Die Ergebnisse der aktuellen Gender-Pay-Gap-Analyse von Gehalt.de und der comdirect-Initiative finanz-heldinnen überraschen. Die Auswertung von 143.975 Datensätzen ergab, dass auch unter den begehrten IT-Fachkräften eine bereinigte Entgeltlücke von 6,2 Prozent zwischen Männern und Frauen existiert. Im Schnitt verdienen IT-Experten 49.500 Euro pro Jahr, IT-Expertinnen 44.750 Euro.
Unerklärbare Differenz ist auf das Geschlecht zurückzuführen
Eine IT-Leiterin erhält im Schnitt 4,2 Prozent weniger Entgelt als ihr männliches Pendant. In absoluten Zahlen ausgedrückt beträgt ihr durchschnittliches Jahresbruttoeinkommen 83.340 Euro, während ein IT-Leiter durchschnittlich 94.200 Euro erzielt. Auch für den dritten untersuchten IT-Beruf, der E-Commerce-Managerin, tut sich eine bereinigte Lohnlücke von 4,5 Prozent auf. Sie kann mit durchschnittlich 37.800 Euro rechnen, während der männlich Kollege 41.900 Euro erhält.
Gehalt.de hat den bereinigten Gender-Pay-Gap durch den Vergleich zweier geschlechterspezifischer Lohn-Regressionen ermittelt. Mittels der sogenannten Oaxaca-Blinder-Zerlegung wird der Teil der Lücke ermittelt, der nicht auf beobachtete Einflussfaktoren zurückzuführen ist - wie Branche, Beruf oder Ausbildung. "Es handelt sich bei der bereinigten Entgeltlücke also um eine unerklärbare Differenz, die höchstwahrscheinlich auf das Geschlecht zurückzuführen ist", erklärt Philip Bierbach, Geschäftsführer von Gehalt.de.
Lohnlücken in Banken, Versicherungen und der Automobilindustrie
Die Annahme, dass Frauen nur in denjenigen Branchen schlechter bezahlt werden, die alle Beschäftigten eher unterdurchschnittlich vergüten, bestätigte die Analyse nur zum Teil. Zwar betragen die bereinigten Lohnlücken im Einzelhandel, insbesondere in Supermärkten, zwölf Prozent und für Pflegekräfte in Krankenhäusern zehn Prozent.
Aber auch Branchen, die ihre Beschäftigten gut und oft überdurchschnittlich entlohnen, kommen bei der Gender-Pay-Gap-Analyse, nicht gut weg: In der Versicherungsbranche erreichen die bereinigten Entgeltlücken 10,1 Prozent, in der Automobilindustrie oder im Bankwesen fast acht Prozent. Am niedrigsten ist die bereinigte Lücke dagegen in der Biotechnologie (0,8 Prozent), die aktuell auch die lukrativste Branche in Deutschland ist.
Fair Compensation: Lohngerechtigkeit herstellen
Dass Lohngerechtigkeit ein wichtiges Thema ist, erkennen aber mittlerweile einige Unternehmen. So hat Advantest, Hersteller automatischer Testsysteme für die Halbleiterindustrie, seine Gehaltsstrukturen vom Great-Place-to-Work Institut prüfen und zertifizieren lassen. Zwar hat das Unternehmen, das bereits mehrfach als einer der besten Arbeitgeber ausgezeichnet wurde, das Zertifikat "Fair Compensation" erhalten, da die durchschnittliche Abweichung der Vergütung zwischen Frauen und Männern bei unter fünf Prozent lag.
Jedoch lag man nur knapp unterhalb dieser Grenze, so Personalerin Claudia Hiesel: "Für uns war das Ergebnis der Analyse einerseits eine positive Bestätigung, dass wir lohngerecht bezahlen. Anderseits waren wir überrascht, dass es doch an einigen Stellen etwas zu tun gibt." CEO Peter Wewerka gibt als Ziel aus, in ein bis zwei Jahren null Prozent Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen zu haben: "Nach der Analyse haben wir gemeinsam mit unseren Führungskräften begonnen, Gehälter Schritt für Schritt anzupassen."
Die Analyse lieferte Advantest wertvolle Einsichten, etwa warum und wann es zur Differenz gekommen ist, so Wewerka weiter: "Wesentliche Gründe sind vor allem Karrieresprünge oder Wechsel in andere Unternehmensbereiche. Dies haben wir zukünftig besser im Blick." Auch zeigte die Auswertung, dass der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen umso geringer war, je höher die Position war, auf der die Frau eingestiegen oder tätig ist.