper: Wir haben den Gesamtvertrag in Einzelpakete zerlegt und dafür Wettbewerbsklauseln festgelegt. Zwar erstreckt sich der Vertrag über fünf Jahre, aber die SLAs laufen über deutlich kürzere Zeiten. Wir könnten zum Beispiel bei Nicht-Einhaltung der SLAs den Desktop-Service neu ausschreiben, ohne den Gesamtvertrag in Mitleidenschaft zu ziehen.
CIO: Wie kontrollieren Sie das Preis-Leistungsverhältnis?
Depper: Wir haben Servicekataloge von Compass übernommen, an jede Abteilung einen Standardfragebogen geschickt und hinter jeden Service eine Beschreibung und einen Preis geschrieben. Der Preis der einzelnen Services sinkt über die gesamte Laufzeit prozentual. Mit Vertragsunterschrift hatten wir für alle Basis-Services alle Preise bis zum Vertragsende festgelegt.
CIO: Sie verhandeln während der fünf Jahre nicht mehr über Preise?
Depper: Wir reden nur noch über sich verändernde Volumina, wenn wir 50 neue Shops eröffnen oder neue Produkte einführen. Aber wir verhandeln nicht mehr über die benötigten IT-Services und deren Preis. Wir sind eines der wenigen Unternehmen, die anhand des Katalogs wissen, wie sich die Preise tatsächlich in fünf Jahren entwickeln.
Depper über...
Startschwierigkeiten gerade bei einfachen Services
Startschwierigkeiten gerade bei einfachen Services
CIO: Wie fällt ihr Fazit nach einem Jahr Total-Outsourcing aus?
Depper: Wir sind im Plan. Da tut es auch keinen Abbruch, dass wir bei Commodity-Services noch nicht alle Ziele erreicht haben, gerade in so einfachen Services wie beim User Help Desk.
CIO: Woran liegt das?
Depper: Jeder Help Desk eines Unternehmens bringt seine Historie mit zum Dienstleister. Man darf sich aber deswegen nicht mit dem Dienstleister auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Man muss an seinen Anforderungen festhalten. Andererseits müssen wir in Kauf nehmen, dass wir bei Commodity nur ein Kunde unter mehreren sind.
CIO: Gab es weitere Probleme?
Depper: Bei der Übernahme von Projekten müssen beide Seiten noch lernen: Der eine hat manchmal losgelassen – und der andere hat fallen gelassen. Und manchmal lässt der Mitarbeiter von E-Plus nicht los, der andere will aber auffangen.