Smart-Farming-Vorstoß

John Deere will mit Software Geld verdienen

19.09.2022 von Redaktion Computerwoche
Der US-amerikanische Landmaschinenhersteller John Deere will bis 2030 zehn Prozent seiner Einnahmen mit Software erwirtschaften. Nicht alle Bauern sind über den Smart-Farming-Vorstoß glücklich.
Autonomes Fahren ist in der Landwirtschaft im Kommen, doch scheinen Unternehmen wie John Deere kaum noch aus dem Driver Seat zu verdrängen zu sein.
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Mit Traktoren, Feldspritzen, Ernte-, Sä- und anderen landwirtschaftlichen Maschinen setzt John Deere Jahr für Jahr Milliardenbeträge um. Wie CEO John May dem Wall Street Journal verriet, soll die Vormachtstellung im Markt für landwirtschaftliche Maschinen nun auch auf begleitende Software ausgeweitet werden. Der Smart-Farming-Ansatz soll die Maschinen und die Landwirtschaft insgesamt effizienter und produktiver werden lassen.

Noch in diesem Jahr will Deere autonom fahrende Traktoren auf den Markt bringen, die Felder bestellen können. Das Unternehmen hatte im vergangenen Jahr für 250 Millionen Dollar das kalifornische Start-up-Unternehmen Bear Flag Robotics übernommen, das Software anbietet, mit der sich auch ältere Traktoren in autonome Fahrzeuge umbauen lassen. Im Angebot sind künftig zudem Feldspritzen, die in der Lage sind Unkraut von Nutzpflanzen zu unterscheiden. Der Konzern investiert Milliardenbeträge in die Entwicklung intelligenter Maschinen, die Landwirten viele Aufgaben abnehmen und ihnen helfen sollen, schneller und effizienter zu werden.

Smart Farming ist ein umkämpfter Markt

"Es geht darum, mit weniger mehr zu erreichen", sagte May dem Journal. Er erwarte, dass bis zum Ende des Jahrzehnts zehn Prozent des Jahresumsatzes von Deere aus Nutzungsgebühren von Software stammen werden. Dabei ist Deere nicht der einzige Konzern, der in autonome Landmaschinen und Smart beziehungsweise Precision Farming investiert. Unternehmen wie CNH Industrial oder Agco Corp., aber auch die Bayer AG und Corteva sowie einige Finanzinvestoren haben Milliarden von Dollar in die Entwicklung und den Kauf von Systemen gesteckt, mit denen landwirtschaftliche Abläufe optimiert, die Ernteleistung besser vorhergesagt und die Kosten gesenkt werden können.

Allerdings berichtet das Wall Street Journal mit Bezug auf Marktforscher, die Konzerne hätten bislang noch keine nennenswerten Erträge aus ihren Agritech-Investitionen erzielen können. Auch sei der in anderen Branchen übliche Einsatz von Software-Abonnements auf dem landwirtschaftlichen Sektor bislang kaum erprobt. Auch wenn die Bauern generell aufgeschlossen seien, hätten sie momentan doch ganz andere Sorgen: Die Kosten für Düngemittel, Tierfutter und Kraftstoff wüchsen ihnen über den Kopf.

Maschinen wie Traktoren und Mähdrescher bleiben das Kerngeschäft, doch John Deere will künftig auch an Software verdienen.
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Deere erwirtschaftete 2021 rund 44 Milliarden Dollar Umsatz. Das Unternehmen deckt den US-amerikanischen und kanadischen Markt für Hochleistungstraktoren zu rund 60 Prozent ab. Als größter Technologiesprung des Konzern gilt das Autopilot-System für Traktoren und Erntemaschinen, das bei fast allen großen Landmaschinen von Deere zur Standardausstattung gehört.

Das Operation Center steuert Smart-Farming-Ansätze

Jetzt plant Deere, seine in rund 1,5 Millionen Betrieben eingesetzten Maschinen bis 2026 mit seinem Cloud-basierten John Deere Operations Center zu verbinden. Dort sammelt der Konzern auch Daten über eine Ackerfläche von rund einer halben Milliarde Hektar, darunter Millionen Bilder von Unkräutern, die mit Herbiziden bekämpft werden sollen.

Auch in Zukunft soll der Verkauf von Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen den bei weitem größten Teil der Einnahmen von Deere ausmachen, doch das Geschäft mit Softwareabos gilt als besonders attraktiv, weil die Gewinnspannen viel höher sind. In einer Studie des Analystenhauses Bernstein aus dem Jahr 2021 heißt es, die durchschnittliche Bruttomarge für Landwirtschaftssoftware werde bei 85 Prozent liegen. Da nimmt sich die 25-prozentige Marge, die mit dem Verkauf von Landmaschinen im Durchschnitt erzielt wird, vergleichsweise bescheiden aus.

