Green IT hat nach wie vor Potenzial – auch für Firmen und insbesondere in Zeiten von Smartphones, Tablets, Cloud Computing und Smart Metering. Allerdings gilt es auch Rebound-Effekte – also Bumerang-Wirkungen – zu beachten. Zum Beispiel in der Wolke: Die Anwender sparen durch eine Verlagerung ihrer IT in die Cloud erst einmal Rechenleistung ein; sie sind aber dann versucht, die Leistungen aus der Wolke tatsächlich rund um die Uhr zu nutzen – was den Spareffekt wieder aufheben kann.
Effekte wie diese beschreibt ein Gutachten des Berliner Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit im Auftrag der Enquete?Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages. Die Autoren Professor Klaus Fichter, Ralph Hintemann und Severin Beucker empfehlen darin, die Bumerang-Effekte stärker als bisher zu beachten. Außerdem mahnen sie eine stärkere Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft an.
Mit Thin Clients mehr als zwei Milliarden Stromkosten sparen
„Der Bereich Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zeigt, dass trotz der Zunahme des Bestandes an Arbeitsplatzcomputern in Deutschland von 26,5 Mio. in 2010 auf rund 37,5 Mio. Geräte in 2020, eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs möglich ist“, heißt es im Gutachten. Erreichbar wäre eine Reduzierung des Energieverbrauchs aller im Einsatz befindlichen Arbeitsplatzcomputer um 45 Prozent.
Unternehmen, Behörden und Bildungseinrichtungen in Deutschland könnten durch den verstärkten Einsatz energieeffizientere Computerlösungen wie Mini?PCs, Notebooks und Thin Clients bis 2020 Stromkosten von rund 2,75 Milliarden Euro einsparen. Dies setze allerdings eine öffentlich?private Partnerschaft etwa in Form einer „Green Office Computing“?Initiative von Staat; IT?Herstellern und Anwendern voraus.
Insgesamt sei der durch Endgeräte, Netze und Rechenzentren bedingte Ressourcenbedarf in den vergangenen zehn Jahren deutlich angestiegen, so das Institut. 2010 machte er bereits elf Prozent des Gesamtstromverbrauchs in der Bundesrepublik aus. Das ist ungefähr die Energie, die 20 mittlere Kohlekraftwerke erzeugen. „Tendenz steigend“, warnen die Autoren.
Skepsis bei "Green durch IT"
Aufgrund der hohen Innovationsdynamik in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und den schon bestehenden Treibern zur Steigerung der Energieeffizienz wie der Strompreiserhöhung bestünden erhebliche Potenziale zur Verbesserung der Ressourceneffizienz. Trotz deutlicher Effizienzfortschritte bei Netzen, Rechenzentren und einzelnen Geräte – Stichworte Miniaturisierung und Steigerung der Energieeffizienz – sei bis zum Jahr 2020 mit einem weiteren deutlichen Anstieg des IKT?bedingten Ressourcenverbrauchs inDeutschland zu rechnen.
„Ohne zusätzliche erhebliche Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz der IKT ist davon auszugehen, dass der Gesamtstromverbrauch der IKT von rund 60 TWh in 2010 auf über 90 TWh im Jahr 2020 ansteigen wird“, heißt es im Gutachten. Damit würde der Stromverbrauch der IKT bis 2020 um weitere 50 Prozent zunehmen. Der Anteil des durch IKT verursachten Stromverbrauchs am Gesamtstromverbrauchin Deutschland läge in 2020 dann bei fast einem Fünftel.
Bei der Green IT unterscheidet das Borderstep Institut „Green in der IT“ und „Green durch IT“. Mit „Green in der IT“ ist die Senkung des Ressourcenbedarfs der IT selbst gemeint. „Green durch IT“ bezeichnet die Nutzung von IT in anderen Branchen und Anwendungsfeldern wie Gebäuden, Verkehr und Stromnetzen.
Andere Studien gingen davon aus, dass durch „Green durch IT“?Maßnahmen achtmal mehr an Ressourcen eingespart werden kann als die IKT selbst verbraucht, heißt es weiter im Gutachten. Die Autoren selbst sind einen Tick skeptischer: „So eindrucksvoll die ermittelten Potenziale auch sind, so sollte zum einen die Höhe der Werte und zum andern die Bedingungen für deren Realisierung kritisch hinterfragt werden.“
Die in den 1990er Jahren im Zuge der Einführung von PCs in die Arbeitswelt oft verbreitete Vision eines papierlosen Büros verdeutliche die Zwiespältigkeit solcher Abschätzungen. „Der Papierverbrauch in Deutschland ist seither nicht etwa gesunken, sondern gestiegen“, so die Autoren weiter. Auch dem Optimismus bezüglich Green IT lägen zum Teil keine validen Daten, sondern lediglich Potenzialabschätzungen zu Grunde.
Forschungsoffensive empfohlen
Für die Felder intelligente Gebäude und Produktionsprozesse – also Smart Building, Smart Industry und Smart Motors – äußert sich das Institut vergleichsweise zuversichtlich, dass die Potenziale in den kommenden Jahren mit begrenzten Maßnahmen erschlossen werden können. Zurückhaltender sind die Experten bei Smart Mobility, Smart Logistics und Dematerialisierung.
„Eine große Herausforderung ist auch die große Komplexität im Bereich intelligenter Stromnetze (Smart Grid)“, heißt es weiter in der Studie. „Hier können zwar große Potenziale zur Minderung des Ressourcenverbrauchs mobilisiert werden, allerdings sind die dafür zu schaffenden Rahmenbedingungen nicht konfliktfrei und bedürfen einer langfristigen Zielsetzung und Umsetzung.“
„Neue Produkte und Dienstleistungen schaffen zusätzliche Konsumbedürfnisse“, stellt das Institut im Hinblick auf Bumerang-Effekte fest. „Das Schwungrad zunehmender Produktion und Konsumtion bleibt nicht nur unangetastet, vielmehr ist zu vermuten, dass es durch Telekommunikation und Informationstechnologien noch beschleunigt wird.“ Es wäre aber laut Gutachten verfehlt, daraus abzuleiten, der IKT?Fortschritt stünde einer Verringerung des Ressourcenverbrauchs im Wege.
Die Experten empfehlen den Aufbau eines nationalen Green IT?Monitoring, eine nationale Roadmap „Green IT“ mit konkreten Zielen für einzelne Green IT?Felder, eine Initiative klimaneutrale Rechenzentren für Deutschland, Umsetzung der Initiative „Green Office Computing“, die Ausweitung der Forschung zu Rebound-Effekten der IKT, Förderung von IKT?Bereichen mit geringer Rebound-Gefahr wie Smart Energy in Gebäuden und die Festlegung konkreter Reduktionsziele für Deutschland für die einzelnen „Green durch IT“?Felder.