Nein, die Allerersten sind sie bei Haniel nicht, aber eine kleine Premiere ist es trotzdem: Seit Anfang des Jahres greifen die Fachleute in der Personalabteilung des Mischkonzerns für ihre Entscheidungen im Bereich Human Ressources (HR) nicht mehr direkt auf die sperrige SAP-Datenbank zu. Sie suchen geeignete Nachfolger für freie Positionen mithilfe einer grafischen Oberfläche, die ihnen nach einem Mausklick auf ein Diagramm oder auf eine Tortengrafik die in Frage kommenden Talente im Haus sauber aufgereiht und übersichtlich auf dem Bildschirm präsentiert. "Wir sind in 40 Ländern aktiv, sind ein
vielseitiger Mischkonzern - vom Edelstahlrecycling bis zur Apotheke - und beschäftigen mehr als 50.000 Mitarbeiter", sagt Michael Prochaska, Director Corporate HR bei Haniel. "Das macht unsere Aufgabe ungeheuer komplex. Mit einem gemeinsamen Datensystem und der grafischen Aufbereitung der Informationen, die wir für unsere Arbeit benötigen, reduzieren wir diese Komplexität erheblich."
Die Software, die Talente auf Knopfdruck serviert, kommt aus Kanada. In Montreal sitzt das Software-Unternehmen Nakisa, das auf Visualisierungslösungen spezialisiert ist. Seit einiger Zeit ist Nakisa strategischer Partner von SAP: Die Programmierer aus beiden Häusern haben seit Ende 2007 daran gearbeitet, die Lösung mit SAPs HR-Modul zu verzahnen. Nun ist die Kombi-Lösung am Markt, und Haniel gehört zu den Pionieren, die sie einsetzen. Neben SAP selbst ist der Duisburger Mischkonzern das zweite deutsche Unternehmen, das im strategischen HR-Management auf sie setzt.
Dass es talentierte Mitarbeiter und Führungskräfte in einem Unternehmen wie Haniel, das 50.000 Mitarbeiter hat, geben muss, ist schon eine Frage der statistischen Wahrscheinlichkeit. Wer aber sind die Besten? Wer ist geeignet, freie Positionen innerhalb der Firmengruppe, zu der neben dem Pharmagroßhändler Celesio, dem Rohstoffhändler ELG, dem Berufsbekleidungsanbieter CWS-boco International GmbH und dem auf Büro-, Betriebs- und Lagereinrichtungen spezialisierten Versandhändler Takkt seit einiger Zeit auch eine Minderheitsbeteiligung am Handelsriesen Metro Group gehört, zu besetzen? Bei einem Unternehmen mit so einer heterogenen Struktur wie Haniel gleicht die Suche nach denjenigen, die man zu Spitzenkräften weiterentwickeln kann, oft der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Talent-Pool erleichtert die Suche
Das Futter für die Personalanwendungen ist ein Daten-Template, in dem die wichtigsten Informationen für Führungskräfte im Konzern abgelegt sind. Um etwa einen Nachfolgeprozess im Top-Management unterstützen zu können, sollen bei Haniel potenzielle Talente durch ein konzernweit standardisiertes Kompetenzmodell erkannt und in zielgruppenorientierten Talent-Pools gesammelt werden. SAP ist hierfür das technische Rückgrat. 2003 wurde ein Führungskräfte-Informationssystem auf SAP-Basis aufgebaut, seit 2006 sind der komplette deutsche Mitarbeiterstamm der Belegschaft und die Informationen über die internationalen Führungskräfte hier hinterlegt.
So wie Haniel verwenden viele Unternehmen SAP-Programme für die Personaldatenverwaltung und zur Lohnabrechnung. Der Einsatz von IT-Werkzeugen erfolgt nicht nur, um Personalprozesse effizienter abzuwickeln, sondern auch, weil Personalabteilungen heute sehr viel mehr tun sollen, als nur die Auszahlung der Gehälter zu organisieren. Talent-Management und Nachfolgeplanung sind in Zeiten knapper werdender Arbeitsmärkte überlebenswichtig für die Betriebe. Richtige Personalentscheidungen sichern nicht zuletzt auch die Zukunft des Unternehmen. "Wir nehmen aktiv an der Unternehmensentwicklung teil, denn die Menschen sind es, die ein Unternehmen erfolgreich machen", sagt Prochaska.
Eigengewächse an die Spitze
Um gute Mitarbeiter noch besser zu machen und Spitzenpositionen mit Eigengewächsen besetzen zu können, statt sie teuer zu rekrutieren, setzt Haniel auf vielfältige Maßnahmen: Intern werden offene Stellen über ein Intranet kommuniziert, der Konzern fördert aktiv, dass sich Mitarbeiter über Unternehmensbereiche hinweg bewerben. Damit trotz der Komplexität des Konzerns in Duisburg nicht aus dem Blick gerät, wer wo mit welcher Qualifikation sitzt oder sitzen könnte, werden alle Be- und Versetzungsprozesse auf Grundlage der brettharten Logik des SAP-Backbones abgewickelt und dokumentiert. "Hier haben wir alle Informationen, die wir im Lifecycle eines Mitarbeiters brauchen, auf einer Plattform integriert", sagt Peter Sticksel, Haniels Head of Management Development.