Bauern fürchten wachsende Abhängigkeit

Nicht alle Landwirte sind allerdings mit den Digitalisierungsplänen von Deere einverstanden, viele misstrauen dem Konzern inzwischen. Seit Jahren werfen Verbraucherschutzorganisationen und landwirtschaftliche Verbände dem in Moline, Illinois, ansässigen Unternehmen vor, seine Maschinen mit proprietärer Software auszustatten.

So könne Deere ein abgeschottetes System an Werkstätten und Händlern vorhalten. Das treibe die Kosten in die Höhe, außerdem seien Maschinen mitunter für Wochen außer Betrieb gesetzt. Deere dagegen erklärt, man stelle Werkzeuge und Reparaturhandbücher auch für private Reparaturen zur Verfügung. Allerdings müsse man sich gegen die Versuche mancher Landwirte wehren, die Steuerungssoftware in den Maschinen zu ändern. Auf Twitter sind zum Thema diverse Beiträge zu finden:

Im Wall Street Journal äußert sich Walter Schweitzer, ein Landwirt aus Montana, der auch Präsident der Montana Farmers Union ist, kritisch zu den Geschäftspraktiken von Deere. Eine intensive Verknüpfung von landwirtschaftlichen Maschinen mit Software liefere Deere einen zu starken Einfluss auf die Arbeit der Landwirte. Gleichzeitig könne das Unternehmen unentgeltlich Daten einsammeln, die seiner eigenen Technologieentwicklung zugute kämen und bares Geld wert seien.

"Man verliert die Kontrolle über die Daten und auch über das Eigentum an den Geräten", warnt Schweitzer. Zusammen mit anderen Landwirtschaftsverbänden setzt sich der Bauernverband von Montana dafür ein, dass Deere einen freien Zugang zur Software und zu solchen Werkzeugen schaffen soll, die für Reparaturen an Deere-Maschinen erforderlich sind. Unabhängige Werkstätten und auch die Landwirte selbst müssten Reparaturen durchführen können.

SaaS-Lösung sorgt für kontinuierliche Einnahmen

Unterdessen denkt Deere darüber nach, eine kostenpflichtige Softwareunterstützung bestimmter Aufgaben wie das Pflügen von Feldern oder das Ausbringen von Dünger anzubieten. Für Felder, deren Bearbeitung mit einer solchen SaaS-Lösung optimiert werden kann, könnte eine Gebühr pro Hektar erhoben werden. Bislang hat das Unternehmen allerdings noch keine Gebührenordnung veröffentlicht. Die Landwirte müssten dann nicht nur für Maschinen, sondern auch für eine Softwarelizenz zahlen. Deere wäre für Services und die Aktualisierung der Software verantwortlich.

Der Konzern hat die Weichen in Richtung Smart Farming bereits im Jahr 2017 gestellt, als die Blue River Technology Inc. übernommen wurde. Dabei handelte es sich um ein Startup, das 2011 von Jorge Heraud, einem peruanischen Einwanderer, mitbegründet worden war. Heraud wollte nicht akzeptieren, dass rund zwei Drittel der auf landwirtschaftlichen Feldern mit herkömmlichen Spitzmaschinen versprühten Herbizide verschwendet wurden und die Umwelt unnötig belasteten. Er entwickelte eine Computer-Vision-Technologie, die Nutzpflanzen von Unkräutern unterscheiden kann.

Inzwischen ist auf dieser Grundlage ein ausgefeiltes System entstanden. Deere hat die Technologie in seine selbstfahrenden Feldspritzen integriert, wo 36 Kameras laufend Bilder aufnehmen und an einen Bordcomputer weiterleiten, der mit einer umfassenden Datenbank im Hintergrund Unkräuter erkennen und die Herbizid-Spritze nach Bedarf zielgenau aktivieren kann. Deere verkauft die intelligenten Spritzmaschinen in diesem Jahr in begrenztem Umfang zusammen mit selbstfahrenden Traktoren, die ebenfalls kameragesteuerte Technologie verwenden. Wenn ein fahrerloser Traktor einen umgestürzten Baum oder ein anderes Hindernis auf seinem Weg erkennt, hält die Maschine an und wartet darauf, dass der Landwirt sie neu startet. Bis 2030 will Deere autonome Modelle für sein gesamtes Maschinensortiment anbieten. (hv)