Life-Cycle rückt in den Mittelpunkt

ITIL-Refresh

01.12.2006 von Rolf Röwekamp
Anfang 2007 soll die runderneuerte Version erscheinen. Matthias Goebel, Vorstand des „IT Service Management Forums“ (itSMF), und Björn Hinrichs, Leiter des itSMF-Arbeitskreises "Publikationen", über die wichtigsten Neuerungen.

Die derzeitigen ITIL-Bücher weisen einige erhebliche Schwächen auf. Selbst eine grundlegende Schnittstelle zwischen einem Change und Release lässt wesentliche Fragen offen. Wann bekommen die Bücher mehr Substanz?

Solche Ungenauigkeiten verschwinden mit den neuen ITIL-Büchern. Das Problem bei den alten Hauptbüchern ist, dass sie inhaltlich sehr breit angelegt sind und sehr unterschiedliche inhaltliche Tiefe besitzen.

Was wird anders werden?

Ihre Struktur wird sich komplett ändern. Es wird fünf Kernbücher geben. Das erste heißt Service-Strategies und stellt den Hub für die weiteren Bücher dar. Die vier Bücher heißen Service-Design, Service-Transition, Service-Operations und Continuous Service-Improvement.

In Zukunft wird es also nicht mehr die sieben Kernbücher geben, die die zehn ITIL-Kernprozesse abhandeln. Ist das die wesentlichste Änderung?

Das Thema Life-Cycle rückt in den Mittelpunkt. Das erste Buch behandelt übergeordnete strategische Punkte des Life-Cycle und gibt Ausblicke auf einzelne Life-Cycle. Die anderen Bücher beleuchten einzelne Phasen und relevante Prozesse innerhalb eines Life-Cycles. Das ist die auffälligste Änderung.

Was steckt hinter dem Life-Cycle-Gedanken?

Bislang handeln die Bücher an einer Stelle alles zu einem Thema ab. Allerdings treten in den verschiedenen Stadien eines Serviceprozesses immer wieder unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund. Künftig findet man in einem Buch zu jeder Phase eines Lebenszyklus die genau ausreichenden Information zu allen hier benötigten Themen - und nicht mehr.

Was wird künftig anders sein?

Der Fokus der Beschreibung liegt in den neuen Büchern immer auf dem aktuellen Zustand im Life-Cycle. In unserem Beispiel heißt das: Reaktives wie proaktives Problem-Management behandeln die Bücher an der Stelle des Prozesses, wo sie von Bedeutung sind. So wird es an jedem Punkt des Life-Cycles einfacher, die Bücher zu Hilfe zu nehmen.

Wieso glauben Sie, dass der Life-Cycle-Gedanke überhaupt die Bedürfnisse der Anwender trifft?

Das war ein Ergebnis einer großen Umfrage, die das itSMF international durchgeführt hat. Die Befragten waren der Meinung, dass ITIL damit leichter zu handhaben ist.

Wie lief die Untersuchung ab, wer wurde befragt?

Das Scoping bestand vor allem in einer offenen Web-Umfrage, hinzu kamen zwei Workshops in den USA und in England mit Vertretern aus einzelnen itSMF-Landesverbänden. Wir wollten wissen, was in den neuen Büchern stehen sollte und was soll sich ändern sollte.

Damit steigt nicht automatisch die Qualität der Bücher. Bis heute gibt es beispielsweise kein einheitliches Glossar.

Für jedes der fünf Bücher wurden zwei Autoren beauftragt. Die Texte durchlaufen einen Qualitätssicherungsprozess unter enger Führung der ITIL Advisory Group. Früher haben Autoren die Bücher ehrenamtlich neben ihrer Arbeit geschrieben. Jetzt achtet das Board auf Konsistenz, damit Struktur und inhaltliche Qualität in allen Büchern einheitlich ist.

Das klingt nach einer Professionalisierung der itSMF-Organisation.

Das musste sein. Die Erwartungen der ITIL-Gemeinde an die Bücher sind sehr groß.

Welche Neuerungen haben die Anwender noch verlangt?

Es soll klarer werden, wie sich ITIL in unterschiedlichen Organisationen umsetzen lässt. Prozesse sollen sich also leichter skalieren lassen. Künftig wird man einfacher sagen können, wie IT-Abteilungen ihre ITIL-Prozesse aufsetzen müssen, wenn sie 10, 100 oder 2.000 IT-Mitarbeiter haben.

Dazu müssen sie auch besser den Reifegrad ihrer Prozesse bewerten können.

Das war auch eine Forderung aus dem Scoping. ITIL legt jetzt mehr Wert darauf, wie man Prozesse bewertet und misst. Es werden für jeden Prozess Key Performance Indices und Metriken geliefert, die ein Self Assessment der IT-Abteilungen erleichtern. So können sie leichter selbst den Reifegrad eines Prozesses bewerten.

Lässt sich auch der Nutzen von ITIL für das Unternehmen besser beziffern?

Das Thema Business Value wird stärker behandelt: Was bringt ITIL für das Kerngeschäft? Wo kann ich es sogar mit Geld bewerten? Das ist allerdings nicht überall möglich.

Lassen sich denn auch konkrete Aussagen darüber machen, was Unternehmen durch die Ausrichtung der Prozesse an ITIL sparen?

Die Aussage "Setz‘ hier ITIL ein, und du sparst 60 Prozent der Kosten" wäre gelogen. Trotzdem kann man im Einzelfall mit Mittelwerten und anderen Parametern den potenziellen Nutzen von ITIL nachweisen. Dafür liefern die neuen Bücher Metriken und Hinweise, wie man einen Nutzen erheben kann.

Werden die neuen Bücher nicht schon bald wieder veraltet sein?

Um aktuell zu bleiben, decken künftig Ergänzungsbücher solche Themen wie Anpassungen, Neuerungen und Spezialthemen ab. Die fünf neuen Kernbücher beschränken sich auf die wesentlichen Inhalte, die sich auch mittelfristig nicht ändern werden: Der neue Kern soll mehr Substanz bekommen.