SAP taugt als Datengrundlage für die Personalprozesse, stößt als Anwendung allerdings wegen der dünnen Auswertungs- und Suchmöglichkeiten bei den strategischen Aufgaben, die die Personaler erledigen müssen, schnell an Grenzen. Diese Lücke nutzen Software-Anbieter wie Executrack, die ihre Talent-Management-Lösungen mit sehr viel großzügigeren grafischen Bedienhilfen und Suchfunktionen ausstatten. "Die durchaus gängige Kombination von SAP HR im administrativen HR-Management und spezialisierten Lösungen wie ETWeb von Stepstone im strategischen Bereich kommt für uns allerdings nicht in Frage", sagt Markus Persing, Programmleiter HR-IT bei Haniel. "Wir verfolgen den Ansatz, alle HR-Geschäftsprozesse auf einer integrierten Plattform anzubieten, was bei einem zentralen Konzernsystem ratsam ist. Dabei setzen wir auf SAP, das durch die strategische Partnerschaft mit Nakisa in der Visualisierung von HR-Prozessen entscheidend aufholen konnte." Eine Software wie ETWeb oder ähnliche Lösungen an das SAP-Backbone zu koppeln erschien dem Haniel-HR-Team zu teuer und zu aufwendig.
Erster Praxistest des Software-Duos
Vor diesem Hintergrund erwies sich der Kooperationsvertrag, den SAP mit Nikasa Ende 2007 unterschrieben hat, als glückliche Fügung. Neun Monate dauerte das im Vorjahr gestartete Integrationsprojekt bei Haniel, das neben dem Nikasa-Einsatz bei SAP selbst der erste Praxistest für das Zusammenspiel des Software-Duos ist.
Parallel zur Implementierung von Nakisa wurde mit der Installation von SAPs e-Recruiting auch eine zweite Neuerung im HR-Bereich angepackt. Dieses Projekt zielt darauf ab, die Mitarbeiter selbst in den Personalentwicklungsprozesse stärker einzubeziehen. Die Anwendung bietet Bewerbern die Möglichkeit, sich in einem Talent Warehouse zu registrieren. Führungskräfte können die Mitarbeiter finden, die sie benötigen, und langfristige Beziehungen mit den im Talent-Pool registrierten Personen pflegen.
Auch neue Bewerber haben über SAP e-Recruiting die Möglichkeit, sich mit Haniel zu vernetzen. Die Lösung ist nicht nur an die internen Systeme, sondern auch an externe Jobbörsen und Datenbanken von
Personaldienstleistern angebunden. "Wir müssen uns natürlich auf die Gewohnheiten der Generation Y einstellen, die mit dem Netz groß geworden ist", sagt Prochaska. "Es ist für Kandidaten heute normal, sich online vorzustellen und ihre Leistungen online zu dokumentieren."
In der Summe sollen diese IT-Projekte Haniel helfen, die Talente im eigenen Haus optimal zu fördern und für neue Bewerber attraktiver zu werden. Sie kommen schneller in Kontakt mit dem Unternehmen und überblicken schnell, wie vielfältig die Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierepfade bei Haniel sind. "Jede Einzelne unserer Marken ist vielleicht nicht so anziehend wie Porsche, Daimler oder BMW", sagt Prochaska. "Der Konzern insgesamt mit seinen vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten ist aber sehr attraktiv."
Sich an Kennzahlen messen lassen
Wie erfolgreich die Personalabteilung mit den neuen Werkzeugen arbeitet, soll anhand von Kennzahlen ermittelt werden, wie Prochaska erklärt. "Wir wollen zum Beispiel messen, wie hoch bei offenen Stellen die interne Besetzungsquote ist. Noch rekrutieren wir mehr extern, als wir müssten. Auch an der Fluktuationsrate in den relevanten Zielgruppen und am Rotationsfaktors, also an der Menge der Mitarbeiter, die in andere Unternehmensbereiche wechseln oder aufsteigen, lassen wir uns jährlich messen.“ Dass die Personaler nicht nur den Einsatz der neuen Talentsuchwerkzeuge den Führungskräften bei Haniel predigen, sondern sie selbst bereits eifrig benutzen, ist bereits jetzt zu bemerken. Innerhalb der Personalabteilung haben bereits etwa ein halbes Dutzend Mitarbeiter mit ihrer Hilfe neue Aufgaben im Konzern gefunden. "Das ist für uns eine tolle Entwicklung", sagt Peter Sticksel. "Wir wollen bei Themen wie Talent-Management und Führungskräfteentwicklung für die anderen Bereiche ein Vorbild sein."