Der Jubel währt nur kurz - dann dämpfen ängstliche Töne die Reaktion manchen Managers auf seine Beförderung. So liest sich zumindest die Studie "Leaders in Transition: Progressing along a precarious path" von DDI (Development Dimensions International). Der globale Talent-Management-Berater hat 870 Führungskräfte weltweit befragt. Fazit: Karrieremachen wird schwieriger. Zu oft wissen die frischgebackenen Chefs einfach nicht, was auf sie zukommt.
Wie ein Unternehmen den Führungsnachwuchs vorbereiten muss, darüber sprach cio.de mit Wolfgang Doerfler, Managing Director, DDI Germany, Eastern Europe and Russia bei DDI Deutschland in Meerbusch.
Herr Doerfler, Sie sagen, dass Karrieremachen schwieriger wird. Unklare Erwartungen und Job-Beschreibungen belasten Führungskräfte. Ist das in Zeiten ständigen Changes nicht unvermeidbar?
Wolfgang Doerfler: Manche Unternehmen haben noch nicht einmal eine Strategie, weil sich die Marktbedingungen ständig ändern (lacht). Das heißt: Wir brauchen Führungskräfte, die mit der heutigen Flexibilität und Ambiguität umgehen können. Unternehmensleitungen haben bei der Besetzung von Führungspositionen lange nur darauf geachtet, ob jemand ein guter Ingenieur oder Informatiker ist. Dann galt das Motto: "Der ist ein guter Mann, der macht das schon"…
Und das reicht nicht mehr.
Wolfgang Doerfler: Entscheidend ist das Erfolgsprofil der potenziellen Führungskraft. Dieses beinhaltet vier Dimensionen: Erfahrung, Wissen, Kompetenzen und Persönlichkeitsattribute. Erfahrung und Wissen lassen sich einfach an einem Lebenslauf ablesen. Bei den Kompetenzen - oder Soft Skills - und Persönlichkeitsattributen ist das nicht so leicht. Erfahrung und Wissen veralten jedoch schnell, daher sind Kompetenzen und Persönlichkeitsattribute wichtiger.
Was meinen Sie mit Persönlichkeitsattributen?
Wolfgang Doerfler: Zum Beispiel die Frage, was jemanden motiviert. Oder, ob er sich schnell Neues aneignen kann und will. Wie innovationsfreudig jemand ist.
Kann man Führen lernen oder ist das eine Frage der Begabung?
Wolfgang Doerfler: Man kann Führung lernen. Letztlich ist es Handwerkszeug. Unternehmen brauchen einen strukturierten Entwicklungsplan für ihre Führungskräfte.
Was beinhaltet dieser?
Wolfgang Doerfler: Ein strukturierter Entwicklungsplan umfasst die Ziele und beschreibt die Rolle der künftigen Führungskraft. Das Unternehmen muss feststellen, wo der Aufstiegskandidat Lücken hat. Der Plan definiert, wie diese Lücken zu schließen sind und wer wofür verantwortlich ist. Es geht dabei nicht darum, einen Verbesserungsplan gegen die Schwächen des Kandidaten zu entwerfen, sondern um eine Strategie für seinen neuen Erfolg.
Wie sieht so etwas konkret aus?
Wolfgang Doerfler: Wir haben zum Beispiel einen Informatiker in einem großen Telekommunikations-Unternehmen begleitet. Er eignete sich gut für eine Führungsposition, hatte aber bisher immer nur in einer Techniker-Sprache geredet. Künftig würde er mit dem Marketing, der Finanzabteilung und anderen Kollegen zu tun haben. Im Rahmen des strukturierten Entwicklungsplans haben wir ihm zurückgespiegelt, wie er auftritt und wie er wirkt. So konnte er sich besser auf seine neue Rolle vorbereiten.
Unternehmen müssen sich also mehr Zeit nehmen für das Entwickeln ihrer Führungskräfte?
Wolfgang Doerfler: Das ist unabdingbar. Früher war das Kapital der Engpass. Heute sind es die Mitarbeiter. Die Unternehmensleitung muss frühzeitig erkennen, welche Menschen sie braucht, und potenziellen Führungsnachwuchs identifzieren.
Wobei alle Unternehmen in einem Change stecken.
Wolfgang Doerfler: Das Erleben wir hautnah mit. Geschäftsmodelle ändern sich radikal. Der Mensch und das Führen von Menschen haben heute einen ganz anderen Stellenwert. Ein großer neuer Trend lautet Customer Experience. Um die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens aus der Sicht von dessen Kunden zu betrachten, braucht man ganz andere Mitarbeiter als früher. Hinzu kommt die Globalisierung mit dem Arbeiten in multikulturellen Teams.
Hohe Anforderungen an jetzige und künftige Chefs.
Wolfgang Doerfler: Insofern ist es nicht erstaunlich, dass gerade in den jüngeren Generationen nicht mehr jeder "Karriere machen" will…
Sie schreiben in ihrer Studie, dass viele frisch Beförderte ihrer neuen Aufgabe ängstlich und nervös entgegenblicken. Ist das etwas typisch Deutsches?
Wolfgang Doerfler: Das kann man so nicht sagen. Die Leute freuen sich natürlich über ihre Beförderung, aber der Erfolgsdruck ist hoch. Das ist in Amerika auch nicht anders als in Deutschland. Wobei eines schon stimmt: In den USA ist "Scheitern" eher erlaubt. Letztlich hat jede Kultur ihre Vor- und Nachteile. Eben deswegen ist eine Firmenkultur wichtig, die die Mitarbeiter auf ihre Rollen vorbereitet.
Studie "Leaders in Transition: Progressing along a precarious path" |
"Oft frustriert, ängstlich oder unsicher" - so beschreibt sich rund jeder dritte Teilnehmer (34 Prozent) der Führungskräfte-Studie von DDI ((Development Dimensions International). Als wichtigsten Stressfaktoren nennen die Befragten mangelnde Klarheit. Konkret: sie fühlen sich auf ihrem Karriereweg durch den eigenen Chef schlecht angeleitet, sie kämpfen mit "vagen Job-Beschreibungen" und "unklaren Erwartungen". Den neuen Führungskräften fällt es schwer, ihr Team auf die geschäftliche Zukunft einzuschwören. Ihre Mitarbeiter sind oft geografisch verteilt, so dass vieles virtuell gemanagt werden muss. Zudem steigt laut DDI der Erfolgsdruck: Führungskräfte müssten heute mit kleineren Teams wesentlich mehr leisten als ihre Vorgänger. Nur gut jeder Zweite (54 Prozent) bekommt mit dem Sprung nach oben auch mehr Gehalt. Laut DDI ist es nicht mehr allein der finanzielle Anreiz, der Führungskräfte motiviert. |