Ungeachtet der Entwicklungen an den Finanzmärken hat das Thema IT-Integration im Zusammenhang mit Firmenzusammenschlüssen für viele CIOs höchste Priorität. Das ist auf zahlreiche Studien und Praxisbeispiele zurückzuführen, welche aufzeigen, dass die IT häufig ein zentraler Faktor für das Nichterreichen der gesetzten Zielstellungen ist. Die CIOs sollten ihre Ziele daher präzise formulieren und geeignete Maßnahmen ableiten.
Vor dem Kauf: IT-Chancen und Risiken analysieren und beschreiben
In den seltensten Fällen werden Firmenzusammenschlüsse wegen der IT vorgenommen, so dass in der Due Diligence nicht mit der notwendigen Sorgfalt auf die IT eingegangen wird. Das führt dazu, dass unerwartete technische oder finanzielle Risiken zu einem Zeitpunkt eintreten, in dem die Integration bereits begonnen wurde.
Beispielsweise werden Firmenzusammenschlüsse nicht selten dazu genutzt, um IT-Services zukünftig extern zu beziehen. Stellt sich nach dem Kauf in den Verhandlungen mit den Providern heraus, dass die Systeme nicht hinreichend dokumentiert sind, so kann dies die Synergieeffekte drastisch reduzieren. Der IT Due Diligence sollte daher bereits vor dem Kauf ein stärkeres Gewicht eingeräumt werden.
Nach dem Kauf: IT-Strategie präzisieren sowie konkrete Ziele und Maßnahmen ableiten
In der Regel besteht ein hoher Zeitdruck beim Aufsetzen des Integrationsprogramms. Dieser Zeitdruck ist darauf zurückzuführen, dass die Zielerreichung für das Business und die IT asymmetrisch verläuft. Während im Business die wichtigsten rechtlichen und finanziellen Weichen in den ersten 100 Tagen gestellt werden, kann dies in der IT bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen. In der Praxis wird dies jedoch häufig nicht akzeptiert und eine schnelle Umsetzung eingefordert. Das führt dazu, dass gerade in der Planungsphase technische Szenarien und Einführungsstrategien nicht hinreichend detailliert ausgearbeitet werden. Stattdessen wird auf Basis schneller Entscheidungen zeitnah mit der Maßnahmenplanung und Umsetzung begonnen.
Fokus auf das Backend
Kritisch ist dies insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme der Anforderungen des Business, da sich dies unmittelbar auf die Qualität und Vollständigkeit der technischen Konzepte auswirkt. Zwar ermöglicht ein solches Vorgehen ein schnelles Durchlaufen der ersten Projektwochen. Spätestens zum Zeitpunkt der Abnahmetests durch die Anwender führt dies jedoch zu Widerständen. Vergleichbare Folgen hat eine unzureichende Beschreibung von zukünftigen Hardware- und Netzkapazitäten, Lizenzmodellen oder vertraglichen Bindungen zu IT-Dienstleistungsunternehmen.
Hinzu kommt, dass Shareholder einen hohen Erwartungs- und Erfolgsdruck aufbauen sowie kurzfristige Erfolge einfordern. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird der Fokus häufig auf die Frontend-Systeme oder die für Kunden relevanten Applikationen gesetzt, wie zum Beispiel CRM oder SCM Systeme. Das ist nicht effizient, da erfahrungsgemäß signifikante Synergiepotenziale eher im Backend-Bereich identifiziert werden können. Zudem ist es einfacher, auf konsolidierten Backend- neue Frontend-Systeme aufzusetzen.
Vor diesem Hintergrund wird nach einigen Wochen oder Monaten häufig resümiert, dass die Komplexität des Programms zu hoch geworden und nicht mehr handhabbar ist, oder die technischen Risiken den Nutzen überwiegen. Zu diesem Zeitpunkt werden häufig Zwischenlösungen gefunden, um die Integration nicht vollständig abzubrechen und die Erwartungen des Business zumindest teilweise zu erfüllen. Häufig werden diese dann aber nicht mehr revidiert, sondern auf Dauer angelegt.
Teils wird in dieser Phase auch pragmatisch agiert und die Technologie des kaufenden Unternehmens gewählt, ohne im Detail zu analysieren, ob dies die beste Lösung für beide Unternehmen ist.
Solche Szenarien können durch eine IT-Strategie vermieden werden. Hierzu ist zunächst ein IT-Assessment durchzuführen, um eine präzise Beschreibung der Ausgangssituation - welche auch bestehende IT-Strategien einbezieht - zu erhalten. Anschließend sind die Business-Anforderungen inklusive neuer Geschäftsmodelle aller beteiligten Unternehmen aufzunehmen. Zu berücksichtigen sind zudem IT-strategische Ausarbeitungen, die vor dem Kauf getätigt wurden.
Erst auf dieser Informationsbasis kann die IT-strategische Ausrichtung in einem iterativen Prozess erfolgen. Strategische Ausgangsfragen lauten zum Beispiel wie folgt: Soll die IT-Integration so schnell wie möglich oder aber längerfristig und risikominimiert erfolgen? Welche Vorteile bringt ein "Big-Bang" gegenüber einem in Phasen unterteilten Projektansatz? Welche Arbeitspakte können extern besser als intern erarbeitet werden?
Die Antwort auf diese Fragen ist maßgeblich vom Geschäftsmodell und der Risikobereitschaft des Managements abhängig. Außerdem leitet sie in eine Diskussion über, welche Applikationen und Services integriert werden sollen. Erst auf Grundlage dieser Ergebnisse erfolgt die Vorbereitung von Entscheidungen über System-Plattformen und Applikationen. Anschließend ist der Projektplan im Detail zu erarbeiten und die Projektorganisation aufzusetzen.
Es kann somit festgestellt werden, dass die IT Due Diligence vor dem Kauf den Grundstein für die Vermeidung von Risiken legt. Nach dem Kauf bilden das IT-Assessment und die Anforderungsaufnahme das Fundament für die Formulierung IT-strategischer Ziele und Maßnahmen. Die IT-Strategie ist somit das wichtigste Instrument zur Messung des Integrationserfolges und gewährleistet das Eintreten geplanter Synergieeffekte.
Sebastian Paas ist Senior Manager IT Performance & Strategy bei der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG.