Schöne neue Arbeitswelt: Flexible Arbeitszeiten mit denen sich Kind und Karriere vereinbaren lassen, dazu Elternzeit und Kinderkrippen im Unternehmen. Das ist noch in weiter Ferne, so eine Studie des Unternehmensberaters A.T. Kearney. Über flexible Arbeitszeiten wird zwar gesprochen, durchgesetzt wird dieses Konzept meist aber nicht. "Gesellschaftlicher Anspruch und betriebliche Wirklichkeit liegen beim Thema familienfreundliche Unternehmen weit auseinander", sagt Martin Sonnenschein, Managing Director Europe von A.T. Kearney.
Kaum Angebote in Unternehmen
"Unternehmen in Deutschland tun zu wenig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf", heißt es in der Studie. Das trifft nicht nur die Frauen, von denen 92 Prozent glauben, dass ihre Firma sie dabei nicht unterstützt. Auch Männer mit Kindern fühlen sich zu 87 Prozent vom Unternehmen allein gelassen, wenn sie Familie und Karriere vereinbaren wollen. Nur 15 Prozent der Befragten waren mit dem Angebot ihres Arbeitgebers zufrieden. Der neuen Generation an Arbeitnehmern ist nämlich die Familie sehr wichtig, wie eine Kienbaum-Studie ergab.
Angebote wie flexiblere Arbeitszeiten, Auszeiten, Elternzeit und ähnliches bieten Firmen einfach nicht an oder informieren ihre Angestellten nur unzureichend, so die Kearney-Studie. Vier von fünf Mitarbeitern mit einem Kind unter sechs Jahren vermissen Job-Sharing-Angebote. "Ein familienfreundliches Image scheint vielen Unternehmen wichtiger zu sein als gelebte Realität", so Sonnenschein. Für Mitarbeiter hat die mangelnde Unterstützung konkrete Auswirkungen.
Teilzeit killt Karriere
Besonders Teilzeit hindert Frauen daran, ihre Karriere zu verfolgen. Wer nur halbtags arbeitet, kann seinen beruflichen Werdegang offenbar vergessen. Nur elf Prozent der Frauen zwischen 30 und 40 Jahren glaubt laut Studie, dass ihre Chefs sich "glaubhaft und nachhaltig" für die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf einsetzen. Schließlich glauben auch 70 Prozent der Frauen, dass ihr Arbeitgeber hohen Wert auf persönliche Anwesenheit lege, so die Studie. Da fällt es schwer, sich auch noch um die Familie zu kümmern. Ein schlechtes Zeugnis für Entscheider und Unternehmen, die damit auch die Zukunft der Firma riskieren.
Angestellte fürchten, durch Teilzeit ihre Karriere abschreiben zu können. 42 Prozent der Befragten gaben an, dass dieses Arbeitsmodell dafür verantwortlich sei. Das Gehalt spielt dabei auch eine große Rolle: Knapp ein Viertel der Beschäftigten (23 Prozent) gab an, dass sie deutliche Einkommenseinbußen befürchteten, so die Studie. Die meisten sorgten sich, bei Familiengründung entsprechender Arbeitsgestaltung ihren Arbeitsplatz komplett zu verlieren oder beruflich gar abzusteigen.
Mitarbeiter bleiben bei Familienprogrammen treu
Damit verschenken Führungsverantwortliche jede Menge Potenzial in ihren Angestellten. Dabei sind gerade qualifizierte Mitarbeiter und deren Fähigkeiten wichtiger denn je. Der Fachkräftemangel lässt den Pool an Spezialisten vor allem im IT-Bereich schmelzen. Unternehmen können es sich eigentlich nicht leisten, Frauen auf die unteren Ränge zu verbannen. Und gerade in der IT sind Frauen besonders gut aufgehoben: Sie haben andere soziale Kompetenzen. Wer also Familienfreundlichkeit hinten anstellt, verliert einen großen Pool an Talenten.
Zudem bleiben Mitarbeiter mit Kindern ihren Arbeitgebern treu - aber nur, wenn es Familienprogramm im Unternehmen gibt. Dann wollen 71 Prozent der Angestellten mit Familie weiter in der Firma arbeiten. Eltern, die solche Programme noch nicht in Anspruch genommen haben, sind dagegen zu 30 Prozent bereit dazu, den Arbeitgeber zu wechseln, so die Studie. Will sich ein Unternehmen also langfristig Mitarbeiter sichern, wäre es sinnvoll, Teilzeit und andere familienfreundlichere Modelle zuzulassen. Sonnenschein bezeichnete sie als "immense Chance".
Firmen brauchen Familien
"Familien sind für Unternehmen von existenzieller Bedeutung", sagt Sonnenschein. Die Studie ergab nämlich auch: Je weniger ausgeprägt die Familienkultur war, desto wechselbereiter waren die Mitarbeiter. Weniger als ein Drittel (27 Prozent) der Eltern in einem solchen Unternehmen waren bereit, langfristig bei diesem Arbeitgeber zu bleiben. Teilzeit lohnt sich also für Angestellte und die Firma.
Für die Studie befragte A.T. Kearney zusammen mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, das Infas Institut für angewandte Sozialforschung und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Dafür befragte die Unternehmensberatungsfirma knapp 1800 Mitarbeiter aus über 400 Firmen über die Familienfreundlichkeit.