Analysten-Kolumne

IT-Sourcing-Strategien erfolgreich definieren

28.06.2006 von Peter P. Müller
Dass Outsourcing sowohl Chancen als auch Risiken birgt, ist offensichtlich. Diese Chancen und Risiken sind in jedem Einzelfall abzuwägen. Einerseits sollten Unternehmen Outsourcing nicht automatisch mit Vorteilen verbinden, andererseits sollten sie es nicht von vornherein als zu riskant ablehnen. Denn wenn die Risiken bekannt sind, können Maßnahmen zur Risikominderung definiert und rechtzeitig initiiert werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Outsourcing-Vorhabens zu steigern.

Alle Outsourcing-Überlegungen basieren auf dem Konzept der Arbeitsteilung. Insbesondere die Automobilindustrie hat dieses Konzept im Produktionsprozess perfektioniert: Die Autoindustrie ist mit nur ca. 25 Prozent Eigenfertigung bei der Minimierung der Wertschöpfungstiefe führend. Somit können sich die Hersteller auf ihre wirkliche Kernkompetenz konzentrieren: Den Entwicklungsprozess und die Vermarktung der Marke. Ganz anders stellt sich die Situation bei den Banken dar. Hier liegt die eigene Wertschöpfungstiefe im Durchschnitt bei ca. 80 Prozent. Dass aber schon ein Umdenken eingesetzt hat, belegen diverse IT-Infrastruktur- und Software-Maintenance-Auslagerungen durch Banken.

Bei der Ausgestaltung der Wertschöpfungstiefe ist die Frage zu beantworten, welche Teile der Wertschöpfungskette im Unternehmen verbleiben sollen und welche von externen Leistungserbringern zugekauft werden.

Kernkompetenzen werden nicht außer Haus gegeben

Unabhängig von den unternehmensspezifischen Zielsetzungen für ein Outsourcing besteht Einigkeit darin, dass Kernkompetenzen im Unternehmen verbleiben müssen, wohingegen Nicht-Kernkompetenzen auf Outsourcing geprüft werden können. Somit ergibt sich für jedes Unternehmen die Notwendigkeit, das IT-Leistungsportfolio anhand einer transparenten und nachvollziehbaren Methodik in Kern- und Nicht-Kernkompetenzen zu differenzieren.

Ist diese Unterteilung getroffen, kann die Entscheidung zum Outsourcing besprochen werden. Hier beginnen detaillierte Überlegungen zu der Umgestaltung der Sourcing-Strategie und der zukünftigen IT-Governance.

Umfragen von Marktforschern wie auch meine eigenen Beobachtungen zeigen jedoch, dass Outsourcing-Maßnahmen immer noch zu wenig in eine übergeordnete Sourcing-Strategie eingebunden sind.

Outsourcing ist eine Teilauslagerung unternehmerischer Aktivitäten, die unter Führung und externem Management eines Lieferanten weiter intensiv in die Unternehmensprozesse eingebunden sein müssen. Dementsprechend muss diese Auslagerung an einen zukünftigen Partner geplant und gemanagt werden.

Kostensenkung steht noch immer im Vordergrund

Befragt man Unternehmen nach den Gründen für ein IT-Outsourcing, dominiert noch immer der Aspekt der Kostenreduktion (70 Prozent), gefolgt von Qualitätssteigerung und dem Zugriff auf Best Practices (57 Prozent). Allerdings ist auch festzustellen, dass Leistungsverfehlungen und Kostenüberschreitungen die Hauptprobleme bei Outsourcing-Beziehungen darstellen. 38 Prozent der Unternehmen sahen sich in ihren Outsourcing-Verträgen mit zusätzlichen Kosten konfrontiert, bei denen zunächst angenommen worden war, dass diese im Vertrag abgedeckt seien. Im Hinblick auf qualitative Aspekte ist festzustellen, dass der Vertragspartner die angestrebten Ziele in 31 Prozent der Outsourcing-Beziehungen nicht oder nur unzureichend realisierte.

Dennoch: Vor dem strategischen Hintergrund, dass sich Unternehmen auf ihre wirklichen Kernkompetenzen konzentrieren sollen, bleiben Outsourcing-Überlegungen für viele Unternehmen weiter aktuell. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Zielsetzungen und Maßnahmen sowie die Chancen und Risiken besser und umfassender gemanagt werden müssen.

Eine neue Kultur der Auseinandersetzung

Zudem machen die unterschiedlichen Sourcing-Modelle eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich. Die Fragestellung hat sich für die Unternehmen geändert von "Soll ich outsourcen?" hin zu der Frage "Wie soll ich outsourcen?". Die Auseinandersetzung mit dem Thema wird bewusster und intensiver geführt.

Die Entscheidung über die Art und Weise eines Outsourcing ist zwingend in eine übergreifende IT-Sourcing-Strategie zu integrieren. Dieses Bewusstsein hat sich bisher nur ansatzweise in den Unternehmen festgesetzt. Noch immer wird das Thema Outsourcing in vielen Fällen als "normaler" Einkaufsprozess angegangen - mit der Folge, dass die Aufmerksamkeit vornehmlich auf den Ausschreibungsprozess und den günstigsten "Einstandspreis" gelegt wird. Viel zu oft werden Überlegungen zum langfristigen Partner-Management vernachlässigt, so dass nach dem Vertragsabschluss Maßnahmen zur Schadensbegrenzung erforderlich werden.

Um diese Fehler zu vermeiden, sind im Rahmen einer IT-Sourcing-Strategie drei Kernelemente im Kontext der Unternehmensziele zu berücksichtigen:

Das Thema Governance im Kontext des IT-Outsourcing und die dafür in Frage kommenden Mechanismen haben demnach eine besondere Bedeutung. IT-Outsourcing ist lediglich ein Baustein der IT-Sourcing-Strategie. Die IT in den Unternehmen befindet sich insgesamt in einer Phase der Industrialisierung. In diesem Sinne sollten IT-Sourcing und Outsourcing langfristig untrennbar miteinander verknüpft werden und das Partner-Management eine besondere Rolle einnehmen.

Peter P. Müller ist Partner bei der Gesellschaft für Managementberatung und Projektmanagement Wiesbaden.